deen

Steuerberatung

Verfassungsmäßigkeit von Aussetzungszinsen: Keine ernstlichen Zweifel

FG Baden-Württemberg 16.1.2018, 2 V 3389/16

An der Rechtmäßig­keit von Aus­set­zungs­zin­sen, ins­be­son­dere de­ren Höhe, be­ste­hen keine ernst­li­chen Zwei­fel. Die Höhe der Aus­set­zungs­zin­sen von 0,5 % für je­den Mo­nat (6 % pro Jahr) verstößt we­der ge­gen das Übermaßver­bot noch ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz.

Der Sach­ver­halt:
Ge­gen die An­trag­stel­ler, ein Ehe­paar, er­gin­gen im Ok­to­ber 2012 geänderte Ein­kom­men­steu­er­be­scheide für die Jahre 2007 bis 2010, die zu Steu­er­nach­for­de­run­gen von über 150.000 € führ­ten. Das Fi­nanz­amt setzte im Ja­nuar 2013 die an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheide ohne Si­cher­heits­leis­tung von der Voll­zie­hung aus. Im Au­gust 2016 änderte es die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide zu Guns­ten der An­trag­stel­ler ab, wo­durch sich die Steu­er­nach­for­de­run­gen auf etwa 100.000 € re­du­zier­ten.

Im Sep­tem­ber 2016 er­ließ das Fi­nanz­amt einen Be­scheid über Aus­set­zungs­zin­sen nach § 237 AO. Darin wur­den für den Zeit­raum ab No­vem­ber 2012 bis Sep­tem­ber 2016 Aus­set­zungs­zin­sen i.H.v. ins­ge­samt rd. 22.000 € fest­ge­setzt. Hier­ge­gen leg­ten die An­trag­stel­ler Ein­spruch ein und be­an­trag­ten die Aus­set­zung der Voll­zie­hung, was das Fi­nanz­amt ab­lehnte.

Das FG wies den An­trag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung zurück. Die zur Fort­bil­dung des Rechts und Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung zu­ge­las­sene Be­schwerde wird beim BFH un­ter dem Az. VIII B 15/18 geführt.

Die Gründe:
Es be­ste­hen keine ernst­li­chen Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit der § 237 Abs. 1 S. 1 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO.

Hat ein Ein­spruch ge­gen einen Steu­er­be­scheid endgültig kei­nen Er­folg, ist der ge­schul­dete Be­trag, hin­sicht­lich des­sen die Voll­zie­hung des an­ge­foch­te­nen Ver­wal­tungs­akts aus­ge­setzt wurde, mit 0,5 % Pro­zent mo­nat­lich zu ver­zin­sen. Sinn und Zweck der Ver­zin­sungs­pflicht nach § 237 AO ist es, den Nut­zungs­vor­teil we­nigs­tens zum Teil ab­zu­schöpfen, den der Steu­er­pflich­tige da­durch erhält, dass er während der Dauer der Aus­set­zung der Voll­zie­hung über eine Geld­summe verfügt, die nach dem im an­ge­foch­te­nen Steu­er­be­scheid kon­kre­ti­sier­ten ma­te­ri­el­len Recht "an sich" dem Steu­ergläubi­ger zu­steht. Außer­dem hat die Ver­zin­sungs­pflicht bei der Aus­set­zung der Voll­zie­hung den Zweck, unnötige Steu­er­pro­zesse zu ver­mei­den. Die Fest­le­gung ei­nes Zins­sat­zes von 0,5 % Pro­zent mo­nat­lich ist hierfür ge­eig­net, er­for­der­lich und an­ge­mes­sen.

Der Ge­setz­ge­ber ist von Ver­fas­sungs we­gen nicht ge­hal­ten, den ge­setz­li­chen Zins­satz daran zu ori­en­tie­ren, wel­che Zins­erträge am Ka­pi­tal­markt zu er­wirt­schaf­ten wa­ren. Es ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, wenn er sich statt­des­sen daran ori­en­tiert, wel­che Zin­sen der Steu­er­pflich­tige für ein Dar­le­hen hätte auf­brin­gen müssen. Die In­ter­es­sen­lage bei Aus­set­zungs­zin­sen un­ter­schei­det sich deut­lich von der bei der Ver­zin­sung von Steu­er­nach­for­de­run­gen. Denn struk­tu­rell tritt der Staat bei der Gewährung ei­ner Aus­set­zung der Voll­zie­hung dem Steu­er­pflich­ti­gen wie ein Dar­le­hens­ge­ber ge­genüber. Der vom Ge­setz hierfür sta­tu­ierte Zins­satz von jähr­lich 6 % ist an­ge­sichts der übli­chen Zinssätze nicht un­verhält­nismäßig. Dar­le­hen konn­ten im strei­ti­gen Zeit­raum zwar teil­weise zu we­sent­lich güns­ti­ge­ren Kon­di­tio­nen auf­ge­nom­men wer­den; das aber galt vor al­lem für be­si­cherte Dar­le­hen zu In­ves­ti­ti­ons­zwe­cken. Für Kon­sum­dar­le­hen wur­den dem­ge­genüber Zinssätze ver­langt, die eine ähn­li­che Höhe hat­ten, wie der ge­setz­li­che Zins­satz von 6 %.

Auch die Ver­zugs- oder Pro­zess­zin­sen nach § 288 BGB i.V.m. § 291 S. 2 BGB sind höher bzw. ähn­lich hoch wie der ge­setz­li­che Zins­satz von 6 % für Aus­set­zungs­zin­sen. Noch­mals höher sind die übli­chen Bank­zin­sen für Dis­po­kre­dite. Der Ge­setz­ge­ber ist von Ver­fas­sungs we­gen nicht ge­hin­dert, sich bei der ge­setz­li­chen Fest­le­gung von Aus­set­zungs­zin­sen am Dis­po­zins oder auch dem zwi­schen Bürgern gel­ten­den ge­setz­li­chen Zins­satz für Ver­zugs- und Pro­zess­zin­sen zu ori­en­tie­ren, der ge­mit­telt über 6 % jähr­lich liegt. Hinzu kommt, dass der Steu­er­pflich­tige die Aus­set­zungs­zin­sen zu­min­dest im Re­gel­fall ver­mei­den kann, in­dem er die Steu­er­schuld be­zahlt und sich zu einem güns­ti­ge­ren Zins­satz an­der­wei­tig re­fi­nan­ziert. Ist dem Steu­er­pflich­ti­gen das nicht möglich, so in­di­ziert dies, dass seine wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse schwie­rig sind und er we­gen des da­mit ver­bun­de­nen Ri­si­kos güns­ti­gere Zinssätze nicht er­lan­gen kann. In die­sen Fällen muss der Staat keine be­son­ders güns­ti­gen, für den Be­trof­fe­nen am Markt nicht zu er­lan­gende Zinssätze, gewähren, ob­wohl ein Aus­fall der Steu­er­for­de­rung durch eine In­sol­venz des Steu­er­schuld­ners droht.

Die ge­setz­li­che Re­ge­lung zu den Aus­set­zungs­zin­sen verstößt auch nicht ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz. Es ist le­gi­tim, zwi­schen den Steu­er­schuld­nern, die die fest­ge­setz­ten Steu­ern so­gleich be­zah­len, und den­je­ni­gen, die Ein­spruch ein­le­gen und eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung be­an­tra­gen, zu dif­fe­ren­zie­ren. Die sich daran anknüpfende Un­gleich­be­hand­lung über­schrei­tet das zulässige Maß nicht. Im Pri­vat­recht hat der Staat mit den Ver­zugs- und Pro­zess­zin­sen Zinssätze fest­ge­legt, die den­je­ni­gen der Aus­set­zungs­zin­sen na­he­kom­men oder sie so­gar über­stei­gen würden. Steu­er­pflich­tige wer­den so­mit nicht schlech­ter be­han­delt als Bürger, die For­de­run­gen an­de­rer Bürger nicht be­glei­chen und des­halb von Ge­set­zes we­gen zins­pflich­tig wer­den.

Link­hin­weis:

nach oben