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Steuerberatung

Säumniszuschläge trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit

BFH v. 17.9.2019 - VII R 31/18

Säum­nis­zu­schläge ent­ste­hen gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach An­zeige der Mas­se­un­zuläng­lich­keit kraft Ge­set­zes. Nach Rück­kehr ins re­guläre In­sol­venz­ver­fah­ren sind die während der Mas­se­un­zuläng­lich­keit gel­ten­den Auf­rech­nungs­ver­bote nicht mehr an­zu­wen­den.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen ei­ner GmbH. Kurz nach Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens hatte er am 6.6.2011 gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO Mas­se­un­zuläng­lich­keit an­ge­zeigt. Da­nach gab er Um­satz­steu­er­erklärun­gen ab, dar­un­ter am 5.8.2011 eine Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für Juni 2011 un­ter der Mas­se­steu­er­num­mer. Die Steuer wurde nicht ent­rich­tet. Am 2.5.2012 kor­ri­gierte der Kläger die Um­satz­steu­er­schuld. Diese Schuld war durch eine vom Fi­nanz­amt am 7.12.2011 vor­ge­nom­mene Um­bu­chung be­reits ge­tilgt wor­den, d.h. nach der Kor­rek­tur be­stand in­so­weit keine Mas­se­schuld mehr.

Am 6.6.2012 fer­tigte ein Be­ar­bei­ter des Fi­nanz­am­tes einen die Säum­nis­zu­schläge be­tref­fen­den Ak­ten­ver­merk und über­mit­telte die­sen di­rekt per Fax. Im Juli 2012 zeigte der Kläger dem In­sol­venz­ge­richt eine Ver­bes­se­rung der fi­nan­zi­el­len Verhält­nisse und das Ende der Mas­se­un­zuläng­lich­keit an. Am 9.7.2014 gab er die Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für das zweite Quar­tal 2014 ab, aus der sich ein Gut­ha­ben von 1.558 € er­gab. Das Fi­nanz­amt stimmte die­ser Vor­an­mel­dung zu, zahlte das Gut­ha­ben je­doch nicht aus, son­dern buchte es auf die sei­ner Auf­fas­sung nach gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO trotz An­zeige der Mas­se­un­zuläng­lich­keit in der Zeit vom 6.8.2011 bis 5.5.2012 ent­stan­de­nen Säum­nis­zu­schläge zur Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für Juni 2011 um.

In der Folge er­ging auf An­trag des Klägers u.a. der im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch streit­ge­genständ­li­che Ab­rech­nungs­be­scheid vom 20.10.2014, in dem das Fi­nanz­amt die Ent­ste­hung von Säum­nis­zu­schlägen zur Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für Juni 2011 und de­ren Auf­rech­nung mit dem Er­stat­tungs­be­trag aus der Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für das zweite Quar­tal 2014 be­jaht hatte. Während des Ein­spruchs­ver­fah­rens gab der Kläger am 11.4.2016 die Um­satz­steu­er­erklärung für 2014 ab, aus der sich eine Um­satz­steu­er­schuld von 1.549 € und eine noch zu ent­rich­tende Ab­schluss­zah­lung von 880 € er­ga­ben. Die Behörde stimmte der Erklärung zu.

Vor Ab­schluss des Ein­spruchs­ver­fah­rens er­ließ das Fi­nanz­amt auf An­trag des Klägers gem. § 227 AO im Juli 2016 die Hälfte der Säum­nis­zu­schläge. Ein­spruch und Klage auf vollständi­gen Er­lass blie­ben ohne Er­folg. Die da­ge­gen ge­rich­tete Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde des Klägers blieb vor dem BFH er­folg­los (Be­schl. 14.9.2018 - XI B 68/18). In der Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 17.8.2016, die noch einen wei­te­ren Ab­rech­nungs­be­scheid be­traf, berück­sich­tigte das Fi­nanz­amt den hälf­ti­gen Er­lass der Säum­nis­zu­schläge. Hier­auf er­hob der Kläger Klage und be­an­tragte, beide Ab­rech­nungs­be­scheide abzuändern. Die Klage blieb in al­len In­stan­zen er­folg­los.

Gründe:
Gem. § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO er­geht u.a. dann ein Ab­rech­nungs­be­scheid, wenn die Ver­wirk­li­chung von An­sprüchen aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis (§ 37 AO), von Säum­nis­zu­schlägen (§ 240 AO) und ihr Erlöschen (§ 47 AO) durch Auf­rech­nung (§ 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB) strei­tig sind.

Im Streit­fall lie­gen diese Vor­aus­set­zun­gen vor. Es sind die Ver­wir­kung von Säum­nis­zu­schlägen zur Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dung für Juni 2011 und das Erlöschen des Gut­ha­bens i.H.v. 1.558 € aus der Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für das zweite Quar­tal 2014 durch Auf­rech­nung mit die­sen Säum­nis­zu­schlägen strei­tig. Das FG ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass während der vorüber­ge­hen­den Mas­se­un­zuläng­lich­keit Säum­nis­zu­schläge an­ge­fal­len sind. Wird eine Steuer nicht bis zum Ab­lauf des Fällig­keits­ta­ges ent­rich­tet, ent­ste­hen gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO für je­den an­ge­fan­ge­nen Mo­nat der Säum­nis Säum­nis­zu­schläge i.H.v. 1 % des ab­ge­run­de­ten rückständi­gen Steu­er­be­trags.

Säum­nis­zu­schläge fal­len nach dem Ge­setz un­abhängig da­von an, ob eine Steuer zu­tref­fend fest­ge­setzt wird. Sie blei­ben gem. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO von ei­ner Kor­rek­tur der Steu­er­fest­set­zung (wie sie im Streit­fall er­folgt ist) un­berührt. Sie sind nicht mit Ver­zugs­zin­sen des BGB gleich­zu­set­zen, son­dern ein Druck­mit­tel ei­ge­ner Art, das den Steu­er­pflich­ti­gen zur recht­zei­ti­gen Zah­lung an­hal­ten soll, sie ha­ben also eine Druck­funk­tion. Ins­be­son­dere ent­ste­hen Säum­nis­zu­schläge gem. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO auch nach An­zeige der Mas­se­un­zuläng­lich­keit kraft Ge­set­zes.

Nach An­zeige der wie­der­er­lang­ten Zuläng­lich­keit der Masse durch den In­sol­venz­ver­wal­ter im Juli 2012 konnte das Fi­nanz­amt gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB mit den während der Dauer der an­ge­zeig­ten Mas­se­un­zuläng­lich­keit ver­wirk­ten Säum­nis­zu­schlägen ge­gen die Mas­se­for­de­rung aus der Um­satz­steu­er­vor­aus­zah­lung für das zweite Quar­tal 2014 auf­rech­nen. Die während der Mas­se­un­zuläng­lich­keit zu berück­sich­ti­gen­den Auf­rech­nungs­ver­bote gem. § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO, § 96 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 InsO ana­log oder § 210 InsO ana­log gal­ten nicht mehr. Denn nach Rück­kehr ins re­guläre In­sol­venz­ver­fah­ren sind die während der Mas­se­un­zuläng­lich­keit gel­ten­den Auf­rech­nungs­ver­bote nicht mehr an­zu­wen­den.
 

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