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Diplomsozialarbeiter bei Betreuung behinderter Menschen gewerblich tätig

FG Köln 1.6.2017, 15 K 243/14

Un­terstützt eine So­zi­al­ar­bei­te­rin psy­chi­sch er­krankte Er­wach­sene so­wie an­dere hil­fe­bedürf­tige volljährige Per­so­nen bei ih­rer all­ge­mei­nen Le­bensführung und hilft ih­nen bei der Wie­der­ein­glie­de­rung in die Ge­sell­schaft, ist ihre Tätig­keit re­gelmäßig als ge­werb­lich ein­zu­stu­fen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin hat das Stu­dium der So­zi­al­ar­beit als Di­plom­so­zi­al­ar­bei­te­rin ab­ge­schlos­sen. Nach ih­rem Stu­dium bie­tet sie Men­schen mit psy­chi­schen Er­kran­kun­gen, körper­li­chen oder geis­ti­gen Be­hin­de­run­gen oder chro­ni­scher Sucht­er­kran­kung Un­terstützung bei der Le­bensführung an. Sie wird da­bei u.a. von Kli­ni­ken oder Ärz­ten kon­tak­tiert und  ge­fragt, ob sie für die Men­schen, die ins­be­son­dere aus sta­tionärer Be­hand­lung kom­men, eine am­bu­lante Ver­sor­gung be­treuen kann. Sie führt dann zunächst ein Erst­ge­spräch mit dem Be­trof­fe­nen. Auf­grund des­sen er­stellt sie einen Hil­fe­plan.  Die­ser wird dann mit ver­schie­de­nen In­ter­es­sen­ver­tre­tern (z.B. Land­schafts­ver­band, Arzt, So­zi­al­ar­bei­ter) be­spro­chen und wenn nötig abgeändert. An­schließend wer­den ggf. fi­nan­zi­elle Mit­tel durch den Land­schafts­ver­band für die Ar­beit be­wil­ligt. Es han­delt sich da­bei um Zah­lun­gen nach dem SGB XII.

Die Kläge­rin hat für ihre Ar­beit auch Fachkräfte, ins­be­son­dere Di­plom-Heilpädago­gen und Di­plom-So­zi­al­ar­bei­ter, an­ge­stellt. Diese führen die wei­te­ren Ge­spräche mit den Be­trof­fe­nen. Das zweite persönli­che Ge­spräch mit der Kläge­rin er­folgt nach dem Erst­ge­spräch erst nach etwa sechs Mo­na­ten.

Die Kläge­rin gab für das streit­ge­genständ­li­che Jahr keine Ge­wer­be­steu­er­erklärung ab.  Das Fi­nanz­amt kam je­doch zu der Auf­fas­sung, dass die Kläge­rin ge­werb­lich und nicht selbstständig i.S.v. § 18 EStG tätig sei und er­ließ dar­auf­hin einen Be­scheid über den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag. Der da­ge­gen ein­ge­legte Ein­spruch hatte ebenso we­nig Er­folg wie die Klage. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat zu Recht einen Be­scheid über den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag für das Streit­jahr er­las­sen. Die Kläge­rin un­ter­liegt mit ih­rer Tätig­keit der Ge­wer­be­steu­er­pflicht. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG ist eine selbstständige nach­hal­tige Betäti­gung, die mit Ge­winn­er­zie­lungs­ab­sicht un­ter­nom­men wird und sich am Wirt­schafts­ver­kehr be­tei­ligt, Ge­wer­be­be­trieb, wenn die Betäti­gung u.a. nicht als Ausübung ei­nes freien Be­rufs noch als eine an­dere selbstständige Ar­beit an­zu­se­hen ist. Die Kläge­rin erfüllt mit ih­rer Tätig­keit alle Vor­aus­set­zun­gen. Ihre Tätig­keit ist als ge­werb­lich ein­zu­stu­fen, da sie keine Ausübung ei­nes freien Be­rufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG dar­stellt.

Die Tätig­keit der Kläge­rin gehört nicht zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG auf­geführ­ten Ka­ta­log­be­ru­fen, denn er ist dort ausdrück­lich nicht erwähnt. Die Tätig­keit ist auch kein ähn­li­cher Be­ruf i.S. der Re­ge­lung. Nach der ständi­gen BFH-Recht­spre­chung muss ins­be­son­dere die Aus­bil­dung für die Ähn­lich­keit zum Ka­ta­log­be­ruf ver­gleich­bar sein. Dies ist vor­lie­gend nicht der Fall. Die Aus­bil­dung der Kläge­rin ähnelt we­der ei­nes Arz­tes noch der ei­nes Heil­prak­ti­kers. Schließlich ist die Kläge­rin auch nicht er­zie­he­ri­sch tätig ge­we­sen.

Nach der ständi­gen BFH-Recht­spre­chung ist Er­zie­hung, die planmäßige Tätig­keit zur körper­li­chen, geis­ti­gen und sitt­li­chen For­mung jun­ger Men­schen zu tüch­ti­gen und mündi­gen Men­schen. Vor­aus­set­zung ist da­bei, dass die ganze Persönlich­keit ge­formt wird. Da­her ist die Tätig­keit der Kläge­rin, die das Ziel hat, nur be­stimmte in­di­vi­du­elle Ver­hal­tens­po­si­tio­nen und Persönlich­keits­de­fekte zu über­win­den, nicht als er­zie­he­ri­sche Maßnahme zu ver­ste­hen, da es an der ganz­heit­li­chen For­mung der Persönlich­keit fehlt.

Selbst wenn die Tätig­keit der Kläge­rin als er­zie­he­ri­sch ein­zu­stu­fen wäre, ist die Tätig­keit  nicht als frei­be­ruf­lich i.S.d. § 18 EStG an­zu­se­hen. Die Kläge­rin wird nicht auf­grund ei­ge­ner Fach­kennt­nisse lei­tend und ei­gen­ver­ant­wort­lich tätig i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG. Die Ausführung je­des ein­zel­nen Auf­trags muss der Kläge­rin zu­zu­rech­nen sein. Es reicht nicht aus, dass sie ihre Mit­ar­bei­ter überprüft und nur halbjähr­lich persönli­chen Kon­takt zu den Be­trof­fe­nen auf­nimmt. Dies steht ei­ner ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Tätig­keit ent­ge­gen. Zu­dem ist die Tätig­keit auch nicht von der Ge­wer­be­steuer be­freit. Eine Be­frei­ung nach § 3 Nr. 20d GewStG kommt nicht in Be­tracht, da die Kläge­rin keine pfle­ge­ri­sche Leis­tung er­bringt. Die Be­trof­fe­nen, um die sich die Kläge­rin kümmert, bedürfen kei­ner Pflege i.S.d. So­zi­al­rechts.

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