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Steuerberatung

AdV: Formerfordernisse einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung

FG Baden-Württemberg 14.2.2018, 11 V 2922/17

Das FG Ba­den-Würt­tem­berg hat sich vor­lie­gend mit den For­mer­for­der­nis­sen ei­ner Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügung be­fasst. Der Um­stand, dass der­ar­tige Verfügun­gen nicht von einem Amtsträger un­ter­zeich­net wor­den sind, begründet dann keine Zwei­fel an de­ren for­mel­ler Rechtmäßig­keit, wenn sie for­mu­larmäßig oder mit Hilfe elek­tro­ni­scher Ein­rich­tun­gen er­las­sen wor­den sind.

Der Sach­ver­halt:
Das Haupt­zoll­amt führt auf­grund ent­spre­chen­der Voll­stre­ckungs­aufträge die Voll­stre­ckung von Bei­trags­for­de­run­gen ei­ner Kran­ken­kasse (Gläubi­ge­rin) ge­gen die A-GmbH (Schuld­ne­rin) durch. In die­sem Zu­sam­men­hang hat es zwei Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen über das IT-Ver­fah­ren "Elek­tro­ni­sches Voll­stre­ckungs­sys­tem (eVS)" er­zeugt, diese über eine zen­trale Druck­straße aus­ge­druckt und die förm­li­che Zu­stel­lung die­ser mit dem Da­tum des 10.8.2017 ver­se­he­nen Verfügun­gen an die An­trag­stel­le­rin ver­an­lasst.

Mit die­sen bei­den Verfügun­gen pfändete das Haupt­zoll­amt we­gen Bei­trags­schul­den der Schuld­ne­rin de­ren An­sprüche ge­gen die An­trag­stel­le­rin auf Zah­lung der zu ih­ren  - der Schuld­ne­rin - Guns­ten be­ste­hen­den Gut­ha­ben nach näherer Maßgabe des In­halts die­ser Verfügun­gen und ord­nete die Ein­zie­hung der gepfände­ten For­de­run­gen bis zur Höhe des in der je­wei­li­gen Verfügung be­zif­fer­ten Ge­samt­be­tra­ges an. Die Verfügun­gen ent­hal­ten an die An­trag­stel­le­rin ge­rich­tet je­weils das Ver­bot, an den Schuld­ner zu leis­ten oder bei ei­ner Verfügung über des­sen An­sprüche mit­zu­wir­ken, so­wie die Auf­for­de­rung, in­ner­halb von zwei Wo­chen ab Zu­stel­lung der Verfügung eine Dritt­schuld­ner­erklärung ab­zu­ge­ben und sich da­bei zu vier ge­stell­ten Fra­gen zu erklären.

Die der An­trag­stel­le­rin am 12.8.2017 zu­ge­stell­ten Aus­fer­ti­gun­gen der bei­den Verfügun­gen ent­hal­ten im Brief­kopf je­weils den Na­men und die An­schrift des Haupt­zoll­amts, den Na­men des Be­ar­bei­ters, je­doch we­der eine Un­ter­schrift noch ein Dienst­sie­gel. Sie schließen je­weils mit dem Satz "Die­ses Schriftstück ist ohne Un­ter­schrift und ohne Na­mens­an­gabe gültig". Nach­dem die An­trag­stel­le­rin dem Haupt­zoll­amt mit­ge­teilt hatte, dass es die Verfügun­gen zwar er­hal­ten habe, sie aber nicht be­ach­ten werde, weil sie we­der un­ter­zeich­net noch mit einem Sie­gel ver­se­hen seien, legte sie hier­ge­gen mit wei­te­rem Schrei­ben vom 12.9.2017 (beim Haupt­zoll­amt ein­ge­gan­gen am 14.9.2017) Ein­spruch ein und be­an­tragte die Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV). Das Haupt­zoll­amt wies den Ein­spruch zurück und lehnte den An­trag auf AdV ab.

Das FG lehnte den An­trag auf AdV eben­falls ab. Die Be­schwerde zum BFH wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Der Rechtmäßig­keit der streit­be­fan­ge­nen Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen be­geg­net nach der im Ver­fah­ren zur Er­lan­gung vorläufi­gen Rechts­schut­zes er­for­der­li­chen, aber auch aus­rei­chen­den sum­ma­ri­schen Überprüfung kei­nen ernst­li­chen Zwei­feln. Sie genügen der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Form.

§ 309 Abs. 1 S. 1 AO ver­langt für die Pfändung von Geld­for­de­run­gen die Schrift­form. Denn die Pfändung setzt nach dem Wort­laut der Vor­schrift vor­aus, dass so­wohl das an den Dritt­schuld­ner ge­rich­tete Ver­bot, an den Voll­stre­ckungs­schuld­ner zu zah­len (Ar­re­sta­to­rium), als auch das an den Voll­stre­ckungs­schuld­ner ge­rich­tete Ge­bot, sich je­der Verfügung über die For­de­rung zu ent­hal­ten (In­hi­bi­to­rium), schrift­lich er­fol­gen. Dem hat das Haupt­zoll­amt da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass es der An­trag­stel­le­rin ent­spre­chende, auf das Haupt­zoll­amt als aus­stel­lende Behörde hin­wei­sende Ur­kun­den hat zu­stel­len las­sen, in de­nen diese An­ord­nun­gen verkörpert sind. Da­mit hat es den ge­setz­li­chen For­mer­for­der­nis­sen genügt.

So­weit die An­trag­stel­le­rin rügt, dass die streit­ge­genständ­li­chen Verfügun­gen nicht von einem Amtsträger un­ter­zeich­net wor­den seien, begründet dies hier keine Zwei­fel an de­ren for­mel­ler Rechtmäßig­keit. Zwar muss ein schrift­li­cher Ver­wal­tungs­akt nach § 119 Abs. 3 S. 2 AO ne­ben an­de­ren Er­for­der­nis­sen grundsätz­lich auch die Un­ter­schrift oder die Na­mens­wie­der­gabe des Behörden­lei­ters, sei­nes Ver­tre­ters oder sei­nes Be­auf­trag­ten ent­hal­ten und fehlt es auf den streit­be­fan­ge­nen Ur­kun­den an ei­ner sol­chen Un­ter­schrift. Der zweite Halb­satz in der ge­nann­ten Vor­schrift macht von dem Er­for­der­nis ei­ner Un­ter­zeich­nung und der Na­mens­wie­der­gabe je­doch eine Aus­nahme für Ver­wal­tungs­akte, die for­mu­larmäßig oder mit Hilfe elek­tro­ni­scher Ein­rich­tun­gen er­las­sen wer­den. Ge­nau um sol­che for­mu­larmäßigen Ver­wal­tungs­akte han­delt es sich bei den vor­lie­gen­den Verfügun­gen.

Die je­weils in Schriftstücken verkörper­ten bei­den Pfändungs- und Ein­zie­hungs­verfügun­gen sind auch nicht des­halb zu be­an­stan­den, weil § 309 Abs. 1 S. 2 AO für sol­che Ver­wal­tungs­akte die elek­tro­ni­sche Form ausdrück­lich aus­schließt. Die bei­den Verfügun­gen mögen zwar mit Hilfe elek­tro­ni­scher Da­ten­ver­ar­bei­tungs­an­la­gen er­zeugt wor­den sein. Sie sind gleich­wohl nicht in elek­tro­ni­scher Form er­las­sen wor­den. Für die Frage, ob eine Re­ge­lung in elek­tro­ni­scher Form vor­liegt oder nicht, ist nicht dar­auf ab­zu­stel­len, ob bei dem Pro­zess ih­rer Ent­ste­hung an ir­gend­ei­ner Stelle auch Da­ten elek­tro­ni­sch ver­ar­bei­tet wor­den sind. Maßge­bend ist viel­mehr, ob dem Adres­sa­ten ein elek­tro­ni­sches Do­ku­ment über­mit­telt wird. Das ist nicht der Fall, wenn dem Be­trof­fe­nen - wie hier - der Aus­druck ei­nes elek­tro­ni­sch er­zeug­ten Do­ku­ments zu­ge­sandt wird.

Auch der An­sicht der An­trag­stel­le­rin, § 309 Abs. 1 AO schließe als spe­zi­el­lere Re­ge­lung die An­wen­dung des § 119 Abs. 3 AO aus, ver­mag sich der Se­nat in die­ser All­ge­mein­heit nicht an­zu­schließen. Rich­tig ist, dass § 309 Abs. 1 S. 2 AO die Re­ge­lung des § 119 Abs. 3 S. 3 AO in­so­weit verdrängt, als es um die Zulässig­keit ei­ner Er­set­zung der Schrift­form durch die elek­tro­ni­sche Form geht; diese ist bei Pfändun­gen aus­ge­schlos­sen. So­weit es al­ler­dings um die (wei­tere) Frage geht, ob das in § 309 Abs. 1 S. 1 AO ent­hal­tene Schrift­for­mer­for­der­nis einem Rück­griff auf die Re­ge­lung in § 119 Abs. 3 S. 2 AO ent­ge­gen steht, ist nicht er­sicht­lich, wor­aus sich eine sol­che Rechts­folge ab­lei­ten lässt.

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