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Rechtsberatung

Zusammensetzung des Aufsichtsorgans von durch Umwandlung gegründeter SE

BGH v. 23.7.2019 - II ZB 20/18

Wenn vor der Ein­tra­gung ei­ner durch form­wech­selnde Um­wand­lung gegründe­ten, dua­lis­ti­sch auf­ge­bau­ten Eu­ropäischen Ge­sell­schaft (SE) in das Han­dels­re­gis­ter ein Sta­tus­ver­fah­ren ein­ge­lei­tet wor­den ist, rich­tet sich die in die­sem Ver­fah­ren fest­zu­le­gende Zu­sam­men­set­zung des Auf­sichts­or­gans der SE bei An­wend­bar­keit der Auf­fan­gre­ge­lung über die Mit­be­stim­mung kraft Ge­set­zes da­nach, wie der Auf­sichts­rat vor der Um­wand­lung nach den ein­schlägi­gen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten rich­ti­ger­weise zu­sam­men­zu­set­zen war.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trags­geg­ne­rin be­stand ur­sprüng­lich in der Rechts­form ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft deut­schen Rechts, bis ihre form­wech­selnde Um­wand­lung in eine So­cie­tas Eu­ro­paea (SE) be­schlos­sen und im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wurde.

Der An­trag­stel­ler ist Ak­tionär der An­trags­geg­ne­rin. Er be­an­tragte eine ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die Zu­sam­men­set­zung des Auf­sichts­rats der An­trags­geg­ne­rin gem. § 98 Abs. 1 AktG. Er war der An­sicht, dass der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin nicht nach den hier maßge­ben­den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zu­sam­men­ge­setzt sei und rich­ti­ger­weise oder je­den­falls zu einem Drit­tel aus Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern be­ste­hen müsse.

Das LG wies den An­trag zurück. Auf die Be­schwer­den des An­trag­stel­lers und ei­ner Ge­werk­schaft, hat das Be­schwer­de­ge­richt den Be­schluss des LG auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung an das LG zurück­ge­wie­sen. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Rechts­be­schwerde der An­trags­geg­ne­rin hatte kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der An­trag kann auf der Grund­lage bis­he­ri­ger Fest­stel­lun­gen nicht zurück­ge­wie­sen wer­den und es be­darf ei­ner wei­te­ren Aufklärung des Sach­ver­halts im Hin­blick auf die vor der Ein­tra­gung der SE an­zu­wen­den­den Mit­be­stim­mungs­re­geln.

Die im Sta­tus­ver­fah­ren fest­zu­le­gende Zu­sam­men­set­zung des Auf­sichts­rats der An­trags­geg­ne­rin be­stimmt sich auf­grund der Umstände des Streit­falls da­nach, wie der Auf­sichts­rat vor der Um­wand­lung nach den ein­schlägi­gen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zu­sam­men­zu­set­zen war. Die Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer in den Or­ga­nen ei­ner SE rich­tet sich gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG al­lein nach die­sem Ge­setz. Die Be­stim­mun­gen des Mit­be­stim­mungs- und des Drit­tel­be­tei­li­gungs­ge­set­zes sind auf die SE des­halb nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar, weil sie nicht zu den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Mit­bestG und § 1 Drit­telbG ab­schließend auf­ge­lis­te­ten Ge­sell­schafts­for­men zählt.

Nach dem SEBG be­steht eine Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer durch eine Be­tei­li­gung in Or­ga­nen der SE nur dann, wenn zwi­schen den Lei­tun­gen der Gründungs­ge­sell­schaf­ten und dem gem. § 5 SEBG zu­sam­men­ge­setz­ten be­son­de­ren Ver­hand­lungs­gre­mium eine Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wurde, die die Mit­be­stim­mung vor­sieht, oder wenn die Vor­aus­set­zun­gen der Mit­be­stim­mung kraft Ge­set­zes gem. §§ 34 ff. SEBG vor­lie­gen. Im Streit­fall kommt die An­wen­dung die­ser ge­setz­li­chen Auf­fan­gre­ge­lun­gen in Be­tracht. Eine Ver­ein­ba­rung nach § 21 SEBG wurde in­des nicht ge­trof­fen. Die An­wen­dung der §§ 34 ff. SEBG schiede zwar auch dann aus, wenn das be­son­dere Ver­hand­lungs­gre­mium gem. § 16 SEBG wirk­sam be­schlos­sen hätte, keine Ver­hand­lun­gen auf­zu­neh­men oder be­reits auf­ge­nom­mene Ver­hand­lun­gen ab­zu­bre­chen. Einen sol­chen Be­schluss hat das LG aber nicht fest­ge­stellt.

Bei ei­ner durch form­wech­selnde Um­wand­lung gegründe­ter SE fin­den die §§ 35 bis 38 SEBG nur An­wen­dung, wenn in der Ge­sell­schaft vor der Um­wand­lung Be­stim­mun­gen über die Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer im Auf­sichts- oder Ver­wal­tungs­or­gan gal­ten, § 34 Abs. 1 Nr. 1 SEBG. Ist diese Vor­aus­set­zung erfüllt, bleibt die Re­ge­lung zur Mit­be­stim­mung er­hal­ten, die in der Ge­sell­schaft vor der Um­wand­lung be­stan­den hat, § 35 Abs. 1 SEBG.

Die Aus­le­gung die­ser Vor­schrif­ten ist ins­be­son­dere hin­sicht­lich der Frage um­strit­ten, wor­auf für die Be­ur­tei­lung des vor der Um­wand­lung ge­ge­be­nen Anknüpfungs­tat­be­stan­des ab­zu­stel­len ist. Teil­weise wird die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass es für das Mit­be­stim­mungs­sta­tut der SE auf die in der Gründungs­ge­sell­schaft tatsäch­lich prak­ti­zierte Mit­be­stim­mung, mit­hin den "Ist-Zu­stand", an­komme, an­dere wol­len auf die in der Gründungs­ge­sell­schaft ge­setz­lich ge­bo­tene Mit­be­stim­mung, den "Soll-Zu­stand", ab­stel­len. Im Streit­fall kann diese Frage je­doch of­fen­blei­ben, weil das hier anhängige Sta­tus­ver­fah­ren be­reits vor der Ein­tra­gung der SE in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­lei­tet wor­den ist. In­folge die­ses Um­stan­des käme es auch un­ter der Prämisse, dass grundsätz­lich auf den "Ist-Zu­stand" ab­zu­stel­len sei, ent­schei­dend dar­auf an, wie der Auf­sichts­rat vor der Um­wand­lung nach den ein­schlägi­gen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten rich­ti­ger­weise zu­sam­men­zu­set­zen war.

Link­hin­weis:
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