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Steuerberatung

Zur Ablaufhemmung nach Hauptsacherledigung im Klageverfahren

FG Düsseldorf v. 14.9.2018 - 1 K 542/17 U

Der dro­hende Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist mit der Folge der Un­zulässig­keit der Steu­er­fest­set­zung soll das fi­nanz­ge­richt­li­che Ver­fah­ren nicht be­las­ten. Ein sol­ches Bedürf­nis be­steht auch in den - in der fi­nanz­ge­richt­li­chen Pra­xis weit ver­brei­te­ten - Fällen der Er­le­di­gungs­erklärun­gen nach Ände­rungs­zu­sage. Der Se­nat sieht sich in sei­ner Auf­fas­sung durch das BFH-Ur­teil vom 24.1.2002, Az.: III R 49/00 bestätigt.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger In­ha­ber ei­nes Gärt­ne­rei­be­trie­bes, den er ab 2000 an die A-KG ver­pach­tet hatte. Er ist mit einem Ka­pi­tal­an­teil von 90 % al­lei­ni­ger Kom­ple­mentär und Ge­schäftsführer der KG. Ein­zi­ger Kom­man­di­tist mit einem Ka­pi­tal­an­teil von 10 % war im Streit­jahr 2006 der Sohn des Klägers. Für seine Ge­schäftsführ­ertätig­keit er­hielt der Kläger eine feste mo­nat­li­che Vergütung von 27.838 €.

Mit Be­schei­den vom 9.11.2009 setzte der Be­klagte die Um­satz­steuer 2005 und 2006 ent­spre­chend der An­lage 1 zum Prüfungs­be­richt auf 60.913 € (2005) und 81.963 € (2006) fest. Hier­ge­gen legte der Kläger Ein­spruch ein, mit dem er sich ge­gen die Be­steue­rung der Ge­schäftsführer­vergütung und den An­satz der Min­dest­be­mes­sungs­grund­lage wandte. Der Ein­spruch hatte je­doch nur in ge­rin­gem Um­fang Er­folg. Das Fi­nanz­amt setzte mit Be­scheid vom 5.7.2013 die Um­satz­steuer je­weils nur um 1.757 € herab. In der münd­li­chen Ver­hand­lung des Kla­ge­ver­fah­rens vom 24.10.2016 ka­men die Be­tei­lig­ten da­hin­ge­hend übe­rein, dass in den Jah­ren 2005 und 2006 ein der Um­satz­steuer un­ter­lie­gen­des Ge­schäftsführer­ho­no­rar von 184.000 € brutto zu ver­steu­ern sei. Die Be­tei­lig­ten erklärten dar­auf­hin übe­rein­stim­mend den Rechts­streit in  der Haupt­sa­che für er­le­digt.

In Um­set­zung der in der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­ge­be­nen Zu­sage er­ließ das Fi­nanz­amt am 23.11.2016 geänderte Um­satz­steu­er­be­scheide 2005 und 2006, mit de­nen es die bis­her fest­ge­setzte Um­satz­steuer um je­weils 20.698 € min­derte. Am 21.12.2016 legte der Kläger ge­gen den geänder­ten Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 Ein­spruch ein und be­gehrte eine Min­de­rung der Umsätze um 76.191 €. Dar­auf ließ sich die Fi­nanz­behörde al­ler­dings nicht ein.

Der Kläger war der An­sicht, Der an­ge­foch­tene Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 ent­halte einen nicht nach­voll­zieh­ba­ren Re­chen- bzw. Über­nah­me­feh­ler. Das FG gab der Klage statt und änderte den Be­scheid da­hin­ge­hend, dass die Um­satz­steuer um 19.562 € her­ab­ge­setzt wird. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Im Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 vom 23.11.2016 hatte das Fi­nanz­amt die steu­er­pflich­ti­gen Umsätze des Klägers um (min­des­tens) 122.266 € zu hoch an­ge­setzt. Die in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24.10.2016 ab­ge­ge­be­nen übe­rein­stim­men­den Er­le­di­gungs­erklärun­gen der Be­tei­lig­ten ste­hen der be­gehr­ten Ände­rung we­der un­ter dem Ge­sichts­punkt der An­fech­tungs­be­schränkung von Ände­rungs­be­schei­den noch im Hin­blick auf die Fest­set­zungs­verjährung ent­ge­gen.

Nach § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO können Ver­wal­tungs­akte, die un­an­fecht­bare Ver­wal­tungs­akte ändern, mit der Klage nur in­so­weit an­ge­grif­fen wer­den, als die Ände­rung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vor­schrif­ten über die Auf­he­bung und Ände­rung von Ver­wal­tungs­ak­ten et­was an­de­res er­gibt. Bei dem vor­lie­gend an­ge­foch­te­nen Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 vom 23.11.2016 han­delt es sich um einen Ver­wal­tungs­akt, der einen un­an­fecht­ba­ren Ver­wal­tungs­akt ändert. Denn die Be­tei­lig­ten hat­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung den Rechts­streit übe­rein­stim­mend für er­le­digt erklärt. Da­durch wur­den die in die­sem Ver­fah­ren an­ge­foch­te­nen Steu­er­fest­set­zun­gen - so auch der Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 vom 9.11.2009 - un­an­fecht­bar.

In­fol­ge­des­sen war das Fi­nanz­amt nach Treu und Glau­ben dazu ver­pflich­tet, die im Erörte­rungs­ter­min zu­ge­sagte Ände­rung des be­standskräftig ge­wor­de­nen Be­schei­des zu­guns­ten des Klägers vor­zu­neh­men. Setzt es die Ände­rungs­zu­sage - wie vor­lie­gend mit Be­scheid vom 23.11.2016 - zu­tref­fend um, ist eine An­fech­tung des in Um­set­zung der Ände­rungs­zu­sage er­gan­ge­nen Ände­rungs­be­schei­des re­gelmäßig nach § 351 Abs. 1 AO un­zulässig. So­mit greift die An­fech­tungs­be­schränkung des § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 1 AO im Streit­fall nicht ein. Denn so­weit das Fi­nanz­amt die Umsätze um 122.266 € und in­fol­ge­des­sen die Um­satz­steuer um 19.562 € zu hoch fest­ge­setzt hatte, be­ruhte die­ser Feh­ler auf ei­ner of­fen­ba­ren Un­rich­tig­keit i.S.v. § 129 AO.

Die vom Kläger be­gehrte Ände­rung ist auch nicht we­gen Ab­laufs der Fest­set­zungs­frist aus­ge­schlos­sen. Denn im Zeit­punkt sei­nes Ein­spruchs vom 21.12.2016 ge­gen den Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 vom 23.11.2016 war die Fest­set­zungs­frist noch nicht ab­ge­lau­fen, son­dern war de­ren Ab­lauf so­wohl nach § 171 Abs. 3a AO als auch nach § 171 Abs. 4 AO ge­hemmt. Durch den Ein­spruch und die Klage ge­gen den Um­satz­steu­er­be­scheid 2006 vom 9.11.2009 (in Ge­stalt der Ein­spruchs­ent­schei­dung vom 5.7.2013) lief die Fest­set­zungs­frist gem. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO nicht ab, be­vor über den Rechts­be­helf un­an­fecht­bar ent­schie­den wor­den ist.

Die Sach­lage ist nach Auf­fas­sung des Se­nats ver­gleich­bar mit den in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ge­re­gel­ten Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und § 101 FGO, in de­nen die Ab­lauf­hem­mung erst en­det, wenn ein auf Grund der ge­nann­ten Vor­schrif­ten er­las­se­ner Steu­er­be­scheid un­an­fecht­bar ge­wor­den ist. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO soll die Durchführung des behörd­li­chen Ver­fah­rens si­chern, wenn sich ein sol­ches nach der Ent­schei­dung des FG als not­wen­dig er­weist etwa bei Über­tra­gung der Be­rech­nung des Steu­er­be­tra­ges auf die Fi­nanz­behörde oder bei der Ver­pflich­tung der Fi­nanz­behörde zum Er­lass ei­nes Steu­er­be­schei­des. Der dro­hende Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist mit der Folge der Un­zulässig­keit der Steu­er­fest­set­zung soll das fi­nanz­ge­richt­li­che Ver­fah­ren nicht be­las­ten. Ein sol­ches Bedürf­nis be­steht auch in den - in der fi­nanz­ge­richt­li­chen Pra­xis weit ver­brei­te­ten - Fällen der Er­le­di­gungs­erklärun­gen nach Ände­rungs­zu­sage.

Der Se­nat sieht sich in sei­ner Auf­fas­sung durch das BFH-Ur­teil vom 24.1.2002, Az.: III R 49/00 bestätigt. Da­nach sind Kläger bis zur for­mel­len Be­stands­kraft der Ände­rungs­be­scheide nicht an ei­ner an­der­wei­ti­gen Ausübung ih­res Ver­an­la­gungs­wahl­rechts nach § 26 EStG ge­hin­dert, wenn das Fi­nanz­amt in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem FG zu­ge­sagt hat, die an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheide un­ter An­satz ge­rin­ge­rer Einkünfte zu ändern und dar­auf­hin übe­rein­stim­mend der Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt erklärt wurde. Das Ur­teil enthält zwar keine Ausführun­gen zur Fest­set­zungs­frist. Da je­doch nach Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist kein Recht mehr auf Wahl der ge­trenn­ten Ver­an­la­gung be­steht (BFH-Be­schl. v. 8.3.2010, Az.: VIII B 15/09) und die re­guläre Fest­set­zungs­frist ab­ge­lau­fen war, ist der BFH zu­min­dest in­zi­den­ter da­von aus­ge­gan­gen, dass die Ab­lauf­hem­mung erst mit Un­an­fecht­bar­keit der zu­ge­sag­ten Ände­rungs­be­scheide en­dete.

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