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Steuerberatung

Zu Säumniszuschlägen wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit

FG München 13.8.2018, 14 V 736/18

Die An­wen­dung des § 240 AO be­geg­net dann schwer­wie­gen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Zwei­feln, wenn die Säum­nis­zu­schläge we­gen Über­schul­dung und Zah­lungs­unfähig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen teil­weise zu er­las­sen sind. Denn dann sind sie so­wohl ih­rem ver­blei­ben­den Zweck nach als auch der Höhe nach mit ei­ner Ver­zin­sung ver­gleich­bar. In die­sem Fall liegt ein vollständi­ger Er­lass der Säum­nis­zu­schläge nahe.

Der Sach­ver­halt:

Die An­trag­stel­le­rin war seit Ende 2011 Ge­schäftsführe­rin ei­ner GmbH, die zur Ab­gabe von mo­nat­li­chen Um­satz­steu­er­vor­an­mel­dun­gen ver­pflich­tet war. Für die Mo­nate Juni bis Ok­to­ber 2015 kam die GmbH die­ser Ver­pflich­tung frist­ge­recht nach. Im Mai 2016 über­mit­telte die An­trag­stel­le­rin für die Mo­nate Juni 2014, Au­gust 2014 bis März 2015, Mai bis Juli 2015, Sep­tem­ber 2015 und Ok­to­ber 2015 be­rich­tigte Vor­an­mel­dun­gen für die GmbH mit je­weils er­heb­lich höheren Um­satz­steu­er­beträgen. Diese Vor­an­mel­dun­gen führ­ten zu be­standskräfti­gen Fest­set­zun­gen un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung. Im Juli 2017 wurde beim AG der An­trag auf In­sol­venz über das Vermögen der GmbH ge­stellt. Das AG ord­nete im Au­gust 2017 die vorläufige In­sol­venz­ver­wal­tung an und eröff­nete im März 2018 das In­sol­venz­ver­fah­ren.

Nach vor­her­ge­hen­der Anhörung er­ließ das Fi­nanz­amt im No­vem­ber 2017 ge­genüber der An­trag­stel­le­rin einen Haf­tungs­be­scheid gem. § 191 AO i.V.m. § 69 AO i.H.v. ins­ge­samt 117.230 €. Er um­fasste die noch rückständi­gen Beträge der be­rich­tig­ten Um­satz­steuer-Vor­an­mel­dun­gen. Außer­dem machte die Behörde darin Säum­nis­zu­schläge, die nach Mai 2016 und vor dem An­trag auf In­sol­venz ent­stan­den wa­ren, in vol­ler Höhe und Säum­nis­zu­schläge, die nach dem An­trag auf In­sol­venz ent­stan­den sind, zur Hälfte gel­tend.

Hier­ge­gen legte die An­trag­stel­le­rin Ein­spruch ein, über den noch nicht ent­schie­den ist. Den An­trag auf AdV lehnte das Fi­nanz­amt ab. Das FG hat den Haf­tungs­be­scheid i.H.v. 1.816 € von der Voll­zie­hung aus­ge­setzt. Al­ler­dings wurde die Be­schwerde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Der zulässige An­trag ist teil­weise begründet. Der Haf­tungs­be­scheid ist hin­sicht­lich der ab dem An­trag auf In­sol­venz ent­stan­de­nen Säum­nis­zu­schläge von der Voll­zie­hung aus­zu­set­zen.

Bei sum­ma­ri­scher Prüfung hat die An­trag­stel­le­rin eine Pflicht­ver­let­zung be­gan­gen, weil sie für die in Haf­tung ge­nom­me­nen Zeiträume je­weils eine zu nied­rige Steuer erklärt und abführt hatte. Ernst­haft zwei­fel­haft ist aber, ob das Fi­nanz­amt sein Er­mes­sen hin­sicht­lich der Haf­tung für die ab dem An­trag auf In­sol­venz ent­stan­de­nen Säum­nis­zu­schläge zu­tref­fend ausgeübt hatte, weil ge­gen die Höhe der für die­sen Zeit­raum bis­lang vom Fi­nanz­amt berück­sich­tig­ten Säum­nis­zu­schläge die glei­chen schwer­wie­gen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken wie ge­gen die Höhe der Ver­zin­sung nach § 233a AO be­ste­hen.

Die ab dem An­trag auf In­sol­venz ent­stan­de­nen Säum­nis­zu­schläge, die das Fi­nanz­amt zu ½ berück­sich­tigt hat, er­schei­nen hin­sicht­lich der ver­blei­ben­den Hälfte als übermäßig. Säum­nis­zu­schläge sind ein Druck­mit­tel ei­ge­ner Art, das den Steu­er­schuld­ner zur recht­zei­ti­gen Zah­lung an­hal­ten soll. Darüber hin­aus ver­folgt § 240 AO den Zweck, vom Steu­er­pflich­ti­gen eine Ge­gen­leis­tung für das Hin­aus­schie­ben der Zah­lung fälli­ger Steu­ern zu er­hal­ten. Durch Säum­nis­zu­schläge wer­den schließlich auch die Ver­wal­tungs­auf­wen­dun­gen ab­ge­gol­ten, die bei den ver­wal­ten­den Körper­schaf­ten da­durch ent­ste­hen, dass Steu­er­pflich­tige eine fällige Steuer nicht oder nicht frist­gemäß zah­len.

Diese Vor­schrift ist grundsätz­lich ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den (BVerfG-Be­schl. v. 30.1.1986, Az.: 2 BvR 1336/85). Daran hat sich auch da­durch nichts geändert, dass in­zwi­schen ge­gen die Höhe des Zins­sat­zes bei den sog. Nach­zah­lungs­zin­sen gem. § 233a AO je­den­falls ab dem Ver­zin­sungs­zeit­raum 2015 schwer­wie­gende ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel be­ste­hen. Auf­grund des vor­ran­gi­gen Zwecks der Säum­nis­zu­schläge als Druck­mit­tel stel­len - an­ders als die An­trag­stel­le­rin meint - ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel hin­sicht­lich der im Ge­setz an­ge­ord­ne­ten Zinshöhe nicht zu­gleich die grundsätz­li­che Ver­ein­bar­keit der in § 240 AO an­ge­ord­ne­ten Höhe der Säum­nis­zu­schläge von 1% je Mo­nat in Frage.

Die An­wen­dung des § 240 AO be­geg­net je­doch dann schwer­wie­gen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Zwei­feln, wenn die Säum­nis­zu­schläge we­gen Über­schul­dung und Zah­lungs­unfähig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen teil­weise zu er­las­sen sind. Denn dann sind sie so­wohl ih­rem ver­blei­ben­den Zweck nach als auch der Höhe nach mit ei­ner Ver­zin­sung ver­gleich­bar. In die­sem Fall liegt ein vollständi­ger Er­lass der Säum­nis­zu­schläge nahe. Kann der Steu­er­pflich­tige die Steuer we­gen Über­schul­dung und Zah­lungs­unfähig­keit nicht mehr recht­zei­tig zah­len, ver­liert der vor­ran­gig mit den Säum­nis­zu­schlägen ver­folgte Zweck, Druck auf den Steu­er­pflich­ti­gen auszuüben, sei­nen Sinn. In die­sen Fällen ist die Er­he­bung der Säum­nis­zu­schläge sach­lich un­bil­lig.

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