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Steuerberatung

Kindergeld für ein erkranktes Kind

FG Hamburg v. 17.1.2020 - 5 K 24/19

Ein An­spruch auf Kin­der­geld be­steht auch dann, wenn das Kind in­folge ei­ner Er­kran­kung daran ge­hin­dert ist, sich ernst­lich um eine (neue) Be­rufs­aus­bil­dung zu bemühen.

Der Sach­ver­halt:
Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist strei­tig, ob die Be­klagte zu Recht die Kin­der­geld­fest­set­zung für das Kind A auf­ge­ho­ben hat. Die Kläge­rin ist die Mut­ter von A (geb. 1998). A be­fand sich vom 1.8.2016 bis 8.6.2017 in ei­ner Aus­bil­dung. Sie un­ter­brach die Aus­bil­dung krank­heits­be­dingt. Im Zeit­raum Juni 2017 bis ein­schließlich Juli 2018 war sie er­krankt.

Die Fa­mi­li­en­kasse hob per Be­scheid hin­sicht­lich des Zeit­raums der Er­kran­kung die Fest­set­zung des Kin­der­gel­des auf und for­derte den über­zahl­ten Be­trag von ca. 2.500 € zurück. Eine Berück­sich­ti­gung sei zwar grundsätz­lich möglich, wenn ein Kind we­gen ei­ner Er­kran­kung ge­hin­dert sei, sich um einen (neuen) Aus­bil­dungs­platz zu bemühen. Dies er­for­dere aber eine schrift­li­che Erklärung des Kin­des, dass es ge­willt sei, sich un­mit­tel­bar nach Ge­ne­sung um eine Aus­bil­dung zu bemühen. Eine sol­che Erklärung könne aber keine Rück­wir­kung ent­fal­ten, son­dern wirke erst ab Ein­gang bei der Fa­mi­li­en­kasse. Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin mit ih­rer Klage. A habe während der ge­sam­ten Dauer ih­rer Er­kran­kung das Ziel be­hal­ten, eine neue Aus­bil­dung zu be­gin­nen und sich auch um eine Aus­bil­dung ernst­haft bemüht.

Das FG gab der Klage statt. Die beim BFH anhängige Re­vi­sion der Fa­mi­li­en­kasse wird dort un­ter dem Az. III R 13/20 geführt.

Die Gründe:
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Fa­mi­li­en­kasse steht der Kläge­rin Kin­der­geld für ihre Toch­ter A gem. §§ 62, 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 EStG für den Streit­zeit­raum Sep­tem­ber 2017 bis ein­schließlich Juli 2018 zu.

A ist nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG zu berück­sich­ti­gen. Gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG wird ein Kind berück­sich­tigt, wenn es eine Be­rufs­aus­bil­dung man­gels Aus­bil­dungs­plat­zes nicht be­gin­nen kann. So liegt der Fall hier. Für die Berück­sich­ti­gung als Kind ohne Aus­bil­dungs­platz i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG ist es nach der Recht­spre­chung er­for­der­lich, dass es dem Kind trotz ernst­haf­ter Bemühun­gen nicht ge­lun­gen ist, eine Be­rufs­aus­bil­dung zu be­gin­nen oder fort­zu­set­zen. Ne­ben die­sem ob­jek­ti­ven Tat­be­stands­merk­mal er­for­dert die Re­ge­lung des § 32 Abs. 4 Nr. 2 lit. c EStG für die Gewährung von Kin­der­geld darüber hin­aus als sub­jek­ti­ves Tat­be­stands­merk­mal, dass das Kind aus­bil­dungs­wil­lig ist. Aus­bil­dungs­wil­lig in die­sem Sinne sind Kin­der, wenn sie für den frühestmögli­chen Zeit­punkt eine Be­rufs­aus­bil­dung an­stre­ben.

Im Streit­fall hat A ihre Aus­bil­dung krank­heits­be­dingt ab­ge­bro­chen und sich an­schließend durch Be­wer­bun­gen um einen Aus­bil­dungs­platz bemüht. Es kann of­fen blei­ben, ob un­ter Berück­sich­ti­gung der Er­kran­kung der A diese Be­wer­bungs-Bemühun­gen als ernst­lich ein­zu­ord­nen sind. Denn eine Berück­sich­ti­gung ist je­den­falls auch dann möglich, wenn das Kind - wie im Streit­fall - in­folge ei­ner Er­kran­kung daran ge­hin­dert ist, sich ernst­lich um eine Be­rufs­aus­bil­dung zu bemühen. Zweck der Vor­schrift ist die Gleich­stel­lung der "Kin­der ohne Aus­bil­dungs­platz" mit den in Aus­bil­dung be­find­li­chen Kin­dern nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 lit. a EStG, weil ein Kind nach Nr. 2 lit. c fi­nan­zi­ell ebenso abhängig ist und in ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tungs­weise da­von aus­ge­gan­gen wird, dass dem Kin­der­geld­be­rech­tig­ten re­gelmäßig Un­ter­halts­auf­wen­dun­gen in ei­ner Höhe er­wach­sen, die die Gewährung von Kin­der­geld recht­fer­ti­gen. Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 lit. c EStG soll ein Kind also nicht des­halb be­nach­tei­ligt wer­den, weil es trotz ernst­haf­ter Bemühun­gen - u.U. jah­re­lang - kei­nen Aus­bil­dungs­platz fin­det.

Ein An­spruch auf Kin­der­geld­fest­set­zung be­steht auch dann, wenn das Kind seine Aus­bil­dung we­gen ei­ner Er­kran­kung un­ter­bre­chen muss. Hat ein Kind einen Aus­bil­dungs­platz und ist aus­bil­dungs­wil­lig, ist aber aus ob­jek­ti­ven Gründen zeit­weise nicht in der Lage, die Aus­bil­dung fort­zu­set­zen, ist es ebenso zu be­han­deln wie ein Kind, das sich ernst­haft um einen Aus­bil­dungs­platz bemüht, einen sol­chen aber nicht fin­det und des­halb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 lit. c EStG zu berück­sich­ti­gen ist. Nichts an­de­res kann dann gel­ten, wenn eine Aus­bil­dung we­gen ei­ner Er­kran­kung nicht be­gon­nen oder ge­sucht wer­den kann. Auch für sol­che Fälle gilt die Re­ge­lung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. c EStG. A war aus­weis­lich der ärzt­li­chen Be­schei­ni­gung im Streit­zeit­raum nicht in der Lage, sich um eine Aus­bil­dung zu bemühen bzw. eine Aus­bil­dung zu be­gin­nen. Es ist nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nahme da­von aus­zu­ge­hen, dass A im Streit­zeit­raum aus­bil­dungs­wil­lig war.

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