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Steuerberatung

Anspruch auf Kindergeld bei mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen

FG Düsseldorf v. 18.7.2018 - 7 K 1480/18 Kg

Ent­ge­gen der Ver­wal­tungs­auf­fas­sung, nach der Erklärun­gen, die eine Ab­sicht glaub­haft ma­chen sol­len, nur ab dem Zeit­punkt des Ein­gangs der schrift­li­chen Erklärung bei der Fa­mi­li­en­kasse gel­ten, genügt es, wenn die Sach­ver­halts­umstände im Ent­schei­dungs­zeit­punkt vollständig und glaub­haft dar­ge­legt sind. Ent­schei­dend ist nicht, was erklärt wurde, son­dern die tatsäch­li­che Lage, denn es han­delt sich hier nicht um eine rechts­ge­stal­tende Erklärung, son­dern um eine im Wege der Glaub­haft­ma­chung zu würdi­gende Tat­sa­chen­be­kun­dung.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger be­zog fort­lau­fend für seine 1993 ge­bo­rene Toch­ter A Kin­der­geld. Nach dem Er­werb der Fach­hoch­schul­reife be­gann A eine Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten die sie mit dem Be­ste­hen der Ab­schlussprüfung am 1.7.2014 mit der Note "gut" be­en­dete. An­schließend ab­sol­vierte sie vom 24.10.2014 bis 12.7.2017 eine Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­wir­tin. Die Toch­ter be­stand die Ab­schlussprüfung wie­derum mit der Note "gut". Seit Juli 2014 ar­bei­tete sie mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 39 Stun­den in der Stadt­ver­wal­tung. A be­an­tragte selbst am 7.12.2017 Kin­der­geld und machte gel­tend, sie habe sich vor Be­ginn der Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten bei Kom­mu­nen be­wor­ben, in de­nen ihr Be­rufs­wunsch Ver­wal­tungs­fach­wir­tin in einem Stu­di­en­gang hätte erfüllt wer­den können. Lei­der seien die Be­wer­bun­gen er­folg­los ge­blie­ben.

Sie habe sich da­her für die Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten bei der hie­si­gen Stadt ent­schie­den, wo­bei ihr be­kannt war, dass sie im An­schluss an diese Aus­bil­dung durch eine wei­tere Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­wir­tin den gewünsch­ten Ab­schluss er­lan­gen könne. Es habe ein zeit­li­cher und sach­li­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen den Aus­bil­dungs­ab­schnit­ten be­stan­den. Die War­te­zeit zwi­schen dem Ab­schluss der Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten und der zur Ver­wal­tungs­fach­wir­tin sei nicht von ihr ver­schul­det, da die Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­wir­tin im­mer erst im Herbst be­ginne. Eine be­rufs­prak­ti­sche Er­fah­rung oder zwi­schen­zeit­li­che Be­rufstätig­keit seien keine Vor­aus­set­zung. Sie gehe da­von aus, dass sie nach Er­rei­chen der Volljährig­keit selbst einen Kin­der­geld­an­trag stel­len könne.

Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte die­sen An­trag ab und führte aus, ein An­spruch auf Kin­der­geld für das Kind selbst sei nach dem EStG nicht vor­ge­se­hen. Dar­auf­hin be­an­tragte der Kläger mit An­trag vom 30.12.2017 Kin­der­geld für A und wie­der­holte zur Begründung die Auf­fas­sung sei­ner Toch­ter. Die­sen An­trag lehnte die Fa­mi­li­en­kasse eben­falls ab mit der Begründung, die Toch­ter des Klägers habe be­reits eine er­ste Be­rufs­aus­bil­dung ab­ge­schlos­sen, so dass keine an­spruchs­begründende mehr­ak­tige Aus­bil­dung vorläge. Die Toch­ter gehe ei­ner Er­werbstätig­keit nach und könne da­her nicht mehr berück­sich­tigt wer­den.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Ent­schei­dung ist nicht rechtskräftig. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zur Fort­bil­dung des Rechts zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Der Kläger hat einen An­spruch auf Kin­der­geld für seine Toch­ter für den Zeit­raum Au­gust 2014 bis Juli 2017.

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG be­steht An­spruch auf Kin­der­geld u.a. für Kin­der, die das 18., aber noch nicht das 25. Le­bens­jahr voll­en­det ha­ben und für einen Be­ruf aus­ge­bil­det wer­den. Nach Ab­schluss ei­ner erst­ma­li­gen Be­rufs­aus­bil­dung oder ei­nes Erst­stu­di­ums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berück­sich­tigt, wenn es kei­ner Er­werbstätig­keit nach­geht. Eine Er­werbstätig­keit mit bis zu 20 Stun­den re­gelmäßiger wöchent­li­cher Ar­beits­zeit, ein Aus­bil­dungs­dienst­verhält­nis oder ein ge­ringfügi­ges Be­schäfti­gungs­verhält­nis i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV sind un­schädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG). A be­fand sich bis zum Ab­schluss des Ver­wal­tungs­lehr­gangs II - vor­mals An­ge­stell­ten­lehr­gang II - in ei­ner Erst­aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­wir­tin. Mit der Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten lag noch keine ab­ge­schlos­sene Erst­aus­bil­dung vor.

Mehr­ak­tige Aus­bil­dungsmaßnah­men sind dann als Teil ei­ner ein­heit­li­chen Erst­aus­bil­dung zu qua­li­fi­zie­ren, wenn sie zeit­lich und in­halt­lich so auf­ein­an­der ab­ge­stimmt sind, dass die Aus­bil­dung nach Er­rei­chen des ers­ten Ab­schlus­ses fort­ge­setzt wer­den soll und das Be­rufs­ziel erst über den wei­terführen­den Ab­schluss er­reicht wer­den kann. Ist auf­grund ob­jek­ti­ver Be­weis­an­zei­chen er­kenn­bar, dass das Kind die für sein an­ge­streb­tes Be­rufs­ziel er­for­der­li­che Aus­bil­dung nicht be­reits mit dem ers­ten er­lang­ten Ab­schluss be­en­det hat, kann auch eine wei­terführende Aus­bil­dung noch als Teil der Erst­aus­bil­dung zu qua­li­fi­zie­ren sein. Da­von ist je­den­falls dann aus­zu­ge­hen, wenn die Aus­bil­dungs­ab­schnitte in einem en­gen sach­li­chen Zu­sam­men­hang zu­ein­an­der ste­hen (z.B. die­selbe Be­rufs­sparte, der­selbe fach­li­che Be­reich) und im en­gen zeit­li­chen Zu­sam­men­hang durch­geführt wer­den.

Vor­lie­gend er­gibt sich der er­for­der­li­che fach­li­che Zu­sam­men­hang dar­aus, dass sich die Aus­bil­dungsgänge in­halt­lich und schwer­punktmäßig auf den­sel­ben Fach­be­reich (Tätig­keit in der öff­ent­li­chen Ver­wal­tung) be­zie­hen und nach den Aus­bil­dungsplänen auf­ein­an­der auf­bauen. Für den zeit­li­chen Zu­sam­men­hang reicht es aus, dass die Aus­bil­dun­gen zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten und zur Ver­wal­tungs­fach­wir­tin im di­rek­ten An­schluss er­folgt sind. An­ge­streb­tes Be­rufs­ziel der Toch­ter des Klägers war eine Tätig­keit in der Kom­mu­nal­ver­wal­tung, für die die Aus­bil­dung zum Ver­wal­tungs­fach­wirt er­for­der­lich ist. Nach ih­rer schlüssi­gen und glaub­haf­ten Zeu­gen­aus­sage hatte sie sich hierfür be­reits nach der Be­en­di­gung der Schule bei ver­schie­de­nen Kom­mu­nen be­wor­ben, aber keine Zu­sage er­hal­ten, so dass sie den Ein­stieg über die Aus­bil­dung zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten ge­nom­men hat, um un­mit­tel­bar da­nach den Ver­wal­tungs­lehr­gang/An­ge­stell­ten­lehr­gang II zu be­su­chen.

Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht aus dem Um­stand, dass die Toch­ter erst im De­zem­ber 2017 eine Fort­set­zung der Be­rufs­aus­bil­dung mit­ge­teilt hatte. Ent­ge­gen der Ver­wal­tungs­auf­fas­sung, nach der Erklärun­gen, die eine Ab­sicht glaub­haft ma­chen sol­len, nur ab dem Zeit­punkt des Ein­gangs der schrift­li­chen Erklärung bei der Fa­mi­li­en­kasse gel­ten, genügt es, wenn die Sach­ver­halts­umstände im Ent­schei­dungs­zeit­punkt vollständig und glaub­haft dar­ge­legt sind. Ent­schei­dend ist nicht, was erklärt wurde, son­dern die tatsäch­li­che Lage, denn es han­delt sich hier nicht um eine rechts­ge­stal­tende Erklärung, son­dern um eine im Wege der Glaub­haft­ma­chung zu würdi­gende Tat­sa­chen­be­kun­dung. Da­nach steht es dem An­spruch des Klägers nicht ent­ge­gen, dass er den An­trag auf Kin­der­geld erst we­sent­lich nach Be­en­di­gung der Aus­bil­dung sei­ner Toch­ter zur Ver­wal­tungs­fach­an­ge­stell­ten ge­stellt hat. Dies be­ruht of­fen­sicht­lich auf ei­ner feh­ler­haf­ten Be­ur­tei­lung der Rechts­lage, ändert aber nichts daran, dass die Toch­ter von vorne her­ein eine Tätig­keit im ge­ho­be­nen Dienst an­ge­strebt hat.

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