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Steuerberatung

Kapitalverkehrsfreiheit bei gesetzlicher Mindestbeteiligungsquote

BFH v. 24.7.2018 - I R 75/16

Das pau­schale Be­triebs­aus­ga­ben-Ab­zugs­ver­bot des § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) verstößt ge­gen die uni­ons­recht­li­che Grund­frei­heit des freien Ka­pi­tal­ver­kehrs nach Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) und bleibt des­we­gen auch bei Dritt­staa­ten­be­tei­li­gun­gen un­an­wend­bar. § 8b Abs. 7 KStG 1999 (i.d.F. des StBereinG 1999) ver­langt - i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 3 DBA-In­dien 1995 als maßge­bende Be­zugs­norm - eine un­mit­tel­bare Be­tei­li­gung an ei­ner in In­dien ansässi­gen Ge­sell­schaft von mind. 10 % der stimm­be­rech­tig­ten An­teile und da­mit eine Min­dest­be­tei­li­gung, die bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung nicht ge­eig­net ist, nach der Spruch­pra­xis des EuGH "einen si­che­ren Ein­fluss auf die Ent­schei­dun­gen der Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft zu ermögli­chen".

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist eine GmbH mit ab­wei­chen­dem Wirt­schafts­jahr vom 1.10. 2000 bis 30.9. 2001. Sie war im Streit­jahr 2001 zu 25,17 % an der SNI In­dien, ei­ner in­di­schen Ka­pi­tal­ge­sell­schaft mit Sitz und Ge­schäfts­lei­tung in In­dien, be­tei­ligt. Im Streit­jahr er­zielte sie aus die­ser Be­tei­li­gung eine Brutto-Di­vi­dende.

Das Fi­nanz­amt nahm die Di­vi­dende nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 10 DBA-In­dien 1995 von der Be­mes­sungs­grund­lage der deut­schen Steuer aus, berück­sich­tigte je­doch nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. 5 % der Brutto-Di­vi­dende als nicht ab­zugsfähige Be­triebs­aus­ga­ben. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:

Das FG ist zu­tref­fend von der Steu­er­frei­stel­lung gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 1999 n.F. der an die Kläge­rin aus­ge­schütte­ten Di­vi­den­den aus­ge­gan­gen.

Von den Di­vi­den­den aus An­tei­len an ei­ner ausländi­schen Ge­sell­schaft, die (u.a.) nach einem Ab­kom­men zur Ver­mei­dung der Dop­pel­be­steue­rung oder nach § 8b Abs. 5 KStG 1999 n.F. von der Körper­schaft­steuer be­freit sind, gel­ten nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. 5 v.H. als Be­triebs­aus­ga­ben, die mit den Di­vi­den­den in un­mit­tel­ba­rem wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­hang ste­hen. Al­ler­dings ist diese Fik­tion und das dar­aus ab­zu­lei­tende Ab­zugs­ver­bot auf den hier zu be­ur­tei­len­den Sach­ver­halt nicht an­zu­wen­den. Denn die Fik­tion ebenso wie die Nicht­ab­zieh­bar­keit von Be­triebs­aus­ga­ben gem. § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. ver­stoßen im Zu­sam­men­wir­ken ge­gen die ge­mein­schafts­recht­li­che Grund­frei­heit des freien Ka­pi­tal­ver­kehrs nach Art. 56 EG (jetzt Art. 63 AEUV) und da­mit ge­gen primäres Ge­mein­schafts­recht.

Die Re­ge­lung des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. be­ruht auf der Um­set­zung von Art. 4 Abs. 2 der Richt­li­nie 90/435/EWG des Ra­tes vom 23. Juli 1990 über das ge­mein­same Steu­er­sys­tem der Mut­ter- und Toch­ter­ge­sell­schaf­ten ver­schie­de­ner Mit­glied­staa­ten - Mut­ter/Toch­ter-Richt­li­nie - (AB­lEG 1990, Nr. L 225, 6, ber. AB­lEG 1990, Nr. L 266, 20). Da­her ist es er­for­der­lich zu be­stim­men, ob durch Art. 4 Abs. 2 der Mut­ter/Toch­ter-Richt­li­nie eine sol­che Har­mo­ni­sie­rung be­wirkt wurde. Dies ist je­doch nach der EuGH-Recht­spre­chung zu ver­nei­nen, da Art. 4 Abs. 2 der Mut­ter/Toch­ter-Richt­li­nie be­reits nach sei­nem Wort­laut den Mit­glied­staa­ten "nur eine Möglich­keit" einräumt, die nicht ab­zu­set­zen­den Ver­wal­tungs­kos­ten pau­schal mit bis zu 5 % an­zu­set­zen.

Es steht so­mit im Er­mes­sen der Mit­glied­staa­ten, ob und in wel­chem Um­fang - von 0 % bis zu 5 % - die nicht ab­zu­set­zen­den Ver­wal­tungs­kos­ten pau­schal an­ge­setzt wer­den. Wie der EuGH fer­ner be­reits ent­schie­den hat, dürfen die Mit­glied­staa­ten von den - durch Art. 4 Abs. 2 der Mut­ter/Toch­ter-Richt­li­nie ge­ge­be­nen - Möglich­kei­ten, die ih­nen die Richt­li­nie einräumt, nur un­ter Be­ach­tung der grund­le­gen­den Be­stim­mun­gen des Ver­trags Ge­brauch ma­chen und sind ins­be­son­dere an die Grund­frei­hei­ten ge­bun­den (so etwa EuGH-Urt. Eqiom und Enka, EU:C:2017:641, HFR 2018, 175, Rz 17 f).

Zwar hat der Se­nat zu den Re­ge­lun­gen des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. und § 8b Abs. 2 KStG 1999 n.F. ent­schie­den, dass eine un­mit­tel­bare Be­tei­li­gung an den stimm­be­rech­tig­ten An­tei­len ei­ner Toch­ter­ge­sell­schaft von min­des­tens 10 % bei der ge­bo­te­nen ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung einen hin­rei­chend "si­che­ren Ein­fluss" ermöglicht und da­mit vor­ran­gig die Nie­der­las­sungs­frei­heit an­wend­bar sei (BFH v. 6.3. 2013, Az.: I R 10/11). An die­ser Recht­spre­chung hält er nun je­doch un­ter Berück­sich­ti­gung der zwi­schen­zeit­lich er­gan­ge­nen EuGH-Recht­spre­chung nicht mehr fest. Die Re­ge­lung des § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. stellt eine nicht ge­recht­fer­tigte Be­schränkung des freien Ka­pi­tal­ver­kehrs dar. Dies führt zur Nicht­an­wend­bar­keit von § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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