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Steuerberatung

Einspruchsumfang bei gleichzeitiger Steuer- und Zinsfestsetzung

Niedersächsisches FG v. 8.5.2019 - 4 K 50/19

Ein­sprüche, in de­nen nur die Steu­er­be­scheide ge­nannt und in­halt­lich an­ge­grif­fen wer­den, rich­ten sich nur ge­gen die Steuer-, nicht aber ge­gen die da­mit ver­bun­de­nen Zins­fest­set­zun­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob der von der Kläge­rin ein­ge­legte Ein­spruch auch die Fest­set­zung der Zin­sen zur Um­satz­steuer um­fasst. Im An­schluss an eine Außenprüfung im Be­trieb der Kläge­rin änderte das Fi­nanz­amt im April 2017 u.a. die Fest­set­zun­gen für das Jahr 2007 über die Um­satz­steuer und die Zin­sen zur Um­satz­steuer. Die Über­schrift des Be­schei­des lau­tete "Be­scheid für 2007 über Um­satz­steuer". Ne­ben der Um­satz­steuer i.H.v. knapp 115.000 € wur­den Zin­sen nach § 233a AO zur Um­satz­steuer i.H.v. etwa 26.000 € fest­ge­setzt. In der Rechts­be­helfs­be­leh­rung heißt es: "Die Fest­set­zung der Um­satz­steuer und der Zin­sen kann mit dem Ein­spruch an­ge­foch­ten wer­den".

Mit Schrei­ben ih­rer steu­er­li­chen Be­ra­ter wandte sich die Kläge­rin im Mai 2017 an das Fi­nanz­amt. Der Be­treff des Schrei­bens lau­tete: "Ein­sprüche ge­gen die Be­scheide über Ein­kom­men­steuer, Kir­chen­steuer und So­li­da­ritätszu­schlag für die Jahre 2007 bis 2010, Ein­sprüche ge­gen die Be­scheide über Um­satz­steuer 2007 bis 2010, Ein­sprüche ge­gen die Be­scheide über den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag für die Jahre 2007 bis 2010". Wei­ter hieß es: "hier­mit le­gen wir na­mens und in Auf­trag un­se­rer Man­dan­tin Ein­spruch ge­gen die oben ge­nann­ten Be­scheide ein". Im Wei­te­ren wur­den ein­zelne Punkte (Kfz-Kos­ten, Zah­lun­gen für Be­ra­tungstätig­kei­ten, Um­fi­nan­zie­rung von Im­mo­bi­li­en­dar­le­hen, Mak­lertätig­keit, Zah­lungs­weise der zu zah­len­den Pro­vi­sio­nen) the­ma­ti­siert.

Im Juli 2018 änderte das Fi­nanz­amt die Fest­set­zung der Um­satz­steuer 2007 "nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO" und setzte die Zin­sen zur Um­satz­steuer von knapp 26.000 € auf etwa 20.000 € herab. Im Au­gust 2018 legte die Kläge­rin ge­gen den "Zins-Be­scheid zur Um­satz­steuer 2007 vom 31.07.18" Ein­spruch ein und be­an­tragte die Her­ab­set­zung der Zin­sen auf 0 €. Sie begründete dies mit den ge­gen die Höhe der Zin­sen anhängi­gen Ver­fah­ren beim BFH (IX R 42/17) und beim BVerfG (1 BvR 2237/14) so­wie mit dem Schrei­ben des BMF vom 14.6.2018. Im Au­gust 2018 wies das Fi­nanz­amt die Kläge­rin dar­auf hin, dass die Zins­fest­set­zung von April 2017 "rechtskräftig und da­mit un­an­fecht­bar" ge­wor­den sei. Mit dem Ein­spruch von Mai 2017 sei nur die Um­satz­steu­er­fest­set­zung, nicht je­doch die Zins­fest­set­zung an­ge­foch­ten wor­den. Da die Zin­sen durch Be­scheid von Juli 2018 her­ab­ge­setzt wor­den seien, komme eine wei­tere Her­ab­set­zung auf­grund des neu­er­li­chen Ein­spruchs nicht in Be­tracht. Durch Ein­spruchs­be­scheid von Ja­nuar 2019 wies das Fi­nanz­amt den Ein­spruch ge­gen die Zins­fest­set­zung als un­begründet ab.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die beim BFH anhängige Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde der Kläge­rin wird dort un­ter dem Az. V B 47/19 geführt.

Die Gründe:
Es fehlt vor­lie­gend an einem zulässi­gen Ein­spruch ge­gen die Zins­fest­set­zung von April 2017, so­dass diese be­standskräftig ge­wor­den ist.

Nach § 355 Satz 1 AO ist der Ein­spruch in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Be­kannt­gabe des Ver­wal­tungs­akts ein­zu­le­gen. Hier da­tiert der an­ge­foch­tene Be­scheid vom 28.4.2017 und wurde auch an die­sem Tag zur Post ge­ge­ben. Er gilt da­mit (we­gen des Mai­fei­er­tags) als am 2.5.2017 be­kannt ge­ge­ben. Die Ein­spruchs­frist en­dete da­her mit Ab­lauf des 1.6.2017. In­ner­halb die­ser Frist hat der Kläger nur ge­gen die Um­satz­steu­er­fest­set­zung, nicht je­doch ge­gen die da­mit ver­bun­de­nen Zins­fest­set­zun­gen Ein­spruch ein­ge­legt. Der Be­scheid vom 28.4.2017 stellt einen sog. Sam­mel­be­scheid dar, der un­ter­schied­li­che Fest­set­zun­gen - hier die Fest­set­zung der Um­satz­steuer und die Fest­set­zung der Zin­sen - äußer­lich mit­ein­an­der ver­bin­det. Un­ge­ach­tet ih­rer äußeren Ver­bin­dung blei­ben diese un­ter­schied­li­chen Fest­set­zun­gen selbständige Ver­wal­tungs­akte, die grundsätz­lich un­abhängig von­ein­an­der an­ge­foch­ten wer­den können und müssen.

Dass die bloße Be­zeich­nung der Be­zeich­nung des Sam­mel­be­schei­des nicht aus­reicht, hat der BFH mit Ur­teil vom 19.8.2013 (X R 44/11) ent­schie­den. Da­nach soll ein Ein­spruch als le­dig­lich ge­gen die Fest­set­zung des So­li­da­ritätszu­schlags ge­rich­tet an­zu­se­hen sein, auch wenn im Ru­brum ei­nes Ein­spruchs­schrei­bens ein "Be­scheid über Ein­kom­men­steuer, Kir­chen­steuer und So­li­da­ritätszu­schlag" ge­nannt ist, die Ein­spruchs­begründung aber aus­schließlich auf Rechts­fra­gen in Zu­sam­men­hang mit dem So­li­da­ritätszu­schlag ein­geht und das Ru­hen des Rechts­be­helfs­ver­fah­rens we­gen ei­nes Mus­ter­pro­zes­ses zum So­li­da­ritätszu­schlag be­an­tragt wird. Glei­ches hat er am 23.6.2017 (X B 34/17) zu den Nach­zah­lungs­zin­sen be­schlos­sen.

Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen rich­ten sich die am 23.5.2017 u.a. ge­gen die "Be­scheide über Um­satz­steuer 2007 bis 2010" ein­ge­leg­ten Ein­sprüche nur ge­gen die Steuer-, nicht aber ge­gen die da­mit ver­bun­de­nen Zins­fest­set­zun­gen. Denn die Kläge­rin hat darin nur Ein­wen­dun­gen ge­gen die Er­mitt­lung der Be­steue­rungs­grund­la­gen zur Um­satz­steuer er­ho­ben, nicht aber ge­gen die da­mit ver­bun­dene Zins­fest­set­zung. Ins­be­son­dere hat sie sich nicht ge­gen die Höhe des in § 238 AO fest­ge­leg­ten Zins­sat­zes ge­wandt. Dazu be­stand im Zeit­punkt der Ein­le­gung der Ein­sprüche auch kein un­mit­tel­ba­rer An­lass, weil der BFH zu die­sem Zeit­punkt in ständi­ger Recht­spre­chung die Ver­fas­sungsmäßig­keit des ge­setz­li­chen Zins­sat­zes be­jaht hatte.

Erst nach­dem durch die Pres­se­mit­tei­lung Nr. 23 vom 14.5.2018 der Be­schluss des BFH vom 25.4.2018 (IX B 21/18) be­kannt ge­wor­den war, durch den die Voll­zie­hung ei­nes Zins­be­scheids we­gen ernst­li­cher Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit des § 238 AO aus­ge­setzt wor­den war, und das BMF mit Schrei­ben vom 14.6.2018 als Re­ak­tion die Aus­set­zung von Zins­fest­set­zun­gen für Zeiträume ab dem 1.4.2015 (nur) auf An­trag des Zins­schuld­ners an­ge­ord­net hatte, hat die Kläge­rin am 7.8.2018 Ein­wen­dun­gen ge­gen die Zins­fest­set­zun­gen als sol­che er­ho­ben. Zu die­sem Zeit­punkt war die Ein­spruchs­frist für die Zins­be­scheide aber be­reits ab­ge­lau­fen.

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