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Rechtsberatung

Einholung eines Schiedsgutachtens bei Bestimmung der Abfindungshöhe

OLG München v. 31.7.2019 - 7 U 3799/18

Gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 738 Abs. 1 S. 1 BGB trifft ge­genüber dem aus­ge­schie­de­nen Ge­sell­schaf­ter die Pflicht zur Er­stel­lung der Ab­fin­dungs­bi­lanz die Ge­sell­schaft. Aus die­ser Pflicht zur Bi­lanz­er­stel­lung folgt den­klo­gi­sch auch die Pflicht, die zur Bi­lanz­er­stel­lung not­wen­di­gen vor­be­rei­ten­den Schritte ein­zu­lei­ten. Zu die­sen Vor­be­rei­tungsmaßnah­men gehört auf­grund der Schieds­klau­sel des § 23 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 GV auch, durch die Wirt­schaftsprüfer­kam­mer die Be­nen­nung ei­nes Schieds­gut­ach­ters in die Wege zu lei­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein Film­fonds in der Rechts­form der GmbH & Co. KG. Der Be­klagte hatte sich im Jahr 2004 als Di­rekt­kom­man­di­tist mit ei­ner Pflicht­ein­lage von 100.000 € an der Kläge­rin be­tei­ligt. Hier­auf zahlte der Be­klagte 50% so­wie das Agio ein. Der Ge­sell­schafts­ver­trag der Kläge­rin hatte aus­zugs­weise zunächst den fol­gen­den Wort­laut.

§ 4 Ge­sell­schafts­struk­tur, Ge­sell­schafts­ka­pi­tal
3. Kom­man­dit­ein­la­gen der Treu­ge­ber und Di­rekt­kom­man­di­tis­ten ... Die Treu­ge­ber und Di­rekt­kom­man­di­tis­ten sind ver­pflich­tet, 50% der Pflicht­ein­lage zuzüglich ei­nes Agio i.H.v. 3% nach Maßgabe der nach­fol­gen­den Be­stim­mun­gen als Bar­ein­lage zu leis­ten. 50% der Pflicht­ein­lage wer­den zins­los fällig, wenn die Treu­ge­ber und Di­rekt­kom­man­di­tis­ten die­sen Be­trag in vol­ler Höhe aus er­wirt­schaf­te­ten und zur Aus­schüttung an­ste­hen­den Ge­win­nen der Ge­sell­schaft leis­ten können. So­bald in die­ser Höhe aus­schüttungsfähige Ge­winne zur Verfügung ste­hen, wer­den diese mit dem aus­ste­hen­den Teil der Pflicht­ein­lage in glei­cher Höhe ver­rech­net. Die Pflicht­ein­la­gen sind feste Ka­pi­tal­an­teile. Di­rekt­kom­man­di­tis­ten wer­den je­weils mit 103% der Pflicht­ein­lage als Haft­summe im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

§ 23 Aus­schei­den, Aus­schluss ei­nes Ge­sell­schaf­ters oder Treu­ge­bers
6. ... Kann über die Höhe der Ab­fin­dung zwi­schen dem Kom­ple­mentär und dem aus­schei­den­den Ge­sell­schaf­ter oder Treu­ge­ber kein Ein­ver­neh­men er­zielt wer­den, wird die Ab­fin­dung durch einen von der Wirt­schaftsprüfer­kam­mer M. zu be­nen­nen­den Wirt­schaftsprüfer als Schieds­gut­ach­ter, der auch über die Kos­ten sei­ner In­an­spruch­nahme ent­spre­chend den Be­stim­mun­gen der §§ 91 f. ZPO zu be­fin­den hat, ver­bind­lich er­mit­telt.

Durch Be­schluss der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Kläge­rin vom 25.7.2012 wurde der Ge­sell­schafts­ver­trag wie folgt geändert.

Die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung be­schließt, den bis­he­ri­gen Wort­laut des § 4 Zif­fer 3 Ab­satz. 2 Satz 2 durch fol­gen­den Wort­laut zu er­set­zen: "4,5% der Pflicht­ein­lage wer­den zins­los fällig, wenn sie durch die Ge­schäftsführung der Ge­sell­schaft zum Zwecke der Durch­set­zung der steu­er­li­chen In­ter­es­sen so­wie zur Be­stands­wah­rung der Ge­sell­schaft schrift­lich ein­ge­for­dert wer­den; der Rest der aus­ste­hen­den Pflicht­ein­lage kann nur zins­los durch die Ge­sell­schaft ein­ge­for­dert wer­den, wenn ein ent­spre­chen­der Ge­sell­schaf­ter­be­schluss ge­fasst wird."

Am 27.1.2014 for­derte die Kläge­rin 4,5% der Pflicht­ein­lage (mit­hin 4.500 €) vom Be­klag­ten ein, der al­ler­dings nicht be­zahlte. In der Fol­ge­zeit schied der Be­klagte durch or­dent­li­che Kündi­gung zum 31.12.2014 aus der Kläge­rin aus. Zu die­sem Stich­tag er­gebe sich nach Auf­fas­sung der Kläge­rin ein ne­ga­ti­ves Aus­ein­an­der­set­zungs­gut­ha­ben des Be­klag­ten i.H.v. 15.070 €. Das LG hat die Klage (man­gels Vor­lie­gens ei­nes Schieds­gut­ach­tens gem. § 23 Ziff. 6 GV) als der­zeit un­begründet ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin gab das OLG der Klage teil­weise statt. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung die Re­vi­sion zum BGH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Be­ru­fung hat nur hin­sicht­lich des auf Berück­sich­ti­gung des am 27.1.2014 ein­ge­for­der­ten Be­tra­ges von 4.500 € bei der Er­mitt­lung des Ab­fin­dungs­gut­ha­bens ge­rich­te­ten Hilfs­an­trags Er­folg. Im Übri­gen war sie un­begründet.

Zu Recht hat das LG den Haupt­an­trag der Kläge­rin als der­zeit un­begründet ab­ge­wie­sen, da es ent­schei­dungs­er­heb­lich auf die Höhe des Ab­fin­dungs­gut­ha­bens an­kommt und des­halb vor Er­he­bung der Klage nach § 23 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 GV von der Kläge­rin ein Schieds­gut­ach­ten zu er­ho­len ge­we­sen wäre. Das Sich­be­ru­fen des Be­klag­ten auf die Schieds­klau­sel ist ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin nicht gem. § 242 BGB treu­wid­rig. Da in § 23 Nr. 6 Abs. 1 GV nicht ge­re­gelt ist, wer die Be­nen­nung ei­nes Schieds­gut­ach­ters durch die Wirt­schaftsprüfer­kam­mer zu ver­an­las­sen hat, war auf die ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen zurück­zu­grei­fen.

Gem. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB, 738 Abs. 1 S. 1 BGB trifft ge­genüber dem aus­ge­schie­de­nen Ge­sell­schaf­ter die Pflicht zur Er­stel­lung der Ab­fin­dungs­bi­lanz die Ge­sell­schaft. Aus die­ser Pflicht zur Bi­lanz­er­stel­lung folgt den­klo­gi­sch auch die Pflicht, die zur Bi­lanz­er­stel­lung not­wen­di­gen vor­be­rei­ten­den Schritte ein­zu­lei­ten. Zu die­sen Vor­be­rei­tungsmaßnah­men gehört auf­grund der Schieds­klau­sel des § 23 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 GV auch, durch die Wirt­schaftsprüfer­kam­mer die Be­nen­nung ei­nes Schieds­gut­ach­ters in die Wege zu lei­ten. Aus der Nichterfüllung ei­ner ei­ge­nen ver­trag­li­chen Pflicht der Ge­sell­schaft kann diese nicht die Treu­wid­rig­keit des Zu­war­tens des Be­klag­ten mit der Be­ru­fung auf die Schieds­klau­sel begründen. Der Be­klagte hätte mögli­cher­weise selbst die zur Er­stel­lung des Schieds­gut­ach­tens not­wen­di­gen Schritte ge­genüber der Wirt­schaftsprüfer­kam­mer ein­lei­ten können, mus­ste es aber nicht.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin hätte das LG auch nicht und muss auch das Be­ru­fungs­ge­richt nicht ana­log § 319 Abs. 1 S. 2 BGB die Leis­tungs­be­stim­mung durch Er­ho­lung ei­nes Sach­verständi­gen­gut­ach­tens vor­neh­men. § 319 Abs. 1 S. 2 BGB setzt vor­aus, dass sich die von den Ver­trags­par­teien in ers­ter Li­nie ge­wollte Be­stim­mung durch einen Drit­ten als nicht durchführ­bar er­weist. Nach BGH-Recht­spre­chung ist eine der­ar­tige Un­durchführ­bar­keit grundsätz­lich schon dann ge­ge­ben, wenn die hierzu ver­pflich­tete Par­tei den Schieds­gut­ach­ter nicht in­ner­halb an­ge­mes­se­ner Zeit be­nennt, ohne dass es da­bei auf ihr Ver­schul­den an­kommt. Diese Recht­spre­chung er­ging al­ler­dings grundsätz­lich zu Fällen, in de­nen die je­wei­lige Schuld­ne­rin des je­weils streit­ge­genständ­li­chen Zah­lungs­an­spruchs die Be­nen­nung des Schieds­gut­ach­ters verzögerte oder sich die bei­den Par­teien über den Schieds­gut­ach­ter nicht ei­ni­gen konn­ten.

Eine un­mit­tel­bare Kla­gemöglich­keit der Kläge­rin wäre schließlich im vor­lie­gen­den Fall treu­wid­rig, denn es war ge­rade die Kläge­rin, die kei­ner­lei Schritte un­ter­nom­men hatte, um die Er­ho­lung des ver­trag­lich vor­ge­se­he­nen Schieds­gut­ach­tens in die Wege zu lei­ten. Schließlich könnte sie da­durch durch bloßes Nicht­han­deln die ver­trag­li­che Schieds­klau­sel um­ge­hen. In­so­fern war das LG auch nicht ge­hal­ten, dem Be­klag­ten ent­spre­chend §§ 356, 431 ZPO eine Frist zur Bei­brin­gung des Schieds­gut­ach­tens zu set­zen. Da die hier streit­ge­genständ­li­che Be­schluss­lage gleich­ge­la­gert in ei­ner Viel­zahl von Be­tei­li­gun­gen an meh­re­ren Fonds be­steht, wo­bei der­zeit bun­des­weit ca. 150 Kla­gen rechtshängig sind, war die Re­vi­sion zu­zu­las­sen.

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