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Steuerberatung

Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Forderung

BFH 1.8.2017, VII R 12/16

Das Ge­richt des zulässi­gen Rechts­wegs ent­schei­det den Rechts­streit grundsätz­lich auch über eine zur Auf­rech­nung ge­stellte rechts­weg­fremde Ge­gen­for­de­rung, es sei denn, diese Ent­schei­dung erwächst in Rechts­kraft.

Der Sach­ver­halt:
Der Ehe­mann der Kläge­rin war in den Jah­ren 2003 und 2004 Ge­sell­schaf­ter und Ge­schäftsführer ei­ner GmbH & Co. KG. Nach der Tren­nung der Ehe­leute im De­zem­ber 2005 wohnte der Ehe­mann zunächst zu­letzt in Großbri­tan­nien. Dort wurde im Mai 2007 über sein Vermögen ein Ver­fah­ren we­gen "bankrupt" eröff­net und ihm im Mai 2008 Rest­schuld­be­frei­ung nach eng­li­schem Recht er­teilt.

Aus dem Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2003 vom Juni 2006 er­gab sich für die Ehe­leute ein Gut­ha­ben i.H.v. 28.906 € und aus dem Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2004 vom Au­gust 2006 ein Gut­ha­ben i.H.v. 32.767 €. Das da­mals zuständige Fi­nanz­amt teilte mit Be­schei­den aus Ok­to­ber und De­zem­ber 2006 die Gut­ha­ben auf und erklärte hin­sicht­lich des je­weils auf den Ehe­mann der Kläge­rin ent­fal­len­den Er­stat­tungs­be­trags die Auf­rech­nung mit ei­ner Re­gress­for­de­rung des Lan­des aus ei­ner Lan­desbürg­schaft. Ein Auf­rech­nungs­er­su­chen des Mi­nis­te­ri­ums der Fi­nan­zen des Lan­des lag dem Fi­nanz­amt seit Ok­to­ber 2005 vor. Das Land war im Zu­sam­men­hang mit der Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens im Rah­men ei­ner Rückbürg­schaft in An­spruch ge­nom­men wor­den. Es stützte sei­nen An­spruch auf eine Rück­zah­lungs­ga­ran­tie­ver­pflich­tung, die der Ehe­mann der Kläge­rin im Rah­men des Be­tei­li­gungs­ver­trags zwi­schen der GmbH & Co. KG und ei­ner Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft aus April 2004 über­nom­men hatte, und machte gel­tend, mitt­ler­weile In­ha­ber die­ser For­de­rung zu sein.

Ge­gen die Auf­rech­nung er­ho­ben die Ehe­leute Ein­spruch und be­strit­ten die Ge­gen­for­de­rung. Außer­dem leg­ten sie am 23.12.2006 eine Ab­tre­tungs­an­zeige vor, nach der der Ehe­mann der Kläge­rin die­ser seine Er­stat­tungs­an­sprüche aus den Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gun­gen für 2003 bis 2005 zur Si­che­rung von Un­ter­halts­ver­pflich­tun­gen ab­ge­tre­ten habe. Im No­vem­ber 2007 wies das Fi­nanz­amt dar­auf hin, es habe sich bei den Be­schei­den aus Ok­to­ber und De­zem­ber 2006 nicht um Ab­rech­nungs­be­scheide, son­dern um Auf­rech­nungs­erklärun­gen ge­han­delt. Die Ein­sprüche der Ehe­leute wer­tete es als Anträge auf Er­tei­lung von Ab­rech­nungs­be­schei­den, die es am 21.12.2007 er­ließ. Darin wies es die der Kläge­rin ab­ge­tre­te­nen Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­sprüche des Ehe­manns für 2003 und 2004 als durch Auf­rech­nung er­lo­schen aus. Das Ein­spruchs­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

Im April 2013 setzte das FG das Ver­fah­ren aus, nach­dem das Land vor den or­dent­li­chen Ge­rich­ten Klage auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens der zur Auf­rech­nung ge­stell­ten Ge­gen­for­de­rung ge­gen den Ehe­mann der Kläge­rin er­ho­ben hatte. Das OLG wies die Klage in zwei­ter In­stanz man­gels Fest­stel­lungs­in­ter­es­ses als un­zulässig ab. Im An­schluss daran ur­teilte das FG, die Ab­rech­nungs­be­scheide vom 21.12.2007 seien rechtmäßig. Die Steu­er­er­stat­tungs­an­sprüche des Ehe­manns der Kläge­rin aus den Ein­kom­men­steu­er­be­schei­den für 2003 und 2004 seien durch Auf­rech­nung er­lo­schen und hätten zum Zeit­punkt des Ein­gangs der Ab­tre­tungs­an­zeige beim Fi­nanz­amt nicht mehr be­stan­den. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Kläge­rin blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Gem. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG ent­schei­det das Ge­richt des zulässi­gen Rechts­wegs den Rechts­streit un­ter al­len in Be­tracht kom­men­den recht­li­chen Ge­sichts­punk­ten. Dies um­fasst grundsätz­lich auch die Ent­schei­dung über eine zur Auf­rech­nung ge­stellte Ge­gen­for­de­rung gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB. Han­delt es sich je­doch wie im Streit­fall um eine zi­vil­recht­li­che und da­mit rechts­weg­fremde For­de­rung, gilt der Grund­satz des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG nicht un­ein­ge­schränkt.

Ver­fah­rens­recht­li­che Pro­bleme, die die ma­te­ri­ell-recht­li­che Zulässig­keit der Auf­rech­nung in­des nicht hin­dern, kann die Auf­rech­nung mit ei­ner Ge­gen­for­de­rung, für die ein an­de­rer Rechts­weg als für die Kla­ge­for­de­rung ge­ge­ben ist, auf­wer­fen, wenn diese - wie hier - nicht rechtskräftig fest­ge­stellt ist und vom Steu­er­pflich­ti­gen be­strit­ten wird. Denn nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Ent­schei­dung, dass die Ge­gen­for­de­rung nicht be­steht, bis zur Höhe des Be­trags, für den die Auf­rech­nung gel­tend ge­macht ist, der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft fähig. Es be­steht so­mit die Ge­fahr, dass ein an sich nicht zuständi­ges Ge­richt mit Bin­dungs­wir­kung ge­genüber den nach der Rechts­weg­zu­wei­sung ent­schei­dungs­be­fug­ten Ge­rich­ten über das Nicht­be­ste­hen der zur Auf­rech­nung ge­stell­ten For­de­rung ent­schei­det.

Auch wenn im Streit­fall das Fi­nanz­amt die Auf­rech­nung ge­genüber dem Ehe­mann der Steu­er­pflich­ti­gen in einem Zeit­punkt erklärt hatte, in dem die­ser noch selbst In­ha­ber der Ein­kom­men­steu­er­er­stat­tungs­an­sprüche aus den Jah­ren 2003 und 2004 war, ist die Si­tua­tion doch der­je­ni­gen des § 406 BGB in­so­fern ver­gleich­bar, als der Ehe­mann der Steu­er­pflich­ti­gen nicht am fi­nanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren be­tei­ligt war und eine Ent­schei­dung in die­sem Kla­ge­ver­fah­ren ihm ge­genüber keine Rechts­kraft er­langt hatte. Da­her greift eine Ent­schei­dung des FG über das Be­ste­hen der rechts­weg­frem­den For­de­rung nicht in die Rechts­weg­zuständig­keit der or­dent­li­chen Ge­richte ein. Viel­mehr han­delt es sich da­bei le­dig­lich um eine Vor­frage zur Auf­rech­nung, die von der Ent­schei­dungs­be­fug­nis des FG gem. § 17 Abs. 2 GVG um­fasst ist.

Wei­ter­hin war die Ent­schei­dungs­be­fug­nis des FG auch nicht nach § 226 Abs. 3 AO ein­ge­schränkt, weil diese Re­ge­lung nur für die Auf­rech­nung durch den Steu­er­pflich­ti­gen gilt. Das Fi­nanz­amt hatte gem. § 226 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 387 ff. BGB ge­genüber dem Ehe­mann der Steu­er­pflich­ti­gen wirk­sam die Auf­rech­nung mit Re­gress­for­de­run­gen des Lan­des aus ei­ner Lan­desbürg­schaft erklärt. Auch be­stan­den keine Auf­rech­nungs­ver­bote. Die fort­be­ste­hende Rechts­na­tur des über­ge­lei­te­ten An­spruchs aus der Rückbürg­schaft als zi­vil­recht­li­cher An­spruch steht sei­ner Auf­rech­nung ge­genüber den Steu­er­er­stat­tungs­an­sprüchen nicht ent­ge­gen. Die Auf­rech­nung mit zi­vil­recht­li­chen An­sprüchen ge­gen öff­ent­lich-recht­li­che An­sprüche und um­ge­kehrt ist da­her grundsätz­lich zulässig.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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