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Steuerberatung

Zur Verschiebung des Zeitpunkts der Verlustrealisierung

FG Düsseldorf v. 29.1.2019 - 13 K 1070/17 E

Eine Ver­schie­bung des Zeit­punkts der Ver­lus­trea­li­sie­rung i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG durch einen späte­ren An­trag auf Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens nach § 213 InsO kommt nicht in Be­tracht

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war zur Hälfte am Stamm­ka­pi­tal der 1988 gegründe­ten B-GmbH be­tei­ligt. Darüber hin­aus be­trieb er ein ge­werb­li­ches Ein­zel­un­ter­neh­men, in des­sen Rah­men er Ver­mie­tung tätigte, und zwar u.a. an die GmbH. Im Jahr 2005 führte das Fi­nanz­amt eine Be­triebsprüfung bei der GmbH für die Ver­an­la­gungs­zeiträume 1999 bis 2001 durch. Im Juni 2008 wurde über das Vermögen der GmbH das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net. Der In­sol­venz­ver­wal­ter führte in einem Be­richt aus, dass die GmbH spätes­tens ab dem 31.12.2000, wahr­schein­lich aber schon früher bi­lan­zi­ell und recht­lich über­schul­det ge­we­sen sei. Stille Re­ser­ven hätten, ent­ge­gen der Dar­stel­lung im Jah­res­ab­schluss auf den 31.12.2002, nicht exis­tiert. Eine Fortführung des Un­ter­neh­mens sei aus­ge­schlos­sen. Der Ge­schäfts­be­trieb sei im April 2007 ein­ge­stellt wor­den. Nen­nens­werte li­quide Mit­tel seien nicht vor­han­den.

Im wei­te­ren Ver­lauf des In­sol­venz­ver­fah­rens ver­han­delte der Kläger mit den Gläubi­gern der GmbH über einen teil­wei­sen For­de­rungs­ver­zicht. Mit Schrei­ben vom 20.6.2013 be­an­tragte die GmbH die Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens mit Zu­stim­mung der Gläubi­ger gem. § 213 InsO. Da je­doch ein be­stimm­ter Gläubi­ger der GmbH nicht zu einem For­de­rungs­ver­zicht be­reit war und im Au­gust 2013 mit­ge­teilt hatte, dass er keine Ein­verständ­nis­erklärung ab­ge­ben werde, kam es nicht zu ei­ner Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens.

Seine Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2012 gab der Kläger im März 2015 ab. Darin erklärte er einen Ver­lust aus der Auflösung der GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG i.H.v. rd. 600.000 €. Das Fi­nanz­amt teilte dem Kläger mit, dass nicht er­kenn­bar sei, wa­rum der Ver­lust in zeit­li­cher Hin­sicht in 2012 zu berück­sich­ti­gen sei. Im Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2012 lehnte das Fi­nanz­amt die Berück­sich­ti­gung des gel­tend ge­mach­ten Ver­lus­tes ab. Die Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2013 gab der Kläger im März 2015 ab. Das FA ver­an­lagte ihn mit Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 2013 vom 27.4.2016. Am sel­ben Tag er­gin­gen Ein­kom­men­steuer-Vor­aus­zah­lungs­be­scheide für 2015 und 2016. Mit sei­ner Klage wen­det sich der Kläger ge­gen die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide für 2012 und 2013 so­wie die Vor­aus­zah­lungs­be­scheide 2015 und 2016.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die in der Haupt­sa­che be­gehrte Berück­sich­ti­gung ei­nes Auflösungs­ver­lus­tes gem. § 17 Abs. 4 EStG im Streit­jahr 2013 ist nicht möglich. Ein sol­cher Auflösungs­ver­lust hätte be­reits in einem früheren Ver­an­la­gungs­zeit­raum gel­tend ge­macht wer­den müssen. Eine Ver­schie­bung des Rea­li­sa­ti­ons­zeit­punkts in das Streit­jahr 2013 kommt ins­be­son­dere nicht vor dem Hin­ter­grund in Be­tracht, dass in die­sem Jahr die von der GmbH be­gehrte Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens nach § 213 InsO endgültig ge­schei­tert ist.

Ein Auflösungs­ver­lust steht fest, wenn der ge­meine Wert des dem Steu­er­pflich­ti­gen zu­ge­teil­ten oder zurück­ge­zahl­ten Vermögens ei­ner­seits (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) und die Li­qui­da­ti­ons- und An­schaf­fungs­kos­ten des Ge­sell­schaf­ters an­de­rer­seits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) fest­ste­hen. Glei­ches gilt, wenn si­cher ist, dass eine Zu­tei­lung oder Zurück­zah­lung von Ge­sell­schafts­vermögen an die Ge­sell­schaf­ter aus­schei­det und wenn die durch die Be­tei­li­gung ver­an­lass­ten Auf­wen­dun­gen fest­ste­hen. Wird ein In­sol­venz­ver­fah­ren durch­geführt, kommt i.d.R. keine Ver­lus­trea­li­sie­rung vor Ab­schluss des Li­qui­da­ti­ons­ver­fah­rens in Be­tracht. Denn ein Veräußerungs­ge­winn oder -ver­lust ist erst rea­li­siert, wenn der In­sol­venz­ver­wal­ter die ein­zel­nen Wirt­schaftsgüter des Ge­sell­schafts­vermögens oder das Un­ter­neh­men im Gan­zen veräußert und mit dem letz­ten Ge­schäfts­vor­fall die Grund­lage für die Schluss­ver­tei­lung ge­schaf­fen hat.

Aus­nahms­weise kann der Zeit­punkt, zu dem der Auflösungs­ver­lust rea­li­siert ist, schon vor Ab­schluss der In­sol­venz­ver­fah­rens lie­gen. Vor­aus­set­zung ist auch in die­sem Fall, dass fest­steht, ob und in wel­cher Höhe noch nachträgli­che An­schaf­fungs­kos­ten und Auf­ga­be­kos­ten für den Ge­sell­schaf­ter an­fal­len wer­den. Darüber hin­aus muss fest­ste­hen, dass die Ge­sell­schaft be­reits im Zeit­punkt des Auflösungs­be­schlus­ses vermögens­los war, denn in die­sem Fall kann auch eine Aus­keh­rung von Rest­vermögen an die Ge­sell­schaf­ter aus­ge­schlos­sen wer­den. Die letzt­ge­nannte Vor­aus­set­zung liegt vor, wenn auf­grund des In­ven­tars und der In­sol­ven­zeröff­nungs­bi­lanz oder ei­ner Zwi­schen­rech­nungs­le­gung ohne wei­tere Er­mitt­lun­gen und mit ei­ner an Si­cher­heit gren­zen­den Wahr­schein­lich­keit da­mit zu rech­nen ist, dass das Vermögen der Ge­sell­schaft zu Li­qui­da­ti­ons­wer­ten die Schul­den nicht mehr de­cken wird.

Schließlich muss die Möglich­keit aus­ge­schlos­sen sein, dass die Ge­sell­schaft fort­geführt wird. Eine Sa­nie­rung und Fortführung im Rah­men ei­nes In­sol­venz­plans darf da­her nicht in Be­tracht. Nach § 1 InsO sind die Er­hal­tung des Un­ter­neh­mens in Ausführung ei­nes In­sol­venz­plans und die Li­qui­da­tion gleich­ran­gige Ziele des Ver­fah­rens. Ge­lingt aber die Sa­nie­rung der Ge­sell­schaft, kommt es nicht zu ei­ner Voll­be­en­di­gung und da­mit auch nicht zu ei­ner Rea­li­sie­rung ei­nes Auflösungs­ver­lus­tes der Ge­sell­schaf­ter. Die vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen sind aus Ex-ante-Sicht zu be­ur­tei­len; nachträgli­che Er­eig­nisse wie der tatsäch­li­che Aus­gang ei­nes In­sol­venz­ver­fah­rens sind nicht zu berück­sich­ti­gen

Bei der Frage, ob der Auflösungs­ver­lust zu einem be­stimm­ten Zeit­punkt be­reits fest­steht, han­delt es sich letzt­lich um eine Wahr­schein­lich­keits­pro­gnose. Wenn der BFH da­her das Fest­ste­hen des Auflösungs­ver­lus­tes u.a. da­von abhängig macht, dass sich aus ei­ner "Zwi­schen­rech­nungs­le­gung des In­sol­venz­ver­wal­ters die endgültige Be­wer­tung des Schuld­ner­vermögens mit an Si­cher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit er­ge­ben muss", muss die­ser Maßstab auch für die Vor­aus­set­zung gel­ten, dass die Fort­set­zung der Ge­sell­schaft aus­ge­schlos­sen sein muss. Im Streit­fall war eine sol­che Fort­set­zung mit an Si­cher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit aus­ge­schlos­sen.

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