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Steuerberatung

Zur Anwendung der sog. Öffnungsklausel in der Rentenbesteuerung

FG München 27.12.2017, 1 K 2510/14

Nach­zah­lun­gen, die ren­ten­recht­lich möglich sind, sind auch im Rah­men der Öff­nungs­klau­sel zu berück­sich­ti­gen. Ren­ten­recht­lich möglich ist ent­ge­gen der An­sicht der Fi­nanz­ver­wal­tung nicht gleich­zu­set­zen mit "ren­ten­recht­lich wirk­sam", d.h. ab wann die Ein­zah­lung tatsäch­lich ren­ten­erhöhend wirkt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger leis­tete ab 1970 Beiträge zur Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung; während sei­ner Aus­landstätig­keit leis­tete er Beiträge als frei­wil­li­ges Mit­glied. Ins­ge­samt zahlte der Kläger aus­weis­lich des Schrei­bens der Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung Beiträge für die Jahre 1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001 und 2003 je­weils über dem Höchst­bei­trag zur An­ge­stell­ten­ver­si­che­rung.

Im Sep­tem­ber 2012 teilte die Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung dem Kläger auf sei­nen An­trag hin mit, dass für die An­wen­dung der sog. Öff­nungs­klau­sel die er­for­der­li­chen 10 Jahre nicht erfüllt seien, da er vor dem 1.1.2005 nur in 9 Jah­ren Ein­zah­lun­gen ober­halb des An­ge­stell­ten­ver­si­che­rungshöchst­bei­tra­ges ge­leis­tet habe. Das BFH-Ur­teil vom 19.1.2010 (Az.: X R 53/08 - NV) sei auf die Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung nicht über­trag­bar. Ren­ten­recht­lich würden bei der Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung Bei­trags­zah­lun­gen nach dem Jahr ih­rer Ein­zah­lung ver­ren­tet und nicht nach dem Jahr, für das sie mögli­cher­weise be­stimmt ge­we­sen seien.

An­ders als vom Kläger be­an­tragt, wandte das be­klagte Fi­nanz­amt die sog. Öff­nungs­klau­sel nicht an und be­steu­erte die Ver­sor­gungs­leis­tun­gen des Klägers für die Streit­jahre 2009, 2010, 2012 mit einem steu­er­pflich­ti­gen An­teil von 50% nach § 22 Nr. 1 S. 3 EStG. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt.

Die Gründe:
Die Öff­nungs­klau­sel des § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 2 EStG ist im vor­lie­gen­den Fall an­zu­wen­den. Da­mit sind die Ren­ten, so­weit sie auf Beiträgen des Klägers ober­halb des all­ge­mei­nen Höchst­bei­trags nach § 27 der Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung der Jahre 1985, 1987, 1995, 1997, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003 ge­zahlt wor­den wa­ren, mit dem Er­trags­an­teil nach § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 4 EStG zu ver­steu­ern.

Sinn und Zweck der sog. Öff­nungs­klau­sel ist al­lein die Ver­mei­dung ei­ner mögli­chen ver­fas­sungs­wid­ri­gen Dop­pel­be­steue­rung, die sich dar­aus er­ge­ben kann, dass ein Steu­er­pflich­ti­ger eine Al­ters­rente als Ein­nahme ver­steu­ern muss, ob­wohl er die von ihm ge­tra­ge­nen Beiträge, auf­grund de­rer er die Rente erhält, ge­rade we­gen der Höhe nicht oder nicht vollständig als Son­der­aus­gabe ab­zie­hen konnte. Nach­zah­lun­gen, die ren­ten­recht­lich möglich sind, sind auch im Rah­men der Öff­nungs­klau­sel zu berück­sich­ti­gen. Ren­ten­recht­lich möglich ist ent­ge­gen der An­sicht der Fi­nanz­ver­wal­tung in dem BMF-Schrei­ben vom 19.8.2013 (BStBl 2013 I 1087, Rz. 240) nicht gleich­zu­set­zen mit "ren­ten­recht­lich wirk­sam", d.h. ab wann die Ein­zah­lung tatsäch­lich ren­ten­erhöhend wirkt. Dafür fin­det sich in § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 3 EStG keine ge­setz­li­che Grund­lage. Die ein­zige zeit­li­che Be­gren­zung ist der 31.12.2004, bis zu dem sich Zah­lun­gen für die Öff­nungs­klau­sel qua­li­fi­zie­ren konn­ten.

Der Kläger hatte zur Erhöhung sei­ner Ren­ten­an­wart­schaf­ten die Möglich­keit, Nach­zah­lun­gen für ein Ka­len­der­jahr bis zum Ab­lauf des Fol­ge­jah­res zu leis­ten (§ 27 Abs. 3 der der­zeit gel­ten­den Fas­sung der Sat­zung der Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung so­wie die Erläute­run­gen in den Be­schei­den vom und Ok­to­ber 2003). Da­mit sind diese Nach­zah­lun­gen, so­weit sie für ein ab­ge­lau­fe­nes Jahr möglich wa­ren, zur Be­rech­nung des Höchst­bei­tra­ges im Rah­men der Öff­nungs­klau­sel zu berück­sich­ti­gen. Der Kläger hat einen Nach­weis, dass seine Beiträge min­des­tens 10 Jahre den Höchst­bei­trag zu sei­ner Ren­ten­ver­si­che­rung gem. § 22 Nr. 1 S. 3a, bb S. 2 EStG über­schrit­ten ha­ben, ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes auch er­bracht. Denn er hatte neun Jahre Ren­ten­beiträge ober­halb des Höchst­bei­tra­ges ge­zahlt.

Zu­dem ist auch der in 2003 für 2002 ge­zahlte Bei­trag mit in die Be­rech­nung der er­for­der­li­chen 10 Jahre ein­zu­be­zie­hen. Denn nach den Sat­zungs­vor­schrif­ten der Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung hatte der Kläger die Möglich­keit zur Erhöhung der Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten frei­wil­lige Mehr­zah­lun­gen zu leis­ten, die wie Pflicht­beiträge ver­ren­tet wer­den. Ent­ge­gen der An­sicht des Fi­nanz­am­tes ist die frei­wil­lige Mehr­zah­lung eine mögli­che ren­ten­recht­li­che Nach­zah­lung, die zur An­wen­dung der Öff­nungs­klau­sel führt. Denn ent­schei­dend ist nicht, wann die Zah­lung sich tatsäch­lich ren­ten­recht­lich aus­wirkt. Hieran ändert auch der vom Fi­nanz­amt vor­ge­tra­gene § 38 Abs. 2 der Bayer. Ärz­te­ver­sor­gung nichts.

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