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Steuerberatung

Zur Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung

FG Münster v. 26.9.2019 - 9 V 1985/19 E

Nach BVerfG-Recht­spre­chung hat der Ge­setz­ge­ber bei der Aus­wahl des Steu­er­ge­gen­stands und bei der Be­stim­mung des Steu­er­sat­zes einen weit­rei­chen­den Ent­schei­dungs­spiel­raum. Dies gilt vor al­lem dann, wenn der Ge­setz­ge­ber - wie bei der Be­steue­rung der Al­ter­seinkünfte - kom­plexe Re­ge­lungs­sys­teme um­ge­stal­ten muss. Eine er­heb­li­che Un­gleich­be­hand­lung, die jeg­li­chen sach­li­chen Grun­des ent­behrt, weil alle vom Ge­setz­ge­ber an­ge­streb­ten Re­ge­lungs­ziele auch un­ter Ver­mei­dung der un­glei­chen Be­hand­lung und ohne In­kauf­nahme an­de­rer Nach­teile er­reicht wer­den können, braucht von den Be­trof­fe­nen je­doch nicht hin­ge­nom­men zu wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Der 1966 ge­bo­rene An­trag­stel­ler be­zieht seit 2017 eine Be­rufs­unfähig­keits­rente aus dem Ver­sor­gungs­werk der Wirt­schaftsprüfer und der ver­ei­dig­ten Buchprüfer (WPV). Im Streit­jahr 2018 hatte er eine Rente von 39.437 € er­hal­ten. Da­ne­ben er­zielte der An­trag­stel­ler Einkünfte aus Ver­mie­tung und Ver­pach­tung und machte seine Beiträge zur Steu­er­be­ra­ter- und zur Wirt­schaftsprüfer­kam­mer als Be­triebs­aus­ga­ben gel­tend.

In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2018 gab der An­trag­stel­ler die Ren­ten­einkünfte nicht an. Das Fi­nanz­amt setzte die Ein­kom­men­steuer auf 10.792 € fest und berück­sich­tigte Ren­ten­einkünfte i.H.v. 29.081 € (39.437 € abzüglich steu­er­freier Teil 10.254 € und Wer­bungs­kos­ten-Pausch­be­trag 102 €). Hier­ge­gen hat der An­trag­stel­ler Sprung­klage er­ho­ben über die der Se­nat noch nicht ent­schie­den hat (Az. 9 K 1807/19 E).

Der An­trag­stel­ler ist der An­sicht, dass seine Ren­ten­einkünfte nicht der Be­steue­rung un­ter­wor­fen wer­den dürf­ten. Von sei­nen zwi­schen 1999 und 2017 ge­leis­te­ten Bei­trags­zah­lun­gen seien im Durch­schnitt nur 67,6 % steu­er­frei ge­stellt wor­den. Die Be­steue­rung der Rente mit 76 % führe da­her zu ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Dop­pel­be­steue­rung, und zwar be­zo­gen auf die vor­aus­sicht­li­che Ren­ten­lauf­zeit von 2018 bis 2049 i.H.v. min­des­tens 44.222 €. Die in den Ren­ten­zah­lun­gen ent­hal­te­nen Wert­zuwächse stell­ten Vermögens­meh­run­gen im Pri­vat­vermögen dar, die we­gen des Dua­lis­mus der Ein­kunfts­ar­ten nicht steu­er­bar seien.

Das FG wies im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren den Aus­set­zungs­an­trag ab.

Die Gründe:
Ernst­li­che Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit des an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheids für 2018 be­ste­hen nicht.

Die Ein­be­zie­hung der Ren­ten­einkünfte in die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­lage in der vom Fi­nanz­amt be­rech­ne­ten Höhe ent­spricht zunächst dem Ge­setz. Denn gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a) Dop­pel­buchst. aa) Satz 1 EStG gehören zu den sons­ti­gen Einkünf­ten u.a. Leib­ren­ten aus be­rufsständi­schen Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen, so­weit sie je­weils der Be­steue­rung un­ter­lie­gen. Dies trifft auch auf die vom An­trag­stel­ler be­zo­gene Rente des WPV zu. Satz 3 der ge­nann­ten Vor­schrift re­gelt die maßgeb­li­chen Be­steue­rungs­an­teile in Abhängig­keit vom Jahr des Ren­ten­be­ginns. Bei einem Ren­ten­be­ginn - wie im Streit­fall - im Jahr 2017 beträgt der Be­steue­rungs­an­teil 74 %. Der vom An­trags­geg­ner steu­er­frei be­las­sene Be­trag i.H.v. 10.254 € beträgt 26 % des ins­ge­samt zu­ge­flos­se­nen Ren­ten­be­tra­ges.

Die An­wen­dung der Re­ge­lung im Streit­fall führt auch nicht zu ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Dop­pel­be­steue­rung. Nach BVerfG-Recht­spre­chung, der der Se­nat folgt, hat der Ge­setz­ge­ber bei der Aus­wahl des Steu­er­ge­gen­stands und bei der Be­stim­mung des Steu­er­sat­zes einen weit­rei­chen­den Ent­schei­dungs­spiel­raum (BVerfG v. 29.9.2015 - 2 BvR 2683/11). Dies gilt vor al­lem dann, wenn der Ge­setz­ge­ber - wie bei der Be­steue­rung der Al­ter­seinkünfte - kom­plexe Re­ge­lungs­sys­teme um­ge­stal­ten muss. Eine er­heb­li­che Un­gleich­be­hand­lung, die jeg­li­chen sach­li­chen Grun­des ent­behrt, weil alle vom Ge­setz­ge­ber an­ge­streb­ten Re­ge­lungs­ziele auch un­ter Ver­mei­dung der un­glei­chen Be­hand­lung und ohne In­kauf­nahme an­de­rer Nach­teile er­reicht wer­den können, braucht von den Be­trof­fe­nen je­doch nicht hin­ge­nom­men zu wer­den. Zu­dem fin­det der ge­setz­ge­be­ri­sche Ge­stal­tungs­spiel­raum bei der Neu­ord­nung der Be­steue­rung von Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen für die Al­ters­si­che­rung und der Be­steue­rung von Bezügen aus dem Er­geb­nis der Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen im Ver­bot der Dop­pel­be­steue­rung seine Grenze.

Die Neu­re­ge­lung der Ren­ten­be­steue­rung durch das Alt­EinkG zum 1.1.2005 hat das BVerfG auch im Hin­blick auf Ren­ten aus be­rufsständi­schen Ver­sor­gungs­wer­ken im Grund­satz als ver­fas­sungs­gemäß be­wer­tet. Nicht zu be­an­stan­den ist da­nach das für diese Ren­ten eben­falls vor­ge­se­hene neue Kon­zept der nach­ge­la­ger­ten Be­steue­rung, wo­nach nicht die Erträge des Ren­ten­stamm­rechts, son­dern die tatsäch­li­chen Ren­ten­zuflüsse als Ein­kom­men be­steu­ert wer­den, und zwar auch so­weit sie aus ei­ge­nen Bei­trags­leis­tun­gen des Steu­er­pflich­ti­gen re­sul­tie­ren, so­fern keine Dop­pel­be­steue­rung er­folgt.

Ausdrück­lich hat das BVerfG die an­ders­ar­tige Be­steue­rung von Ren­ten aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung und aus be­rufsständi­schen Ver­sor­gungs­wer­ken im Ver­gleich zur Be­steue­rung von Pri­vat­ren­ten ge­bil­ligt, bei de­nen die Wert­stei­ge­run­gen zwar eben­falls er­fasst wer­den, al­ler­dings nur über die Be­steue­rung ei­nes Er­trags­an­teils (vgl. BVerfG v. 30.9.2015 - 2 BvR 1961/10). Bei sum­ma­ri­scher Be­ur­tei­lung be­steht vor­lie­gend so­mit keine Ver­an­las­sung, diese Frage in Be­zug auf einen Ver­gleich zwi­schen Ren­ten aus be­rufsständi­schen Ver­sor­gungs­wer­ken mit über­ob­li­ga­to­ri­sch do­tier­ten Ries­ter- und Rürup-Verträgen (vgl. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a, Dop­pel­buchst. bb Satz 1, 3, i.V.m. § 22 Nr. 5 Buchst. a EStG) an­ders zu be­ur­tei­len.
 

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