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Steuerberatung

Zur Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG und deren Anfechtbarkeit

BFH v. 22.8.2019 - V R 21/18

Teilt das Fi­nanz­amt dem Dritt­schuld­ner (Bauträger) mit, dass es im Wege der zi­vil­recht­li­chen Ab­tre­tung eine For­de­rung ge­gen ihn er­wor­ben hat, liegt kein vom Bauträger an­fecht­ba­rer Ver­wal­tungs­akt i.S.v. § 118 AO vor. Die Zu­las­sung der Ab­tre­tung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG ist man­gels ei­ge­ner Be­schwer (§ 40 Abs. 2 FGO) kein vom Dritt­schuld­ner (hier: Bauträger) an­fecht­ba­rer Ver­wal­tungs­akt.

Der Sach­ver­halt:
Die Firma A hatte in den Jah­ren 2012 und 2013 für die Kläge­rin Bau­leis­tun­gen er­bracht und dafür 429.630 € ver­ein­bart. Die Be­tei­lig­ten sa­hen zunächst die Kläge­rin als Leis­tungs­empfänge­rin als Steu­er­schuld­ne­rin nach § 13b UStG an. Nach Veröff­ent­li­chung des BFH-Ur­teils vom 22.08.2013 - V R 37/10 gab die Kläge­rin für das Jahr 2012 und das er­ste Quar­tal 2013 be­rich­tigte Um­satz­steu­er­erklärun­gen ab.

Beim Fi­nanz­amt machte die Kläge­rin gel­tend, dass ins­be­son­dere we­gen der de­tail­lier­ten Gel­tend­ma­chung von Gewähr­leis­tungs­rech­ten durch den Bauträger eine ab­tret­bare For­de­rung i.S.d. § 27 Abs. 19 UStG im Streit­fall nicht be­stehe. Nach In­kraft­tre­ten von § 27 Abs. 19 UStG nahm das Fi­nanz­amt den leis­ten­den Un­ter­neh­mer A durch einen nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geänder­ten Um­satz­steu­er­be­scheid 2012 als Steu­er­schuld­ner in An­spruch und nahm nach den Re­ge­lun­gen der §§ 398 ff. BGB des­sen An­ge­bot auf Ab­tre­tung des ihm ge­gen die Kläge­rin zu­ste­hen­den "An­spruchs auf Zah­lung der ge­setz­lich ent­stan­de­nen Um­satz­steuer" an. Später in­for­mierte das Fi­nanz­amt die Kläge­rin, dass es die von A an­ge­zeigte Ab­tre­tung an­ge­nom­men habe und dass Zah­lun­gen be­tref­fend die Um­satz­steuer durch die Kläge­rin an die A nicht mehr möglich seien. Es werde eine Auf­rech­nung an­ge­strebt.

Nach An­nahme der Ab­tre­tung for­derte das Fi­nanz­amt die Kläge­rin zur Zah­lung von 67.059 € auf. Im Rah­men ih­res ge­gen die An­nahme des Ab­tre­tungs­an­ge­bots durch das Fi­nanz­amt ge­rich­te­ten Ein­spruchs trug die Kläge­rin vor, sie habe be­reits 357.424 € ge­zahlt. Ein darüber hin­aus­ge­hen­der Vergütungs­an­spruch be­stehe nicht, weil Baumängel vorlägen. So­mit sei die For­de­rung gem. § 362 BGB er­lo­schen und habe des­we­gen nicht ab­ge­tre­ten wer­den können. Der An­trag auf Zu­las­sung der Ab­tre­tung habe dem­nach ab­ge­lehnt wer­den müssen. Die Ent­schei­dung sei auch er­mes­sens­feh­ler­haft ge­we­sen, weil Bau­ver­trags­ri­si­ken in das Fi­nanz­ver­wal­tungs­ver­fah­ren ver­la­gert würden.

Das FG gab der Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hob der BFH das Ur­teil auf und ver­warf die Klage als un­zulässig.

Gründe:
Das FG hat zu Un­recht ein Sa­chur­teil er­las­sen, an­statt die Klage man­gels von der Kläge­rin an­fecht­ba­ren Ver­wal­tungs­akts als un­zulässig zu ver­wer­fen.

In der Mit­tei­lung über den zi­vil­recht­li­chen For­de­rungs­er­werb des Fi­nanz­am­tes durch Ab­tre­tung war kein Ver­wal­tungs­akt zu se­hen. Schließlich stel­len behörd­li­che Schrei­ben, die nur die recht­li­che Würdi­gung ei­nes gleich­zei­tig mit­ge­teil­ten Sach­ver­halts ver­mit­teln, man­gels Re­ge­lung kei­nen Ver­wal­tungs­akt dar. Da­nach ist auch die Mit­tei­lung der Fi­nanz­behörde, dass es wie im Streit­fall eine zi­vil­recht­li­che For­de­rung er­wor­ben habe, kein Ver­wal­tungs­akt.

We­der bei der Ab­tre­tung ei­nes zi­vil­recht­li­chen For­de­rungs­an­spruchs nach § 398 BGB durch An­ge­bot und An­nahme noch bei der Mit­wir­kung des Fi­nanz­am­tes durch eine An­ge­bots­an­nahme wie im Streit­fall han­delt es sich um Ver­wal­tungs­akte i.S.v. § 118 Satz 1 AO. So­wohl für die zi­vil­recht­lich er­fol­gende Ab­tre­tung wie auch bei der ebenso dem Zi­vil­recht un­ter­lie­gen­den Mit­wir­kungs­hand­lung der Fi­nanz­behörde er­gibt sich dies be­reits dar­aus, dass es an ei­ner ho­heit­li­chen Maßnahme fehlt.

Ebenso ist die Zu­las­sung der Ab­tre­tung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG man­gels ei­ge­ner Be­schwer (§ 40 Abs. 2 FGO) kein vom Dritt­schuld­ner an­fecht­ba­rer Ver­wal­tungs­akt. So­weit ge­setz­lich nichts an­de­res be­stimmt ist, ist die Klage gem. § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger gel­tend macht, durch den Ver­wal­tungs­akt oder durch die Ab­leh­nung oder Un­ter­las­sung ei­nes Ver­wal­tungs­akts oder ei­ner an­de­ren Leis­tung in sei­nen Rech­ten ver­letzt zu sein. Fühlt sich der Nicht­adres­sat ei­nes Ver­wal­tungs­akts in sei­nen Rech­ten ver­letzt, kommt eine Kla­ge­be­fug­nis für ihn nur in Be­tracht, wenn er gel­tend ma­chen kann, in sei­nen ei­ge­nen Rech­ten ver­letzt zu sein. Dies ist nur dann zu be­ja­hen, wenn eine Vor­schrift den In­di­vi­dual­in­ter­es­sen des Klägers zu die­nen be­stimmt ist. Das Er­for­der­nis der Zu­las­sung hat da­ge­gen keine dritt­schützende Wir­kung zu­guns­ten von Dritt­schuld­nern wie der Steu­er­pflich­ti­gen.

Die Zu­las­sung der Ab­tre­tung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG steht in einem en­gen Zu­sam­men­hang mit der Kor­rek­tur­vor­schrift des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG und des da­bei durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG an­ge­ord­ne­ten Aus­schlus­ses des Ver­trau­ens­schut­zes nach § 176 AO. Eine Um­satz­steu­er­fest­set­zung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG kann ge­genüber dem leis­ten­den Un­ter­neh­mer nur geändert wer­den, wenn ihm ein ab­tret­ba­rer An­spruch auf Zah­lung der ge­setz­lich ent­stan­de­nen Um­satz­steuer ge­gen den Leis­tungs­empfänger zu­steht. Das Fi­nanz­amt muss da­her nicht erst im Er­he­bungs­ver­fah­ren bei ei­ner Ent­schei­dung über die Ab­tre­tung, son­dern be­reits im Fest­set­zungs­ver­fah­ren bei der Prüfung der Ände­rungs­be­fug­nis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG fest­stel­len, ob ein ab­tret­ba­rer An­spruch des Leis­ten­den ge­gen den Leis­tungs­empfänger be­steht.

Da­durch wird der für den leis­ten­den Bau­un­ter­neh­mer er­for­der­li­che Schutz bei der Kor­rek­tur ei­ner Fehl­be­ur­tei­lung durch die Fi­nanz­ver­wal­tung ver­wirk­licht, dient aber nicht dem Schutz des Schuld­ners der ab­ge­tre­te­nen For­de­rung wie im Streit­fall der Steu­er­pflich­ti­gen. Da­her ist es ohne Be­deu­tung, ob Ein­wen­dun­gen oder Ein­re­den des Schuld­ners ge­gen die ab­ge­tre­tene For­de­rung be­ste­hen. Das Fi­nanz­amt kann sich dann für oder ge­gen eine Ab­tre­tung mit Be­scheidände­rung ge­gen den leis­ten­den Un­ter­neh­mer ent­schei­den.

Kommt es zu ei­ner Ab­tre­tung, kann über Ein­wen­dun­gen oder Ein­re­den des Schuld­ners wie im Streit­fall der Kläge­rin in Be­zug auf be­haup­tete Baumängel im Fall ei­ner Auf­rech­nung durch das Fi­nanz­amt im Rah­men ei­nes gem. § 218 Abs. 2 AO zu er­las­sen­den Ab­rech­nungs­be­scheids oder, wenn die Steu­er­behörde den durch Ab­tre­tung er­wor­be­nen An­spruch zi­vil­recht­lich durch­setzt, im Zi­vil­pro­zess ent­schie­den wer­den. Eine Schutz­bedürf­tig­keit des Schuld­ners der ab­ge­tre­te­nen For­de­rung, im Streit­fall der Kläge­rin, be­steht nicht, da sich die Ab­tre­tung un­ter Be­din­gun­gen des Zi­vil­rechts voll­zieht und da­her ohne ge­son­der­tes Ab­tre­tungs­ver­bot stets mit einem Gläubi­ger­wech­sel ge­rech­net wer­den muss.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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