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Steuerberatung

Zum Zeitpunkt der Steuerentstehung bei Sollversteuerung

BFH v. 22.8.2019 - V R 47/17

Auf den Zeit­punkt der Ent­rich­tung des Ent­gel­tes kommt es für die Steu­er­ent­ste­hung bei Soll­ver­steue­rung nicht an. Da § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG nicht uni­ons­rechts­kon­form aus­leg­bar ist, setzt die An­wen­dung von Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richt­li­nie 77/388/EWG (nun­mehr Art. 64 MwSt­Sys­tRL) vor­aus, dass der Steu­er­pflich­tige sich auf die Vor­schrift be­ruft.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist, ob eine Zah­lung im Zu­sam­men­hang mit der Schließung ei­nes Bahnüberg­angs Scha­dens­er­satz oder um­satz­steu­er­li­ches Ent­gelt dar­stellt und ob im Falle der An­nahme ei­nes steu­er­ba­ren Um­sat­zes die­ser im Streit­jahr zu er­fas­sen ist. Der Kläger ist Land­wirt. Beim Bau ei­ner par­al­lel zu ei­ner Bun­des­straße ge­le­ge­nen Ei­sen­bahn­li­nie wur­den von der Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft für die be­trof­fe­nen Land­wirte Übergänge über die Bahn­gleise ge­schaf­fen. Im Mai 1999 wurde dem Kläger mit­ge­teilt, dass die be­ste­hen­den Übergänge, Straßen und Wirt­schafts­wege durch den Wege- und Gewässer­plan nach § 41 des Flur­be­rei­ni­gungs­ge­set­zes als öff­ent­li­che bzw. ge­mein­schaft­li­che An­la­gen plan­fest­ge­stellt wor­den sind. Der Bahnüberg­ang gewähr­leis­tete den un­mit­tel­ba­ren Zu­gang von der Hof­stelle zu den jen­seits der Bahn­trasse ge­le­ge­nen land­wirt­schaft­lich ge­nutz­ten Ei­gen­tumsflächen des Klägers.

Später be­ab­sich­tigte die DB Netz AG aus Gründen der Si­cher­heit und Ab­wick­lung des Ver­kehrs die Schließung von Pri­vat­weg-Bahnübergängen, u.a. auch den des Klägers. Mit Plan­fest­stel­lungs­be­schluss von Ok­to­ber 2003 wurde gem. § 18 des All­ge­mei­nen Ei­sen­bahn­ge­set­zes der Plan der DB Netz AG für die Schließung des Bahnüberg­angs fest­ge­stellt. Der Kläger ver­suchte zunächst mit ei­ner Klage vor dem VG ge­gen den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss die Schließung sei­nes Bahnüberg­angs zu ver­hin­dern. Mit Ver­ein­ba­rung von Mai 2005 zwi­schen der DB Netz AG und dem Kläger stimmte der Kläger der Auf­he­bung des Bahnüberg­angs zu. Die DB Netz AG ver­pflich­tete sich in der Ver­ein­ba­rung zum Bau ei­nes Er­satz­wegs und für die aus der Bahnüberg­angs­auf­he­bung re­sul­tie­ren­den Be­triebs­er­schwer­nisse zur Zah­lung ei­nes Ent­schädi­gungs­be­trags von rd. 128.000 €. Auch die aus der Ent­schädi­gungs­zah­lung ent­ste­hen­den Steu­er­be­las­tun­gen soll­ten dem Kläger von der DB Netz AG er­stat­tet wer­den.

Die Ent­schädi­gungs­zah­lung war nach Schließung des Bahnüberg­angs zu zah­len. Die ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Klage ge­gen den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss nahm der Kläger mit Schrift­satz noch im Mai 2005 zurück. Die Schließung des Bahnüberg­angs er­folgte im Streit­jahr 2006, der Kläger er­hielt dar­auf­hin rd. 212.000 € von der DB Netz AG. Nach ei­ner Be­triebsprüfung kam das Fi­nanz­amt zu dem Er­geb­nis, der Kläger habe eine Leis­tung an die DB Netz AG er­bracht, die nicht un­ter die Durch­schnitts­satz­be­steue­rung nach § 24 UStG falle und dem Re­gel­steu­er­satz un­ter­liege. Die an den Kläger ge­zahlte Ent­schädi­gung für Wirt­schafts­er­schwer­nisse sei um­satz­steu­er­li­ches Ent­gelt (Net­to­ent­gelt: rd. 183.000 €, Um­satz­steuer: rd. 29.000 €).

Das FG gab der ge­gen den Um­satz­steu­er­be­scheid ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu­tref­fend ent­schie­den, dass die steu­er­pflich­tige Leis­tung des Klägers im Jahr 2005 aus­geführt und folg­lich im Streit­jahr (2006) nicht zu er­fas­sen ist.

Bei der Rück­nahme der Klage ge­gen den Plan­fest­stel­lungs­be­schluss vor dem VG durch den Kläger  han­delte es sich um­satz­steu­er­recht­lich um eine steu­er­bare und steu­er­pflich­tige Leis­tung. Die vom Steu­er­pflich­ti­gen er­brachte streit­be­fan­gene Leis­tung war die im Zuge der Ver­ein­ba­rung von Mai 2005 am sel­ben Tag erklärte Kla­gerück­nahme, so dass die Steuer gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG da­mit vor dem Streit­jahr 2006 ent­stan­den ist. Die Steuer ent­steht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG für Lie­fe­run­gen und sons­tige Leis­tun­gen bei der Be­rech­nung der Steuer nach ver­ein­bar­ten Ent­gel­ten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) mit Ab­lauf des Vor­an­mel­dungs­zeit­raums, in dem die Leis­tun­gen oder Teil­leis­tun­gen aus­geführt wor­den sind (sog. Soll­be­steue­rung).

Die Aus­le­gung der in der Ver­ein­ba­rung von Mai 2005 ab­ge­ge­be­nen Wil­lens­erklärun­gen führte dazu, dass die Leis­tung des Klägers in der Rück­nahme der Klage am 18.05.2005 be­stand. Hier­auf kam es der DB Netz AG an, um Pla­nungs­si­cher­heit zu ha­ben und die mit einem Pro­zess ver­bun­de­nen Ri­si­ken zu ver­mei­den. Auf den Zeit­punkt in den das Ent­gelt (hier die "Ent­schädi­gungs­zah­lung" und die Er­rich­tung des Er­satz­wegs) ent­rich­tet wird, kommt es für die Steu­er­ent­ste­hung bei der Soll­ver­steue­rung da­ge­gen nicht an:

Auch aus Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richt­li­nie 77/388/EWG er­gab sich für das Streit­jahr nichts an­de­res. Da­nach gel­ten Lie­fe­run­gen von Ge­genständen außer in den in Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Richt­li­nie 77/388/EWG be­nann­ten Fällen und Dienst­leis­tun­gen, die zu auf­ein­an­der fol­gen­den Ab­rech­nun­gen oder Zah­lun­gen An­lass ge­ben, als mit Ab­lauf des Zeit­raums be­wirkt, auf den sich diese Ab­rech­nun­gen oder Zah­lun­gen be­zie­hen. Die An­wen­dung von Art. 10 Abs. 2 Satz  2 der Richt­li­nie 77/388/EWG setzt je­doch schon grundsätz­lich vor­aus, dass der Steu­er­pflich­tige sich auf diese Vor­schrift be­ruft, was vor­lie­gend je­doch nicht der Fall war.

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