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Steuerberatung

Zum Verhältnis der Verlustfeststellung zur Steuerfestsetzung

BFH 16.5.2018, XI R 50/17

Sind der Körper­schaft­steu­er­be­scheid und der Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid des Ver­lus­tent­ste­hungs­jah­res be­standskräftig (ge­wor­den) und berück­sich­ti­gen diese einen ge­rin­ge­ren Ver­lust als vom Steu­er­pflich­ti­gen be­gehrt, ist die Ände­rung ei­nes Be­schei­des über den ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trag und des vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lusts nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG und § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG nur zulässig, so­weit eine Kor­rek­tur der Steu­er­be­scheide nach den Vor­schrif­ten der AO hin­sicht­lich der bei der Er­mitt­lung des Ge­samt­be­trags der Einkünfte nicht aus­ge­gli­che­nen ne­ga­ti­ven Einkünfte (noch) möglich ist und diese der Steu­er­fest­set­zung tatsäch­lich zu­grunde ge­legt wor­den sind.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin wies in ih­rem beim Fi­nanz­amt zu­sam­men mit den Steu­er­erklärun­gen für 2011 ein­ge­reich­ten Jah­res­ab­schluss zum 31.12.2011 einen Ver­lust i.H.v. rd. 25.500 € aus. Da­bei wur­den un­ter dem Kto. 4780 "Fremd­ar­bei­ten (Ver­trieb)" Auf­wen­dun­gen i.H.v. rd. 24.800 € als Be­triebs­aus­ga­ben ver­bucht. Auf An­for­de­rung des Fi­nanz­amts reichte die Kläge­rin als Nach­weis eine Rech­nung der B über den ge­buch­ten Be­trag ein. Im Rah­men ei­nes Be­nen­nungs­ver­lan­gens nach § 160 AO wies das Fi­nanz­amt dar­auf hin, dass es sich nach Mit­tei­lung des Bun­des­zen­tral­am­tes für Steu­ern bei der B um eine wirt­schaft­lich nicht ak­tive Do­mi­zil­ge­sell­schaft (Brief­kas­ten­firma) han­dele. Die Kläge­rin legte dar­auf­hin ein "Memo" der B, un­ter­schrie­ben von X vor, nach dem es sich um eine Ver­wech­se­lung zweier gleich­na­mi­ger Ge­sell­schaf­ten han­dele.

Das Fi­nanz­amt er­ließ Be­scheide über Körper­schaft­steuer für 2011 mit ei­ner fest­ge­setz­ten Körper­schaft­steuer von 0 €, über den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag für 2011 mit einem Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag von 0 €, über die ge­son­derte Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags zur Körper­schaft­steuer zum 31.12.2011 mit einem fest­ge­stell­ten ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trag von rd. 700 € so­wie über die ge­son­derte Fest­stel­lung des vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lus­tes auf den 31.12.2011 mit einem fest­ge­stell­ten vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lust von rd. 700 €. Die Be­scheide stan­den nicht un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung. Aus­weis­lich der Erläute­run­gen zum Körper­schaft­steu­er­be­scheid blie­ben die als Be­triebs­aus­ga­ben gel­tend ge­mach­ten Fremd­leis­tun­gen un­berück­sich­tigt. Die Kläge­rin habe nicht wi­der­legt, dass es sich bei der B um eine Do­mi­zil­ge­sell­schaft han­dele; eine Ver­wech­se­lung liege eben­falls nicht vor, da die Han­dels­re­gis­ter­num­mer übe­rein­stimme.

Die Kläge­rin legte ge­gen die ge­nann­ten Be­scheide Ein­sprüche ein und be­gehrte die Berück­sich­ti­gung der gel­tend ge­mach­ten Fremd­leis­tun­gen als Be­triebs­aus­ga­ben. Das Fi­nanz­amt wies die Ein­sprüche als un­begründet zurück. Die Kläge­rin er­hob ausdrück­lich nur we­gen der Be­scheide über die ge­son­derte Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags zur Körper­schaft­steuer und über die ge­son­derte Fest­stel­lung des vor­tragsfähi­gen Ge­wer­be­ver­lus­tes auf den 31.12.2011 vom 6.11.2013 Klage und be­gehrte je­weils die Ver­lust­fest­stel­lung i.H.v. rd. 25.500 €. Sie ver­folgte in­so­weit ihr Be­geh­ren auf Berück­sich­ti­gung der vom Fi­nanz­amt ver­sag­ten Be­triebs­aus­ga­ben wei­ter.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:

Das FG hat zu­tref­fend die von der Kläge­rin be­gehrte Erhöhung des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags zur Körper­schaft­steuer und zum Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag zum 31.12.2011 auf der Grund­lage von § 10d Abs. 4 S. 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG und § 35b Abs. 2 S. 2 und 3 GewStG i.d.F. des JStG 2010 ab­ge­lehnt.

Nach § 10d Abs. 4 S. 1 EStG ist der am Schluss ei­nes Ver­an­la­gungs­zeit­raums ver­blei­bende Ver­lust­vor­trag ge­son­dert fest­zu­stel­len. Ver­blei­ben­der Ver­lust­vor­trag sind die bei der Er­mitt­lung des Ge­samt­be­trags der Einkünfte nicht aus­ge­gli­che­nen ne­ga­ti­ven Einkünfte, ver­min­dert um die nach § 10d Abs. 1 EStG ab­ge­zo­ge­nen und die nach § 10d Abs. 2 EStG ab­zieh­ba­ren Beträge und ver­mehrt um den auf den Schluss des vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­an­la­gungs­zeit­raums fest­ge­stell­ten ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trag (§ 10d Abs. 4 S. 2 EStG). Bei der Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags sind die Be­steue­rungs­grund­la­gen so zu berück­sich­ti­gen, wie sie den Steu­er­fest­set­zun­gen des Ver­an­la­gungs­zeit­raums, auf des­sen Schluss der ver­blei­bende Ver­lust­vor­trag fest­ge­stellt wird, und des Ver­an­la­gungs­zeit­raums, in dem ein Ver­lustrück­trag vor­ge­nom­men wer­den kann, zu­grunde ge­legt wor­den sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO so­wie § 42 FGO gel­ten ent­spre­chend.

Nach § 10d Abs. 4 S. 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 (§ 35b Abs. 2 S. 3 GewStG i.d.F. des JStG 2010) dürfen die Be­steue­rungs­grund­la­gen bei der Fest­stel­lung des ge­son­der­ten Ver­lust­vor­trags nur in­so­weit ab­wei­chend berück­sich­tigt wer­den, wie die Auf­he­bung, Ände­rung oder Be­rich­ti­gung der Steu­er­be­scheide aus­schließlich man­gels Aus­wir­kung auf die Höhe der fest­zu­set­zen­den Steuer un­ter­bleibt. Mit der Re­ge­lung des § 10d Abs. 4 S. 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 KStG bzw. § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG i.d.F. des JStG 2010 wird eine in­halt­li­che Bin­dung des Ver­lust­fest­stel­lungs­be­schei­des an den Körper­schaft­steuer- bzw. Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid er­reicht, ob­wohl der Körper­schaft­steuer- bzw. Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid kein Grund­la­gen­be­scheid für den Ver­lust­fest­stel­lungs­be­scheid ist. Die Be­steue­rungs­grund­la­gen sind im Fest­stel­lungs­ver­fah­ren so zu berück­sich­ti­gen, wie sie der letz­ten be­standskräfti­gen Fest­set­zung im Körper­schaft­steuer- bzw. Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid zu­grunde lie­gen. Dar­aus folgt, dass im Fest­stel­lungs­ver­fah­ren des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags die Einkünfte nicht ei­genständig zu er­mit­teln sind.

Wird der Steu­er­be­scheid be­standskräftig und berück­sich­tigt er kei­nen Ver­lust, kommt eine Ver­lust­fest­stel­lung nur noch in Be­tracht, wenn und so­weit der Steu­er­be­scheid des Ver­lus­tent­ste­hungs­jah­res nach den Vor­schrif­ten der AO änder­bar ist; nichts an­de­res gilt für die Ände­rung ei­ner Ver­lust­fest­stel­lung, wenn der be­standskräftige Steu­er­be­scheid zwar einen Ver­lust berück­sich­tigt, der Steu­er­pflich­tige je­doch einen höheren Ver­lust be­gehrt. Der erst­ma­lige Er­lass wie auch die Ände­rung ei­nes Fest­stel­lungs­be­schei­des über den ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trag sind von der Reich­weite der ver­fah­rens­recht­li­chen Ände­rungsmöglich­keit der Steu­er­fest­set­zung - d.h. gem. §§ 164 f., §§ 172 ff. AO - im Ver­lus­tent­ste­hungs­jahr abhängig. Vor­lie­gend kam da­her eine Ände­rung der Ver­lust­fest­stel­lungs­be­scheide der Kläge­rin nicht in Be­tracht, da die Be­scheide über Körper­schaft­steuer und den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag nicht den gel­tend ge­mach­ten Ver­lust berück­sich­tig­ten und sie nicht mehr geändert wer­den konn­ten.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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