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Verzicht auf die Einvernahme von Zeugen in der mündlichen Verhandlung

BFH v. 2.7.2019 - III B 125/18

Der Ver­zicht auf die Ein­ver­nahme von Zeu­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung ist als Pro­zess­hand­lung nicht frei wi­der­ruf­lich.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war über Jahre hin­weg als selbständi­ger Ver­si­che­rungs­ver­tre­ter für die X-AG tätig. Durch Auf­he­bungs­ver­trag wurde das Ver­trags­verhält­nis mit Ab­lauf des 30.4.2013 be­en­det. Der Kläger hatte auf­grund der Ver­ein­ba­rung An­spruch auf eine Ent­schädi­gung von 175.000 €, die bei einem Ver­stoß ge­gen ein Wett­be­werbs­ver­bot zurück­zu­zah­len sein sollte. Der An­spruch sollte ent­fal­len, wenn der Kläger einen Aus­gleichs­an­spruch nach § 89b HGB gel­tend ma­chen würde.

In der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr 2013 be­han­delte der Kläger die Ent­schädi­gung als Teil des Auf­ga­be­ge­winns und be­an­tragte dafür die Ta­rif­begüns­ti­gung nach § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG so­wie die Gewährung des Frei­be­trags gem. § 16 Abs. 4 EStG. Das Fi­nanz­amt ist der An­sicht, die Ent­schädi­gungs­zah­lung sei dem lau­fen­den Ge­winn aus Ge­wer­be­be­trieb zu­zu­rech­nen und auch ge­wer­be­steu­er­lich zu er­fas­sen. Der Ein­spruch ge­gen den geänder­ten Ein­kom­men­steu­er­be­scheid hatte in­so­weit Er­folg, als das Fi­nanz­amt die Ta­rifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG gewährte. Den Ein­spruch ge­gen den geänder­ten Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid wies es zurück.

Im an­schließen­den Kla­ge­ver­fah­ren wollte das FG den in die Ver­hand­lun­gen über die Ent­schädi­gung ein­ge­schal­te­ten As­ses­sor Z als Zeu­gen la­den. Die­ser war je­doch am vor­ge­se­he­nen Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung ver­hin­dert, so dass das Ge­richt Z um eine schrift­li­che Stel­lung­nahme bat, die die­ser auch ab­gab und in der er das Zu­stan­de­kom­men der Ent­schädi­gungs­ver­ein­ba­rung erläuterte. Über die Ein­ver­nahme von Frau P, ei­ner Mit­ar­bei­te­rin der X-AG, er­ließ das FG einen Be­weis­be­schluss, auf­grund des­sen sich die Zeu­gin schrift­lich äußerte.

Das FG gab der Klage hin­sicht­lich des Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheids statt. Es war der An­sicht, dass die Ent­schädi­gung nicht zum Ge­wer­be­er­trag gehöre. Die Klage ge­gen den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2013 wies es ab, da die Ent­schädi­gungs­zah­lung dem lau­fen­den Ge­winn zu­zu­ord­nen sei. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde des Klägers hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Kläger kann einen et­wai­gen Ver­fah­rens­feh­ler des FG, der darin zu se­hen sein könnte, dass das FG Z und P nicht in der münd­li­chen Ver­hand­lung als Zeu­gen ver­nom­men hat, son­dern die von Z an­ge­fer­tigte Stel­lung­nahme im Wege des Ur­kun­den­be­wei­ses ver­wer­tet und sich bei P mit ei­ner schrift­li­chen Zeu­gen­aus­sage begnügt hat, nicht mit Er­folg im Ver­fah­ren über die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde gel­tend ma­chen.

Der Kläger rügt einen Ver­stoß ge­gen den Grund­satz der Un­mit­tel­bar­keit der Be­weis­auf­nahme nach § 81 Abs. 1 FGO, der u.a. be­sagt, dass bei meh­re­ren in Be­tracht kom­men­den Be­weis­mit­teln die Be­weis­auf­nah­men mit dem­je­ni­gen Be­weis­mit­tel durch­zuführen ist, das den "un­mit­tel­bars­ten" Ein­druck vom strei­ti­gen Sach­ver­halt ver­mit­telt. Mit die­ser Rüge kann der Kläger je­doch im Ver­fah­ren über die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde nicht mehr gehört wer­den, weil er auf de­ren Gel­tend­ma­chung ver­zich­tet hat. Denn ein Ver­stoß ge­gen die Un­mit­tel­bar­keit der Be­weis­auf­nahme kann nach § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO ebenso durch Rüge­ver­zicht ge­heilt wer­den wie an­dere Verstöße ge­gen die Sach­aufklärungs­pflicht.

Im Streit­fall liegt ein der­ar­ti­ger Ver­zicht vor. Der durch einen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ver­tre­tene Kläger, dem der In­halt der Aus­kunft des Z und der schrift­li­chen Zeu­gen­aus­sage der P be­kannt war, erklärte noch kurz vor der münd­li­chen Ver­hand­lung, dass "auf der Ba­sis der von mir ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung" eine Zeu­gen­ein­ver­nahme von Z und P durch den Se­nat nicht er­for­der­lich sei, dass die Zeu­gen aber ge­la­den wer­den müss­ten, wenn es auf der Ba­sis der Rechts­mei­nung des Se­nats auf den persönli­chen Ein­druck und auf eine ergänzende Be­fra­gung an­komme. Der Kläger brachte da­mit zum Aus­druck, dass aus sei­ner Sicht keine Einwände da­ge­gen be­stan­den, wenn Z und P in der münd­li­chen Ver­hand­lung nicht als Zeu­gen aus­sa­gen würden. Der Zu­satz, der nach sei­nem In­halt be­sagt, dass eine Zeu­gen­be­fra­gung er­for­der­lich sei, wenn das Ge­richt sie als er­for­der­lich er­ach­ten sollte, ist der Hin­weis auf eine Selbst­verständ­lich­keit und macht den Ver­zicht nicht un­wirk­sam.

Die­sen Ver­zicht konnte der Pro­zess­ver­tre­ter des Klägers nicht da­durch, dass er in der münd­li­chen Ver­hand­lung erklärte, nicht auf die Ein­ver­nahme von Z und P ver­zich­tet zu ha­ben und einen Ver­zicht auch nicht erklären wolle, rückgängig ma­chen. Denn der Rüge­ver­zicht nach § 295 Abs. 1 ZPO ist eine Pro­zess­hand­lung, die der Kläger nicht frei wi­der­ru­fen konnte, zu­mal im vor­lie­gen­den Fall nach dem Ver­zicht keine we­sent­li­che Verände­rung der Pro­zess­lage ein­ge­tre­ten war.

Link­hin­weis:

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