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Familienunternehmen

Verjährungsbeginn bei Recht auf Widerruf der Fonds-Beitrittserklärung

BGH 8.11.2018, III ZR 628/16

Steht dem An­le­ger ein ver­trag­li­ches Recht auf Wi­der­ruf sei­ner Bei­tritts­erklärung zu ei­ner Fonds­ge­sell­schaft zu, wel­ches - ab­ge­se­hen von der Ein­hal­tung ei­ner Wi­der­rufs­rist oder be­stimm­ter For­mer­for­der­nisse - an keine wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen ge­bun­den ist, ist der An­le­ger durch das Zu­stan­de­kom­men des Bei­tritts­ver­tra­ges noch nicht i.S.d. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ge­schädigt. Ein den Verjährungs­be­ginn auslösen­der Scha­den ist zu be­ja­hen, wenn Umstände ge­ge­ben sind, auf­grund de­rer der Ka­pi­tal­an­le­ger von sei­ner An­la­ge­ent­schei­dung nicht (mehr) Ab­stand neh­men kann, ohne ggf. fi­nan­zi­elle Einbußen oder sons­tige für ihn nach­tei­lige Fol­gen hin­neh­men zu müssen. Bei dem Bei­tritt zu ei­ner Ka­pi­tal­an­la­ge­ge­sell­schaft ist dies ins­be­son­dere dann der Fall, wenn der An­le­ger be­reits eine ge­sell­schafts­recht­li­che Stel­lung er­langt hat, auf­grund de­rer ein Aus­tritt aus der Ge­sell­schaft nur noch nach den Grundsätzen der feh­ler­haf­ten Ge­sell­schaft möglich wäre.

Der Sach­ver­halt:

Der Kläger be­gehrt von der Be­klag­ten Scha­dens­er­satz we­gen der Ver­let­zung von Aufklärungs­pflich­ten im Zu­sam­men­hang mit dem Er­werb ei­ner Ka­pi­tal­an­lage. Nach Be­ra­tung durch den Be­klag­ten un­ter­zeich­nete der Kläger am 10.11.2002 eine Bei­tritts­erklärung als aty­pi­sch stil­ler Ge­sell­schaf­ter zu der A-AG (Fonds­ge­sell­schaft) und ver­pflich­tete sich zur Zah­lung ei­ner Ein­mal­ein­lage über 60.000 € zzgl. 3.600 € Agio bis zum 15.11.2002. Auf dem For­mu­lar der Bei­tritts­erklärung be­fin­det sich fol­gende, von dem Kläger ge­son­dert un­ter­zeich­nete Wi­der­rufs­be­leh­rung: "Meine Bei­tritts­erklärung als aty­pi­sch stil­ler Ge­sell­schaf­ter der A-AG kann ich in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Wo­chen wi­der­ru­fen. Diese Wi­der­rufs­frist be­ginnt am Tag, der auf das Da­tum der von mir un­ter­schrie­be­nen Bestäti­gung über den Er­halt die­ser Be­leh­rung folgt. Der Wi­der­ruf ist schrift­lich oder in Text­form an die A-AG zu rich­ten. Der Wi­der­ruf be­darf kei­ner Begründung. Zur Frist­wah­rung genügt die recht­zei­tige Ab­sen­dung des Wi­der­rufs. Die vor­ste­hende Be­leh­rung habe ich zur Kennt­nis ge­nom­men."

 

Nach § 2 Abs. 2 des im Emis­si­ons­pro­spekt der Fonds­ge­sell­schaft ab­ge­druck­ten aty­pi­sch stil­len Ge­sell­schafts­ver­tra­ges wird "die Be­tei­li­gung als aty­pi­sch stil­ler Ge­sell­schaf­ter un­abhängig vom Zeit­punkt der Ein­tra­gung des Ver­tra­ges in das Han­dels­re­gis­ter gem. § 294 AktG wirk­sam mit der An­nahme der Bei­tritts­erklärung durch den Ge­schäfts­in­ha­ber, der Zah­lung des Auf­gel­des (Agio) und der vollständi­gen Zah­lung der Ein­mal­ein­lage". Mit Schrei­ben vom 12.11.2002 begrüßte die Fonds­ge­sell­schaft den Kläger "im Kreise der aty­pi­sch stil­len Ge­sell­schaf­ter" und sandte einen ge­gen­ge­zeich­ne­ten Durch­schlag der Bei­tritts­erklärung an ihn zurück. Auf dem für die Fonds­ge­sell­schaft geführ­ten Treu­hand­konto ging am 13.11.2002 eine er­ste Teil­zah­lung des Klägers i.H.v. 33.600 € ein, die Ein­zah­lung wei­te­rer 30.000 € er­folgte am 28.11.2002.

 

Am 13.11.2012 reich­ten die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers per Te­le­fax einen Güte­an­trag bei Rechts­an­walt und Me­dia­tor R. aus F., ei­ner staat­lich an­er­kann­ten Gütestelle, ein, dem keine Voll­macht des Klägers bei­gefügt war. Der Kläger macht gel­tend, we­der durch den Emis­si­ons­pro­spekt noch im Rah­men des Ver­mitt­lungs­ge­sprächs zu­tref­fend über die we­sent­li­chen Ri­si­ken der Be­tei­li­gung auf­geklärt wor­den zu sein. Nach Schei­tern des Güte­ver­fah­rens er­hob der Kläger Klage auf Rück­ab­wick­lung der Be­tei­li­gung und Zah­lung ent­gan­ge­nen Ge­winns.

 

LG und OLG wie­sen die Klage we­gen Verjährung der gel­tend ge­mach­ten An­sprüche ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

 

Die Gründe:

Der Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers we­gen der Ver­let­zung von Aufklärungs­pflich­ten im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Be­tei­li­gung als aty­pi­sch stil­ler Ge­sell­schaf­ter un­ter­liegt der zehnjähri­gen Verjährungs­frist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, die ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung des OLG zum Zeit­punkt der Ein­rei­chung des Güte­an­trags am 13.11.2012 noch nicht ab­ge­lau­fen war.

 

Am 12.11.2002 war noch kein Scha­den i.S.d. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB ent­stan­den, wes­halb der am 13.11.2012 ein­ge­reichte Güte­an­trag eine Hem­mung der Verjährung noch be­wir­ken konnte (§ 204 Abs. 1 Nr. 4, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Zwar ist der Bei­tritts­ver­trag nach der von der Re­vi­sion hin­ge­nom­me­nen und recht­lich auch nicht zu be­an­stan­den­den ta­trich­ter­li­chen Würdi­gung des OLG be­reits mit An­nahme der Bei­tritts­erklärung des Klägers durch die Fonds­ge­sell­schaft am 12.11.2002 zu­stande ge­kom­men. Der Ab­schluss des Bei­tritts­ver­tra­ges al­lein konnte in der ge­ge­be­nen Kon­stel­la­tion einen den Verjährungs­be­ginn auslösen­den Scha­den al­ler­dings noch nicht begründen. Dem Kläger stand nämlich ein freies Recht auf Wi­der­ruf sei­ner Bei­tritts­erklärung zu.

 

Je­den­falls dann, wenn einem An­le­ger (wie hier) ein ver­trag­lich ein­geräum­tes Recht auf Wi­der­ruf sei­ner Bei­tritts­erklärung zu ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft zu­steht, wel­ches - ab­ge­se­hen von der Ein­hal­tung ei­ner Wi­der­rufs­rist oder be­stimm­ter For­mer­for­der­nisse - an keine wei­te­ren Vor­aus­set­zun­gen ge­bun­den ist, ist die­ser durch das Zu­stan­de­kom­men des Bei­tritts­ver­tra­ges grundsätz­lich noch nicht ge­schädigt. So­lange es nämlich zur al­lei­ni­gen Dis­po­si­tion des An­le­gers steht, ob er an dem ge­schlos­se­nen Ver­trag festhält oder sich durch Ausübung ei­nes ihm ein­geräum­ten Wi­der­rufs­rechts von der ein­ge­gan­ge­nen Ver­pflich­tung wie­der löst, ist es noch of­fen, ob die vor­ge­wor­fene Pflicht­ver­let­zung zu einem Scha­den führt. Es liegt dann le­dig­lich eine ri­si­ko­be­haf­tete Lage vor, wel­che sich aber noch nicht in der Be­wer­tung des Ge­samt­vermögens nie­der­schlägt und da­her einem Scha­dens­ein­tritt nicht gleich­steht.

 

Ein mit dem Ab­schluss des Bei­tritts­ver­tra­ges zeit­lich zu­sam­men­fal­len­der Verjährungs­be­ginn lässt sich vor­lie­gend auch nicht mit ei­ner An­wen­dung der Grundsätze der feh­ler­haf­ten Ge­sell­schaft begründen. Zwar steht die freie Wi­der­ruf­bar­keit der Bei­tritts­erklärung dem Verjährungs­be­ginn nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB dann nicht (mehr) ent­ge­gen, wenn Umstände ge­ge­ben sind, auf­grund de­rer der Bei­tre­tende von sei­ner An­la­ge­ent­schei­dung nicht Ab­stand neh­men kann, ohne aus Gründen, wel­che sich sei­ner Ein­flussmöglich­keit ent­zie­hen, ggf. fi­nan­zi­elle Einbußen oder sons­tige für ihn nach­tei­lige Fol­gen hin­neh­men zu müssen. Bei dem hier zu be­ur­tei­len­den Bei­tritt als aty­pi­sch stil­ler Ge­sell­schaf­ter zu ei­ner Ka­pi­tal­an­la­ge­ge­sell­schaft ist von ei­ner sol­chen Si­tua­tion ins­be­son­dere dann aus­zu­ge­hen, wenn der An­le­ger be­reits eine ge­sell­schafts­recht­li­che Stel­lung er­langt hat, auf­grund de­rer ein Aus­tritt aus der Ge­sell­schaft nur noch nach den Grundsätzen der feh­ler­haf­ten Ge­sell­schaft möglich wäre.

 

Nach die­sen Grundsätzen, die einen "ge­si­cher­ten Be­stand­teil des Ge­sell­schafts­rechts" bil­den und auch für den feh­ler­haf­ten Bei­tritt zu ei­ner be­ste­hen­den, aty­pi­sch stil­len Ge­sell­schaft gel­ten, ist der Wi­der­ruf der Bei­tritts­erklärung bei einem be­reits in Voll­zug ge­setz­ten Ge­sell­schafts­ver­trag als außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu be­han­deln, die nicht zu ei­ner rück­wir­ken­den Be­sei­ti­gung der Ge­sell­schaf­ter­stel­lung führt. Von ei­ner In­voll­zug­set­zung i.S.d. Recht­spre­chung ist al­ler­dings erst dann aus­zu­ge­hen, wenn Recht­stat­sa­chen ge­schaf­fen wor­den sind, an de­nen die Rechts­ord­nung nicht vor­bei­ge­hen kann. Das ist der Fall, wenn der Bei­tre­tende Beiträge ge­leis­tet oder ge­sell­schafts­ver­trag­li­che Rechte ausgeübt hat. Einen Bei­trag hat der Kläger hier erst mit sei­ner Teil­zah­lung von 33.600 € am 13.11.2002 auf das Treu­hand­konto der Fonds­ge­sell­schaft er­bracht. Vor­her hatte er we­der Beiträge ge­leis­tet noch ge­sell­schafts­ver­trag­li­che Rechte ausgeübt. Da die Grundsätze der feh­ler­haf­ten Ge­sell­schaft für den Fall ei­nes Wi­der­rufs der Bei­tritts­erklärung mit­hin frühes­tens ab dem 13.11.2002 zur An­wen­dung ge­lan­gen konn­ten, ver­mochte der am 13.11.2012 ein­ge­reichte Güte­an­trag die Verjährung noch zu hem­men.

 

Link­hin­weis:

 

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