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Zur Prospekthaftung im weiteren Sinne

BGH 17.7.2018, II ZR 13/17

Es ent­spricht der Le­bens­er­fah­rung, dass ein Pro­spekt­feh­ler auch ohne Kennt­nis­nahme des Pro­spekts durch den An­le­ger für die An­la­ge­ent­schei­dung ursäch­lich wird, wenn der Pro­spekt ent­spre­chend dem Ver­triebs­kon­zept der Fonds­ge­sell­schaft von den An­la­ge­ver­mitt­lern als Ar­beits­grund­lage ver­wen­det wird, weil dann die An­le­ger auf an­dere als die im Pro­spekt ge­nann­ten Ri­si­ken nicht hin­ge­wie­sen wer­den konn­ten. Diese Grundsätze können aber nicht auf Ausführun­gen im Pro­spekt über­tra­gen wer­den, die un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Haf­tung we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen we­gen der In­an­spruch­nahme persönli­chen Ver­trau­ens durch einen Ver­tre­ter, Drit­ten oder Sach­wal­ter zu be­wer­ten sind.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin hatte sich im Ja­nuar 2009 mit 30.000 € an ei­ner Fonds­ge­sell­schaft be­tei­ligt. Sie er­hielt dar­auf­hin Aus­schüttun­gen i.H.v. ins­ge­samt 10.355 €. Ge­gen­stand der Fonds­ge­sell­schaft war der Er­werb, die Be­bau­ung, die Her­stel­lung, die lang­fris­tige Ver­wal­tung, Be­wirt­schaf­tung und Ver­mie­tung von lang­le­bi­gen Wirt­schafts- und In­ves­ti­ti­onsgütern, so­wie das lang­fris­tige Ein­ge­hen von Be­tei­li­gun­gen zu die­sem Zweck, ins­be­son­dere die Be­tei­li­gung an der H. GmbH & Co. Be­tei­li­gungs-KG. Diese war mit­tel­bar über die Ei­gentüme­rin an einem Büro­kom­plex mit ca. 75.000 m² Mietfläche be­ste­hend aus fünf Gebäudeflügeln und da­zu­gehöri­gen Tief­ga­ra­gen- und Außen­stellplätzen be­tei­ligt.

Der Kom­plex war zum Zeit­punkt der Pro­spek­ter­stel­lung im No­vem­ber 2008 zum Teil fer­tig­ge­stellt und zum Teil noch im Bau. Die Kläge­rin wurde bei einem Be­such von ei­ner Mit­ar­bei­te­rin der ehe­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1) auf die An­lage in dem Fonds an­ge­spro­chen. Die Be­klagte zu 2) war In­itia­to­rin, An­bie­te­rin, Ei­gen- und Fremd­ka­pi­tal­ver­mitt­le­rin des Fonds, sie hatte die Kon­zep­tion ent­wi­ckelt, ihr ob­lag die Ge­schäfts­be­sor­gung.

Im Pro­spekt aus No­vem­ber 2008 hieß es

- im Ka­pi­tel "In­ves­ti­ti­ons­ob­jekt" un­ter "An­zahl Pkw-Stellplätze": "Rund 600 Tief­ga­ra­gen-Stellplätze ..., rund 50 Außen­stellplätze ..., wei­tere Stellplätze in Pla­nung.",

- in Ka­pi­tel "An­la­ge­ziel und An­la­ge­po­li­tik": "Behörd­li­che Ge­neh­mi­gung Sämt­li­che zur Er­rei­chung der An­la­ge­ziele und der An­la­ge­po­li­tik er­for­der­li­chen behörd­li­chen Ge­neh­mi­gun­gen, lie­gen vor."

Bei Pro­spek­ter­stel­lung wa­ren be­reits 760 Stell­platzflächen ver­mie­tet, wo­bei 566 Tief­ga­ra­gen­stellplätze ge­neh­migt wa­ren und wei­tere 84 Tief­ga­ra­gen­stellplätze später ge­neh­migt wur­den. Bau­recht­lich ge­neh­mi­gungsfähig wa­ren ins­ge­samt nur 650 Stellplätze. Tatsäch­lich wur­den 1200 Tief­ga­ra­gen­stellplätze und 500 Außen­stellplätze er­rich­tet. Die wei­te­ren über die ge­neh­mi­gungsfähi­gen Stellplätze hin­aus­ge­hen­den Bau­anträge wur­den ab­ge­lehnt.

LG und OLG ha­ben die Be­klagte zu 2) ne­ben den ehe­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1) und 3) u.a. ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 21.144 € nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Ab­tre­tung al­ler An­sprüche aus dem Treu­hand­ver­trag zu zah­len. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten zu 2) hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:

Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt an­geführ­ten Begründung kann eine Haf­tung der Be­klag­ten zu 2) aus Pro­spekt­haf­tung im wei­te­ren Sinne als An­wen­dungs­fall der Haf­tung für Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nicht an­ge­nom­men wer­den.

Aus Pro­spekt­haf­tung im wei­te­ren Sinne haf­tet nur der­je­nige, der Ver­trags­part­ner des An­le­gers ge­wor­den ist oder hätte wer­den sol­len. Aus­nahms­weise kann da­ne­ben der für den Ver­trags­part­ner auf­tre­tende Ver­tre­ter, Ver­mitt­ler oder Sach­wal­ter in An­spruch ge­nom­men wer­den, wenn er im be­son­de­ren Maße Ver­trauen für sich in An­spruch ge­nom­men hat. Die Be­klagte zu 2) ist al­ler­dings nicht als Ver­tre­te­rin auf­ge­tre­ten und hat kei­nen un­mit­tel­ba­ren Kon­takt zur Kläge­rin ge­habt. Ne­ben dem feh­len­den persönli­chen Kon­takt hatte die Be­klag­ten zu 2) auch keine Stel­lung, nach der sie in eine Ver­trags­be­zie­hung zum An­le­ger trat, weil sie des­sen Bei­tritt im Na­men der Fonds­ge­sell­schaft zu be­wir­ken ge­habt hätte.

Die In­an­spruch­nahme be­son­de­ren persönli­chen Ver­trau­ens kann auch nicht dar­auf gestützt wer­den, dass der Fonds­pro­spekt Grund­lage des Be­ra­tungs­ge­sprächs der Kläge­rin mit der ehe­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1) ge­we­sen sei. Es ent­spricht der Le­bens­er­fah­rung, dass ein Pro­spekt­feh­ler auch ohne Kennt­nis­nahme des Pro­spekts durch den An­le­ger für die An­la­ge­ent­schei­dung ursäch­lich wird, wenn der Pro­spekt ent­spre­chend dem Ver­triebs­kon­zept der Fonds­ge­sell­schaft von den An­la­ge­ver­mitt­lern als Ar­beits­grund­lage ver­wen­det wird, weil dann die An­le­ger auf an­dere als die im Pro­spekt ge­nann­ten Ri­si­ken nicht hin­ge­wie­sen wer­den konn­ten. Diese Grundsätze können aber nicht auf Ausführun­gen im Pro­spekt über­tra­gen wer­den, die un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Haf­tung we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen we­gen der In­an­spruch­nahme persönli­chen Ver­trau­ens durch einen Ver­tre­ter, Drit­ten oder Sach­wal­ter zu be­wer­ten sind. Es kann nach der Le­bens­er­fah­rung nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sol­che Erklärun­gen im Pro­spekt in das Aufklärungs­ge­spräch ein­ge­flos­sen sind und die An­la­ge­ent­schei­dung be­ein­flusst ha­ben.

Auch eine Haf­tung der Be­klag­ten zu 2) we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen als Dritte, die nicht Ver­trags­part­ner selbst wer­den sollte, we­gen ei­nes ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen In­ter­es­ses am Ver­trags­schluss schei­det aus. Un­be­scha­det des­sen, dass die Be­klagte nicht ge­genüber der Kläge­rin als Ver­tre­te­rin auf­ge­tre­ten ist, reicht der in­so­weit von der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung gel­tend ge­machte Um­stand, dass die Be­klagte zu 2) Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin der Gründungs­ge­sell­schaf­ter der Fonds­ge­sell­schaft ge­we­sen sei, zur Begründung ei­ner Haf­tung nach § 311 Abs. 2 oder Abs. 3 BGB we­gen wirt­schaft­li­chen Ei­gen­in­ter­es­ses nicht aus. das Glei­che gilt für die vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­spro­chene, von ihm für möglich ge­hal­tene Haf­tung der Be­klag­ten zu 2) aus Ver­trag mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter bzw. ei­nes Ver­tra­ges zu Guns­ten Drit­ter. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die im Ver­fah­ren an­ge­spro­chene de­lik­ti­sche Haf­tung der Be­klag­ten zu 2) bis­lang je­doch of­fen­ge­las­sen und hat de­ren Prüfung nach­zu­ho­len.

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