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Steuerberatung

Verfassungsmäßigkeit der Abzugs- und Rücktragsbeschränkung für Spenden

FG Münster v. 27.8.2020 - 5 K 3940/18 E,F

Die Vor­schrift des § 10b Abs. 1 Sätze 9 und 10 EStG in der im Jahr 2016 gülti­gen Fas­sung ist nach Über­zeu­gung des er­ken­nen­den Se­nats mit Art. 3 GG ver­ein­bar. Dass § 10b Abs. 1 EStG nicht je­dem Ein­zel­sach­ver­halt ge­recht wird und da­mit auch nicht der vor­lie­gen­den Sach­ver­halts­be­son­der­heit, bei der die beim Rechts­vorgänger noch nicht als Son­der­aus­ga­ben berück­sich­tig­ten Zu­wen­dun­gen nach des­sen Tod we­gen feh­len­der Rück­tragsmöglich­keit endgültig keine Berück­sich­ti­gung mehr fin­den können, wi­der­spricht nicht dem Gleich­heits­grund­satz.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist Ge­samt­rechts­nach­fol­ger sei­ner im April 2018 ver­stor­be­nen Tante. Diese hatte in ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2016 u.a. Spen­den und Mit­glieds­beiträge zur Förde­rung steu­er­begüns­tig­ter Zwecke i.H.v. 7.820 € erklärt. Am 1.2.2018 reichte sie wei­tere Spen­den­quit­tun­gen nach, so dass sich die Spen­den und Mit­glieds­beiträge i.S.v. § 10b Abs. 1 EStG auf ins­ge­samt 10.390 € be­lie­fen.

Am 27.03.2018 er­ließ das Fi­nanz­amt den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2016 gleich­zei­tig mit einem Be­scheid über die ge­son­der­ten Fest­stel­lun­gen von Be­steue­rungs­grund­la­gen, die im Zu­sam­men­hang mit der Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung durch­zuführen sind. Die nach § 10b EStG gel­tend ge­mach­ten Beträge (die o.g. Spen­den und Mit­glieds­beiträge) er­kannte es an und ließ sie bei der Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung gem. § 10b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 20% des Ge­samt­be­trags der Einkünfte, also i.H.v. 9.960 € zum Ab­zug zu. Die Behörde stellte den ver­blei­ben­den Zu­wen­dungs­vor­trag nach § 10b Abs. 1 EStG auf den 31.12.2016 i.H.v. 38.055 € fest. Die­ser er­rech­nete sich wie folgt: Ver­blei­ben­der Zu­wen­dungs­vor­trag zum 31.12.2015 i.H.v. 37.625 € zzgl. in 2016 ge­leis­tete Zu­wen­dun­gen nach § 10b EStG i.H.v. 10.390 € abzüglich für 2016 ab­ge­zo­gene Zu­wen­dun­gen i.H.v. 9.960 €.

Später ergänzte das Fi­nanz­amt un­ter Hin­weis auf das BFH-Ur­teil Az.: X R 44/05, dass seit der Ände­rung der Rechts­lage ab dem Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2007 steu­er­lich nicht berück­sich­tigte Zu­wen­dun­gen nur noch vor­ge­tra­gen wer­den könn­ten. Ein Zu­wen­dungsrück­trag sei hin­ge­gen nicht mehr möglich. Da die Zu­wen­dun­gen bis zum Tod der Tante nicht mehr in vol­ler Höhe hätten ab­ge­zo­gen wer­den können, sei der nicht auf­ge­brauchte Zu­wen­dungs­vor­trag da­mit ver­lo­ren, weil er nicht auf den Er­ben über­ge­hen könne. Der Kläger ver­trat hin­ge­gen die Auf­fas­sung, dass darin ein nicht hin­nehm­ba­rer Wer­tungs­wi­der­spruch und eine Un­gleich­be­hand­lung ge­genüber dem prak­ti­sch freien Wahl­recht für Ver­lust­abzüge nach § 10d EStG 2018 liege.

Das FG wies die Klage auf Fest­stel­lung, dass auf den 31.12.2016 ein un­be­grenzt rück­tragsfähi­ger Zu­wen­dungsüber­schuss i.H.v. 38.055 € fest­ge­stellt wird, ab.

Die Gründe:
Die Vor­schrift des § 10b Abs. 1 Sätze 9 und 10 EStG in der im Jahr 2016 gülti­gen Fas­sung ist nach Über­zeu­gung des er­ken­nen­den Se­nats mit Art. 3 GG ver­ein­bar.

Der er­ken­nende Se­nat teilt die Auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes, dass die Ge­genüber­stel­lung von Ver­lus­ten und Zu­wen­dun­gen keine ge­eig­ne­ten Ver­gleichs­grup­pen dar­stel­len. Ein­zige Ge­mein­sam­keit ist die steu­er­li­che Ab­zugsfähig­keit von Ver­lus­ten und Zu­wen­dun­gen. Im Übri­gen han­delt es sich je­doch um gänz­lich un­ter­schied­li­che Sach­ver­halte. Ver­luste sind er­werbs­be­dingte Auf­wen­dun­gen, die dem ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zip zu­zu­rech­nen sind, wo­hin­ge­gen Zu­wen­dun­gen dem sub­jek­ti­ven Net­to­prin­zip zu­ge­rech­net wer­den. Bei Zu­wen­dun­gen han­delt es sich im Ge­gen­satz zu Ver­lus­ten um frei­wil­lig ge­tra­gene Auf­wen­dun­gen.

Dass § 10b Abs. 1 EStG nicht je­dem Ein­zel­sach­ver­halt ge­recht wird und da­mit auch nicht der vor­lie­gen­den Sach­ver­halts­be­son­der­heit, bei der die beim Rechts­vorgänger noch nicht als Son­der­aus­ga­ben berück­sich­tig­ten Zu­wen­dun­gen nach des­sen Tod we­gen feh­len­der Rück­tragsmöglich­keit endgültig keine Berück­sich­ti­gung mehr fin­den können, wi­der­spricht eben­falls nicht dem Gleich­heits­grund­satz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Ge­setz­ge­ber darf nämlich bei der Aus­ge­stal­tung der mit der Wahl des Steu­er­ge­gen­stan­des ge­trof­fe­nen Be­las­tungs­ent­schei­dung ge­ne­ra­li­sie­rende, ty­pi­sie­rende und pau­scha­lie­rende Re­ge­lun­gen tref­fen, ohne al­lein schon we­gen der da­mit un­ver­meid­lich ver­bun­de­nen Härten ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz zu ver­stoßen. Bei der Ord­nung von Mas­sen­er­schei­nun­gen ist er be­rech­tigt, die Viel­zahl von Ein­zelfällen in dem Ge­samt­bild zu er­fas­sen, das nach den ihm vor­lie­gen­den Er­fah­run­gen die re­ge­lungs­bedürf­ti­gen Sach­ver­halte zu­tref­fend wie­der­gibt.

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