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attac: Kein allgemeinpolitisches Mandat für gemeinnützige Körperschaften

BFH v. 10.1.2019 - V R 60/17

Wer po­li­ti­sche Zwecke durch Ein­fluss­nahme auf po­li­ti­sche Wil­lens­bil­dung und Ge­stal­tung der öff­ent­li­chen Mei­nung ver­folgt, erfüllt kei­nen ge­meinnützi­gen Zweck i.S. von § 52 AO. Ge­meinnützige Körper­schaf­ten ha­ben kein all­ge­mein­po­li­ti­sches Man­dat; sie dürfen sich in die­ser Weise nur betäti­gen, wenn dies der Ver­fol­gung ei­nes der in § 52 Abs. 2 AO ausdrück­lich ge­nann­ten Zwecke dient.

Der Sach­ver­halt:

Der seit 2003 im Ver­eins­re­gis­ter ein­ge­tra­gene Kläger ver­folgte nach sei­ner im No­vem­ber 2010 geänder­ten Sat­zung fol­gende Ziele: "Förde­rung von Bil­dung, Wis­sen­schaft und For­schung, die Förde­rung des Schut­zes der Um­welt und des Ge­mein­we­sens, der De­mo­kra­tie und der So­li­da­rität un­ter be­son­de­rer Berück­sich­ti­gung der öko­no­mi­schen und ge­sell­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen der Glo­ba­li­sie­rung. Der Ver­ein fördert die Völker­verständi­gung und den Frie­den." Der Kläger ist nach sei­ner Sat­zung zu­dem "in Träger­schaft des Netz­werks" at­tac tätig.

Der Kläger be­fasste sich in den Streit­jah­ren 2010 bis 2012 öff­ent­lich­keits­wirk­sam mit zahl­rei­chen The­men. Hierzu gehörten u.a. die Fi­nanz- und Wirt­schafts­krise, die Be­steue­rung von Fi­nanzmärk­ten, die Um­ver­tei­lung von Reich­tum, Spe­ku­la­tion mit Le­bens­mit­teln, Ara­bi­scher Frühling, Anti-Atom-Be­we­gung, un­be­ding­tes Grund­ein­kom­men, Kli­ma­schutz und al­ter­na­tive For­men des Le­bens und Wirt­schaf­ten. Das Fi­nanz­amt ver­sagte dem Kläger in den Be­schei­den u.a. über Körper­schaft­steuer, So­li­da­ritätszu­schlag und Ge­wer­be­steu­er­mess­beträge die Ge­meinnützig­keit.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Die Gründe:

Ge­meinnützig ist im Steu­er­recht die Ver­fol­gung der in § 52 AO ausdrück­lich ge­nann­ten Zwecke. Hierzu gehört nicht die Ver­fol­gung po­li­ti­scher Zwecke. Al­ler­dings dürfen sich Körper­schaf­ten nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung zur Förde­rung ih­rer nach § 52 AO steu­er­begüns­tig­ten sat­zungsmäßigen Zwecke in ge­wis­sen Gren­zen auch betäti­gen, um z.B. zur Förde­rung des Um­welt­schut­zes Ein­fluss auf die po­li­ti­sche Wil­lens­bil­dung und die öff­ent­li­che Mei­nung zu neh­men.

Das FG ist vor­lie­gend zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die nach § 52 AO steu­er­begüns­tigte Förde­rung der Volks­bil­dung eine Betäti­gung in be­lie­bi­gen Po­li­tik­be­rei­chen zur Durch­set­zung ei­ge­ner po­li­ti­scher Vor­stel­lun­gen ermögli­che. Viel­mehr ist für die zur Volks­bil­dung gehörende po­li­ti­sche Bil­dung we­sent­lich, po­li­ti­sche Wahr­neh­mungsfähig­keit und po­li­ti­sches Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein zu fördern. Da­bei können auch Lösungs­vor­schläge für Pro­blem­fel­der der Ta­ges­po­li­tik er­ar­bei­tet wer­den. Po­li­ti­sche Bil­dungs­ar­beit setzt aber ein Han­deln in geis­ti­ger Of­fen­heit vor­aus. Da­her ist eine Tätig­keit, die dar­auf ab­zielt, die po­li­ti­sche Wil­lens­bil­dung und die öff­ent­li­che Mei­nung im Sinne ei­ge­ner Auf­fas­sun­gen zu be­ein­flus­sen, nicht als po­li­ti­sche Bil­dungs­ar­beit ge­meinnützig.

Vor­lie­gend geht es nicht um die in­halt­li­che Be­rech­ti­gung der von at­tac er­ho­be­nen For­de­run­gen. Ent­schei­dungs­er­heb­lich ist viel­mehr, in­wie­weit sich Ver­eine un­ter In­an­spruch­nahme der steu­er­recht­li­chen Förde­rung der Ge­meinnützig­keit po­li­ti­sch betäti­gen dürfen. Der Kläger ist als at­tac-Träger­ver­ein nicht im Rah­men ge­meinnützi­ger Bil­dungs­ar­beit be­rech­tigt, For­de­run­gen zur Ta­ges­po­li­tik bei "Kam­pa­gnen" zu ver­schie­de­nen The­men öff­ent­lich­keits­wirk­sam zu er­he­ben, um so die po­li­ti­sche Wil­lens­bil­dung und die öff­ent­li­che Mei­nung zu be­ein­flus­sen. Da­bei ging es hier z.B. um ein Spar­pa­ket der Bun­des­re­gie­rung, die Fi­nanz­trans­ak­tio­nen­steuer, die Bekämp­fung der Steu­er­flucht, ein Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men, ein Bahn­pro­jekt, die wöchent­li­che Ar­beits­zeit oder das sog. be­din­gungs­lose Grund­ein­kom­men.

Die Sa­che war an das FG zurück­zu­ver­wei­sen. Das FG hat nicht fest­ge­stellt, ob die für die Ge­meinnützig­keit un­zulässi­gen Betäti­gun­gen dem Kläger selbst oder an­de­ren Mit­glie­dern der at­tac-Be­we­gung zu­zu­rech­nen sind. Dies ist in einem zwei­ten Rechts­gang nach­zu­ho­len. Da­bei hat das FG auch die Selbst­dar­stel­lung des Klägers auf sei­ner In­ter­net­seite zu berück­sich­ti­gen. Ein Ver­lust der Ge­meinnützig­keit führt ins­be­son­dere dazu, dass keine Spen­den­be­schei­ni­gun­gen (Bestäti­gun­gen über nach § 10b Abs. 1 EStG als Son­der­aus­ga­ben ab­zieh­bare Zu­wen­dun­gen) aus­ge­stellt wer­den dürfen. Der endgültige Aus­gang des Ver­fah­rens kann auch für die steu­er­recht­li­che Be­ur­tei­lung des Klägers in Fol­ge­jah­ren von Be­deu­tung sein.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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