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Unzulässige Abschalteinrichtung: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung

OLG Saarbrücken v. 14.2.2020 - 2 U 128/19

In dem In­ver­kehr­brin­gen ei­nes mit ei­ner un­zulässi­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­gerüste­ten und da­mit man­gel­be­haf­te­ten Mo­tors ist eine vorsätz­li­che sit­ten­wid­rige Schädi­gung der Er­wer­ber ent­spre­chen­der Fahr­zeuge iSv § 826 BGB zu se­hen.

Der Sach­ver­halt:
Die Käuferin ei­nes VW Polo Blu­eMo­tion 1,2 l TDI machte gggü. der Volks­wa­gen AG als Her­stel­le­rin des Fahr­zeugs Scha­dens­er­satz gel­tend. Die Kläge­rin hatte das Fahr­zeug im Jahr 2010 zu einem Kauf­preis von 18.445 € ein­schließlich Überführungs- und Zu­las­sungs­kos­ten bei einem Au­to­haus er­wor­ben. In das Fahr­zeug ist her­stel­ler­seits ein Die­sel­mo­tor der Bau­reihe EA 189 ein­ge­baut, der nach Auf­fas­sung des Kraft­fahrt-Bun­des­amts bis zu der zwi­schen­zeit­lich er­folg­ten In­stal­la­tion ei­nes Soft­ware-Up­dates über eine un­zulässige Ab­schalt­ein­rich­tung verfügte. Un­ter Hin­weis dar­auf, dass sie das Fahr­zeug nicht ge­kauft hätte, wenn sie von dem Ein­bau ei­ner un­zulässi­gen Ab­schalt­ein­rich­tung Kennt­nis ge­habt hätte, hat die Kläge­rin die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­gabe des Fahr­zeugs so­wie Er­stat­tung von ihr für das Fahr­zeug ent­stan­de­nen Kos­ten (ins­be­son­dere War­tungs- und In­spek­ti­ons­kos­ten) ver­langt.

Das LG hat der Klage teil­weise - hin­sicht­lich der Haupt­for­de­rung in Höhe ei­nes Be­tra­ges von 12.109,74 € Zug um Zug ge­gen Rück­gabe des Fahr­zeugs - statt­ge­ge­ben und hat einen ent­spre­chen­den Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­gen die Be­klagte auf das Vor­lie­gen ei­ner sit­ten­wid­ri­gen Schädi­gung gestützt. Al­ler­dings müsse sich die Kläge­rin die ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen an­spruchskürzend an­rech­nen las­sen. Ge­gen das Ur­teil des LG ha­ben sich beide Par­teien mit wech­sel­sei­tig ein­ge­leg­ten Be­ru­fun­gen ge­wen­det, die im We­sent­li­chen kei­nen Er­folg hat­ten. Im Hin­blick auf die grundsätz­li­che Be­deu­tung der Sa­che und den Um­stand, dass zu den hier re­le­van­ten Rechts­fra­gen in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung teil­weise un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen ver­tre­ten wer­den, hat der Se­nat die Re­vi­sion zum BGH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Es be­steht ein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Kläge­rin ge­gen die Be­klagte aus § 826 BGB (sit­ten­wid­rige vorsätz­li­che Schädi­gung). In dem In­ver­kehr­brin­gen ei­nes mit ei­ner un­zulässi­gen Ab­schalt­ein­rich­tung aus­gerüste­ten und da­mit man­gel­be­haf­te­ten Mo­tors ist eine arg­lis­tige Täuschung po­ten­ti­el­ler Er­wer­ber ent­spre­chen­der Fahr­zeuge zu se­hen. Hierin liegt nämlich die kon­klu­dente - al­ler­dings tatsäch­lich nicht zu­tref­fende - Erklärung, dass die Fahr­zeuge ent­spre­chend ih­rem ob­jek­ti­ven Ver­wen­dungs­zweck im Straßenver­kehr ein­ge­setzt wer­den können und über eine Be­triebs­er­laub­nis verfügen, de­ren Fort­be­stand nicht auf Grund (ver­steck­ter) kon­struk­ti­ver Ei­gen­schaf­ten der Fahr­zeug­mo­to­ren gefähr­det ist. Aus dem Um­stand der Ver­heim­li­chung des Ein­sat­zes der Soft­ware so­wohl ggü. den zuständi­gen Behörden als auch ggü. po­ten­ti­el­len Kun­den lässt sich schließen, dass die ver­ant­wort­li­chen Mit­ar­bei­ter in der Vor­stel­lung ge­han­delt ha­ben, dass der Ein­satz der Soft­ware im Falle des Be­kannt­wer­dens zu Schwie­rig­kei­ten hin­sicht­lich der Typ­ge­neh­mi­gung und der wei­te­ren Be­triebs­zu­las­sung der ent­spre­chend aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeuge führen werde. Ein sol­ches Vor­ge­hen ist als sit­ten­wid­rig zu be­wer­ten, zu­mal die Täuschung of­fen­sicht­lich nur dazu ge­dient ha­ben kann, un­ter Aus­nut­zung der Fehl­vor­stel­lung po­ten­ti­el­ler Kun­den hohe Ab­satz­zah­len zu er­rei­chen, durch Kos­ten­sen­kung eine Ge­winn­ma­xi­mie­rung zu er­zie­len und sich Wett­be­werbs­vor­teile zu si­chern.

Der der Kläge­rin ent­stan­dene Scha­den be­steht darin, dass der ab­ge­schlos­sene Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug nicht ih­ren be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen ent­spro­chen hat. Die­ser Scha­den ist da­durch zu er­set­zen, dass die Be­klagte der Kläge­rin ge­gen Rück­nahme des Fahr­zeugs den Kauf­preis er­stat­tet. In die­sem Zu­sam­men­hang muss sich die Kläge­rin al­ler­dings die Vor­teile, die sie durch die mehrjährige Nut­zung des Fahr­zeugs er­langt hat, an­rech­nen las­sen. Ein An­spruch auf Er­stat­tung von Kos­ten für In­spek­ti­ons- und War­tungs­ar­bei­ten be­steht nicht, da diese keine un­mit­tel­bare Folge des "un­ge­woll­ten" Ver­trags­schlus­ses über das streit­ge­genständ­li­che Fahr­zeug sind, son­dern der im Wege des Vor­teils­aus­gleichs an­zu­rech­nen­den un­ein­ge­schränk­ten Nut­zung des Fahr­zeugs durch die Kläge­rin ge­dient ha­ben.

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