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Steuerberatung

Umsatzsteuerpflicht für Gutachtertätigkeit im Auftrag des MDK?

BFH v. 10.4.2019 - XI R 11/17

Es ist zwei­fel­haft, ob die nach na­tio­na­lem Recht be­ste­hende Um­satz­steu­er­pflicht für Gut­ach­ten, die eine Kran­ken­schwes­ter zur Fest­stel­lung der Pfle­ge­bedürf­tig­keit im Auf­trag des Me­di­zi­ni­schen Diensts der Kran­ken­ver­si­che­rung (MDK) er­bringt, mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar ist. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richt­li­nie 2006/112/EG de­fi­niert nicht, was un­ter den Be­griff "eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit" ver­bun­de­nen Umsätzen zu fas­sen ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine Kran­ken­schwes­ter mit me­di­zi­ni­scher Grund­aus­bil­dung und aka­de­mi­scher Aus­bil­dung im Be­reich der Pfle­ge­wis­sen­schaft so­wie ei­ner Wei­ter­bil­dung in Pflege-Qua­litätsma­nage­ment. Zu ih­rem Un­ter­neh­men gehörte auch eine steu­er­pflich­tige Un­ter­richtstätig­keit als Leh­re­rin für Pflege. In den Streit­jah­ren 2012 bis 2014 hatte sie für den Me­di­zi­ni­schen Dienst der Kran­ken­ver­si­che­rung (MDK) Nie­der­sach­sen (Auf­trag­ge­ber) Gut­ach­ten zur Pfle­ge­bedürf­tig­keit von Pa­ti­en­ten er­stellt. Die Leis­tun­gen rech­nete der MDK mo­nat­lich ab, wo­bei er keine Um­satz­steuer aus­wies. Die Umsätze aus der Gut­ach­tertätig­keit erklärte die Kläge­rin als steu­er­frei, nahm je­doch den Vor­steu­er­ab­zug aus al­len Ein­gangs­leis­tun­gen un­gekürzt in An­spruch.

Nach Auf­fas­sung des Fi­nanz­amts war diese Tätig­keit we­der nach na­tio­na­lem Recht noch nach Uni­ons­recht um­satz­steu­er­frei. Das FG gab der Klage zum über­wie­gen­den Teil statt. Es führte im We­sent­li­chen aus, die Er­stel­lung von Pfle­ge­gut­ach­ten sei als "eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­dene Leis­tung" un­ter un­mit­tel­ba­rer Be­ru­fung auf das Uni­ons­recht steu­er­frei. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hat der BFH das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und den EuGH um Klärung ge­be­ten, ob die Tätig­keit der Kläge­rin dem An­wen­dungs­be­reich des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richt­li­nie 2006/112/EG des Ra­tes vom 28.11.2006 über das ge­mein­same Mehr­wert­steu­er­sys­tem (Richt­li­nie 2006/112/EG) un­terfällt?

Gründe:
Der Se­nat hat Zwei­fel, ob die nach na­tio­na­lem Recht be­ste­hende Um­satz­steu­er­pflicht für Gut­ach­ten, die eine Kran­ken­schwes­ter zur Fest­stel­lung der Pfle­ge­bedürf­tig­keit im Auf­trag des MDK er­bringt, mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar ist.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richt­li­nie 2006/112/EG sind eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­dene Dienst­leis­tun­gen und Lie­fe­run­gen von Ge­genständen, ein­schließlich der­je­ni­gen, die durch Al­ten­heime, Ein­rich­tun­gen des öff­ent­li­chen Rechts oder an­dere von dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat als Ein­rich­tun­gen mit so­zia­lem Cha­rak­ter an­er­kannte Ein­rich­tun­gen be­wirkt wer­den, steu­er­frei. Die Vor­schrift de­fi­niert al­ler­dings nicht, was un­ter den Be­griff "eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit" ver­bun­de­nen Umsätzen zu fas­sen ist.

Da die Leis­tungs­gewährung der Pfle­ge­kasse zur So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit gehört und die Leis­tung der Kläge­rin der Vor­be­rei­tung die­ser Leis­tungs­gewährung dient, soll mit dem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zunächst geklärt wer­den, ob die Gut­ach­tertätig­keit ein eng mit der So­zi­alfürsorge und der so­zia­len Si­cher­heit ver­bun­de­ner Um­satz ist, auch wenn sie nicht ge­genüber dem Hilfs­bedürf­ti­gen, son­dern an eine Per­son er­bracht wird, die sie benötigt, um seine ei­gene Leis­tung an den Pa­ti­en­ten oder Hilfs­bedürf­ti­gen zu er­brin­gen. Ist dies zu be­ja­hen, wird wei­ter zu klären sein, wel­che An­for­de­run­gen an die un­ter­neh­mer­be­zo­gene An­er­ken­nung als Ein­rich­tung mit so­zia­lem Cha­rak­ter zu stel­len sind, die der Se­nat nach der Richt­li­nie als für die Steu­er­frei­heit er­for­der­lich an­sieht. Diese könnte aus der Stel­lung als Sub­un­ter­neh­mer, aus ei­ner pau­scha­len Über­nahme der Kos­ten durch Kran­ken- und Pfle­ge­kas­sen oder aus Ver­trags­be­zie­hun­gen ab­zu­lei­ten sein.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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