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Steuerberatung

Umsatzsteuer: Korrektur unzutreffender Rechtsanwendung beim Bauträger

BFH 27.9.2018, V R 49/17

Ist ein Bauträger rechts­ir­rig da­von aus­ge­gan­gen, als Leis­tungs­empfänger Steu­er­schuld­ner für von ihm be­zo­gene Bau­leis­tun­gen zu sein, kann er das Ent­fal­len die­ser rechts­wid­ri­gen Be­steue­rung ohne Ein­schränkung gel­tend ma­chen. Da­mit ver­wirft der eine Ver­wal­tungs­an­wei­sung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Fi­nan­zen (BMF). Die Ent­schei­dung des BFH be­trifft na­hezu die ge­samte Bauträger­bran­che, die in der Ver­gan­gen­heit Woh­nun­gen ohne Vor­steu­er­ab­zug er­rich­tet und um­satz­steu­er­frei ver­kauft ("ge­lie­fert") hat.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin hatte in den Streit­jah­ren 2011 bis 2013 Gebäude er­rich­tet. Ganz über­wie­gend veräußerte sie diese an­schließend an Dritte. Diese Umsätze un­ter­fie­len der Steu­er­be­frei­ung gem. § 4 Nr. 9 a UStG. Im ge­rin­gen Um­fang be­hielt sie Gebäude­teile für sich und ver­mie­tete sie steu­er­frei. Für die Er­rich­tung der Gebäude be­zog die Kläge­rin Bau­leis­tun­gen von im In­land ansässi­gen Drit­ten, die mit ihr übe­rein­stim­mend da­von aus­gin­gen, dass sie, die Kläge­rin, als Leis­tungs­empfänge­rin Steu­er­schuld­ne­rin sei, und ihr Net­to­rech­nun­gen stell­ten.

In ih­ren Steu­er­erklärun­gen für die Streit­jahre erklärte die Kläge­rin dem­ent­spre­chend Steuer nach § 13b UStG. Diese Erklärun­gen führ­ten zu Fest­set­zun­gen un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung. Im Juni 2016 hob das Fi­nanz­amt je­weils den Vor­be­halt der Nachprüfung auf. Hier­ge­gen wandte sich die Kläge­rin mit der Begründung, nach dem BFH-Ur­teil vom 22.8.2013, Az.: V R 37/10 sei sie nicht Steu­er­schuld­ne­rin.

Das FG gab der Klage statt. Im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren machte das Fi­nanz­amt u.a. gel­tend, die Kläge­rin ver­halte sich treu­wid­rig, wenn sie Er­stat­tung be­gehre, ohne an den Leis­ten­den zu zah­len. Dies er­gebe sich auch aus dem BMF-Schrei­ben vom 26.7.2017 (BStBl I 2017, 1001, Rz 15a). Nach dem Neu­tra­litätsprin­zip sei eine un­ge­recht­fer­tigte Be­rei­che­rung zu ver­mei­den. Zu be­ach­ten sei auch die BFH-Recht­spre­chung, nach der es bei § 14c Abs. 1 S. 2 UStG für das Ent­fal­len der Steu­er­schuld zur Ver­mei­dung ei­ner un­ge­recht­fer­tig­ten Be­rei­che­rung auf eine Rück­zah­lung überhöht aus­ge­wie­se­ner Steu­er­beträge an­komme. Der BFH hat die Re­vi­sion der Behörde als un­begründet zurück­ge­wie­sen.

Gründe:

Wie zwi­schen den Be­tei­lig­ten un­strei­tig ist, war die Kläge­rin nicht Steu­er­schuld­ne­rin nach § 13b UStG. Hat ein Bauträger auf­grund der rechts­ir­ri­gen An­nahme sei­ner Steu­er­schuld als Leis­tungs­empfänger für von ihm be­zo­gene Bau­leis­tun­gen nach § 13b UStG ver­steu­ert, kann er das Ent­fal­len die­ser rechts­wid­ri­gen Be­steue­rung gel­tend ma­chen, ohne dass es dar­auf an­kommt, dass er einen ge­gen ihn ge­rich­te­ten Nach­for­de­rungs­an­spruch des leis­ten­den Un­ter­neh­mers erfüllt oder die Möglich­keit für eine Auf­rech­nung durch das Fi­nanz­amt be­steht.

Die Fi­nanz­ver­wal­tung ist hier über einen mehrjähri­gen Zeit­raum bis zum Fe­bruar 2014 da­von aus­ge­gan­gen, dass die Bauträger Steu­er­schuld­ner für die von ih­nen be­zo­ge­nen Bau­leis­tun­gen seien. Diese Ver­wal­tungs­pra­xis hat der BFH be­reits mit Ur­teil vom 22.8.13, Az.: V R 37/10 ver­wor­fen. Vor­dergründig eröff­nete sich da­durch die Möglich­keit ei­nes Woh­nungs­baus ohne Um­satz­steu­er­be­las­tung: Bau­un­ter­neh­mer konn­ten im Hin­blick auf die ausdrück­li­che Wei­sungs­lage der Fi­nanz­ver­wal­tung dar­auf ver­trauen, die von ih­nen er­brach­ten Bau­leis­tun­gen nicht ver­steu­ern zu müssen - der Bauträger war ent­ge­gen der An­nahme der Fi­nanz­ver­wal­tung nach der BFH-Recht­spre­chung von vorn­her­ein kein Steu­er­schuld­ner. Der Ge­setz­ge­ber hat hier­auf im Jahr 2014 mit ei­ner Neu­re­ge­lung rea­giert, die seit­dem die Steu­er­schuld­ner­schaft im Bau­be­reich ein­deu­tig re­gelt. Zu­dem wurde der Ver­trau­ens­schutz beim Bau­un­ter­neh­mer für die Ver­gan­gen­heit ge­setz­lich ein­ge­schränkt. Letz­te­res hat der BFH be­reits im We­sent­li­chen ge­bil­ligt (Urt. v. 23.2.2017, Az.: V R 16, 24/16).

Un­geklärt war bis­lang, ob die Fi­nanz­ver­wal­tung zur Ver­hin­de­rung von Steu­er­ausfällen, die in ein­stel­li­ger Mil­li­ar­denhöhe befürch­tet wer­den, be­rech­tigt ist, Er­stat­tungs­ver­lan­gen der Bauträger für Leis­tungs­bezüge bis zum Fe­bruar 2014 nur nach­zu­kom­men, wenn der Bauträger Um­satz­steuer an den leis­ten­den Bau­un­ter­neh­mer nach­zahlt oder für die Fi­nanz­ver­wal­tung eine Auf­rech­nungsmöglich­keit ge­gen den Bauträger be­steht (so BMF-Schrei­ben vom 26.7.2017 (BStBl I 2017, 1001, Rz 15a). Diese Ein­schränkun­gen hält der Se­nat al­ler­dings für rechts­wid­rig.

Zen­trale Streit­frage war da­bei, ob der Bauträger treu­wid­rig han­delt, wenn er von sei­nem Fi­nanz­amt die Rückgängig­ma­chung der bei ihm rechts­wid­rig vor­ge­nom­me­nen Be­steue­rung ver­langt, ohne Um­satz­steuer an die Bau­un­ter­neh­mer zu zah­len, von de­nen er Bau­leis­tun­gen be­zo­gen hat. Dies ist zu ver­nei­nen. Die An­nahme ei­nes treu­wid­ri­gen Ur­teils kommt da­nach nicht in Be­tracht, wenn die Fi­nanz­ver­wal­tung auf­grund ei­ner recht­li­chen Fehl­be­ur­tei­lung die ent­schei­dende Ur­sa­che für eine un­zu­tref­fende Be­steue­rung ge­setzt hat.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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