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Steuerberatung

EuGH: Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Organschaftsregelung - viel Lärm um nichts?

Der EuGH ist in zwei Ver­fah­ren zur um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft der Emp­feh­lung der Ge­ne­ral­anwältin nicht ge­folgt und hat ent­schie­den, dass die deut­schen Re­ge­lun­gen grundsätz­lich mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar sind.

Worum ging es?

Auf­grund zweier EuGH-Vor­la­ge­be­schlüsse der bei­den mit Um­satz­steuer be­fass­ten Se­nate des BFH stand die deut­sche Re­ge­lung zur um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft auf dem Prüfstand (siehe un­ser News­let­ter vom 28.08.2020). Im Raum stand so­gar, dass Or­gankreise ge­ge­be­nen­falls die ge­samte in der Ver­gan­gen­heit an die Fi­nanz­ver­wal­tung ent­rich­tete Um­satz­steuer hätten zurück­for­dern können.

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In den Schlus­santrägen der Ge­ne­ral­anwältin Me­dina zwei­felte diese die Ver­ein­bar­keit der deut­schen Re­ge­lung zur um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft mit dem Ge­mein­schafts­recht an (vgl. Schlus­santräge vom 13.01.2022, Rs. C-141/20 und vom 27.01.2022, Rs. C-269/20, so­wie un­ser News­let­ter vom 03.02.2022).

Zu­dem rückte ne­ben der Frage der ge­ne­rel­len EU-Kon­for­mität der deut­schen Or­gan­schafts­re­ge­lung nach den Schlus­santrägen der Ge­ne­ral­anwältin die Frage der Steu­er­bar­keit von In­nen­umsätzen im Or­gankreis noch in den Fo­kus.

EuGH: Der Organträger kann als alleiniger Steuerschuldner für den Organkreis bestimmt werden

In sei­nen Ur­tei­len mit Da­tum vom 01.12.2022 (Rs. C‑141/20, Nord­deut­sche Ge­sell­schaft für Dia­ko­nie mbH und Rs. C‑269/20, Fi­nanz­amt T) ist der EuGH dem Schlus­san­trag der Ge­ne­ral­anwältin nicht ge­folgt und bestätigt darin viel­mehr die grundsätz­li­che Ver­ein­bar­keit der na­tio­na­len Re­ge­lung zur um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft mit dem Uni­ons­recht. Er sieht kei­nen An­lass für eine re­strik­tive An­wen­dung des Ge­mein­schafts­rechts.

In den nun­mehr er­gan­ge­nen bei­den Ur­tei­len ent­schied der EuGH, dass die vor­lie­gende deut­sche Re­ge­lung, nach der ein Or­ganträger zum ein­zi­gen um­satz­steu­er­li­chen Steu­er­pflich­ti­gen ei­ner Gruppe be­stimmt wird, ge­mein­schafts­recht­lich zulässig ist.

Die ge­mein­schafts­recht­li­che Vor­schrift, wo­nach meh­rere Steu­er­pflich­tige bei ent­spre­chen­der fi­nan­zi­el­ler, wirt­schaft­li­cher und or­ga­ni­sa­to­ri­scher Ver­bin­dung zu­sam­men als ein Steu­er­pflich­ti­ger be­han­delt wer­den können, ver­langt nicht, dass zwin­gend nur die Gruppe zum Steu­er­schuld­ner be­stimmt wer­den kann. Vor­aus­set­zung sei viel­mehr le­dig­lich, dass die na­tio­nale Vor­schrift einen Steu­er­pflich­ti­gen be­stimmt und da­mit der Gruppe nur eine Steu­er­num­mer zu­ge­teilt wird. Dies sei mit der deut­schen Re­ge­lung, wo­nach ein Mit­glied als Steu­er­pflich­ti­ger be­stimmt wird, grundsätz­lich erfüllt. Vor­aus­set­zung dafür sei al­lein, dass der Or­ganträger sei­nen Wil­len bei den Or­gan­ge­sell­schaf­ten durch­set­zen kann. Fer­ner darf die deut­sche Or­gan­schafts­re­ge­lung nicht zur Ge­fahr von Steu­er­ver­lus­ten führen. Diese Vor­aus­set­zun­gen sieht der EuGH mit der deut­schen Re­ge­lung zur um­satz­steu­er­li­chen Or­gan­schaft als erfüllt an. In­so­weit genüge, dass die Or­gan­ge­sell­schaft zwar nicht als ori­ginärer Steu­er­schuld­ner aber nach § 73 AO zu­min­dest als Haf­tungs­schuld­ner für durch sie ver­ur­sachte Steu­ern des Or­gankrei­ses haf­tet.

Finanzielle Eingliederung: Stimmrechtsmehrheit bei Mehrheitsbeteiligung nicht zusätzlich erforderlich

Wei­ter­hin ist nach Auf­fas­sung des EuGH auch die Vor­aus­set­zung des Be­ste­hens ei­ner en­gen Ver­bin­dung durch fi­nan­zi­elle Ein­glie­de­rung nicht re­strik­tiv aus­zu­le­gen, so dass ent­ge­gen der deut­schen Aus­le­gung das Er­for­der­nis der Stimm­rechts­mehr­heit zusätz­lich zum Er­for­der­nis der Mehr­heits­be­tei­li­gung nicht er­for­der­lich ist.

Steuerbarkeit von Innenumsätzen bleibt ungeklärt

Nicht ein­deu­tig po­si­tio­niert sich der EuGH zu der ins­be­son­dere erst in der Folge der Schlus­santräge der Ge­ne­ral­anwältin auf­ge­wor­fe­nen Frage, ob zukünf­tig noch von der Nicht­steu­er­bar­keit der In­nen­umsätze zwi­schen Mit­glie­dern des Or­gankrei­ses aus­ge­gan­gen wer­den kann.

Die­ser An­satz folgt u. a. aus der ge­setz­li­chen Vor­schrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, wo­nach eine Tätig­keit nicht selbständig ausgeübt wird, wenn eine Or­gan­ge­sell­schaft in das Un­ter­neh­men ei­nes Or­ganträgers ein­ge­glie­dert ist. Bis­her ging man in­so­weit von der Un­selbständig­keit der Or­gan­ge­sell­schaft aus, mit der Folge, dass diese ihre Ei­gen­schaft als selbständi­ger Un­ter­neh­mer ver­lo­ren hat.

Die­ser Aus­le­gung wi­der­spricht nun der EuGH, in sei­ner Ant­wort auf die vierte Vor­la­ge­frage in der Rs. C‑141/20, Nord­deut­sche Ge­sell­schaft für Dia­ko­nie mbH. Denn nach Auf­fas­sung des EuGH sei es einem Mit­glied­staat nicht ge­stat­tet, Ein­hei­ten im Wege ei­ner Ty­pi­sie­rung als nicht selbständig an­zu­se­hen.

Hin­weis: Ob hier­aus folgt, dass In­nen­leis­tun­gen zukünf­tig nicht mehr als nicht steu­er­bar an­ge­se­hen wer­den können, ist den Ausführun­gen des EuGH nicht zu ent­neh­men und kann auf Ba­sis der vor­lie­gen­den EuGH-Ur­teile nicht klar be­ant­wor­tet wer­den.

Zu hof­fen bleibt, dass sich die in­folge der Schlus­santräge auf­ge­bran­dete Dis­kus­sion ebenso wie die Frage der ge­ne­rel­len Uni­ons­rechts­wid­rig­keit der deut­schen Or­gan­schafts­re­ge­lung in der wei­te­ren Folge als ge­gen­stands­los er­wei­sen wird. Der Wort­laut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG dürfte dem nicht ent­ge­gen­ste­hen, denn da­nach wer­den nur be­stimmte Tätig­kei­ten auf­grund der en­gen Ver­bun­den­heit nicht un­ter­neh­me­ri­sch ausgeübt, eine Ty­pi­sie­rung der Or­gan­ge­sell­schaft selbst als Nicht­un­ter­neh­mer - wie vom EuGH als nicht mit EU-recht­li­chen Vor­ga­ben ver­ein­bar be­ur­teilt - er­gibt sich dar­aus nicht.

Was können/müssen Sie tun?

Letzt­lich lie­gen bis­her nur die Ur­teile des EuGH vor, die Fol­ge­ent­schei­dun­gen der bei­den Se­nate des BFH ste­hen noch aus. Dem­ent­spre­chend er­gibt sich auf Ba­sis der nun vor­lie­gen­den Ent­schei­dun­gen des EuGH noch kein un­mit­tel­ba­rer Hand­lungs­be­darf, auch nicht im Hin­blick auf bis­her ein­ge­legte Ein­sprüche. Grundsätz­lich sollte die wei­tere Rechts­ent­wick­lung ab­ge­war­tet wer­den.

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