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Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung mit Änderungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte

Am 11.06.2021 hat der Bun­des­tag das Ge­sund­heits­ver­sor­gungs­wei­ter­ent­wick­lungs­ge­setz (GVWG) be­schlos­sen, das am 25.06.2021 vom Bun­des­rat ge­bil­ligt wor­den ist. Da­mit wird ein wei­te­res Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung auf den Weg ge­bracht. Der Ge­setz­ge­ber ver­folgt mit dem Ge­setz un­ter an­de­rem das Ziel, die Qua­lität und Trans­pa­renz der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung zu stärken, Leis­tungs­an­ge­bote zu er­wei­tern und eine stärkere Ver­net­zung zwi­schen den ein­zel­nen Leis­tungs­er­brin­gern zu er­rei­chen.

Im Be­reich der Kran­ken­haus- und ver­tragsärzt­li­chen Ver­sor­gung sind fol­gende re­le­vante Ände­run­gen zu be­ach­ten:

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Ersteinschätzungsverfahren für die ambulante Notfallbehandlung

Ein­geführt wird ein ein­heit­li­ches Erstein­schätzungs­ver­fah­ren für die am­bu­lante Not­fall­be­hand­lung im Kran­ken­haus. Po­si­tiv zu be­wer­ten ist zunächst das da­mit ver­folgte Ziel, die Kran­kenhäuser zu ent­las­ten und Pa­ti­en­ten in die rich­tige Ver­sor­gungs­ebene zu lei­ten.

Der Ge­setz­ge­ber sieht vor, dass der Ge­mein­same Bun­des­aus­schuss (G-BA) Vor­ga­ben für ein qua­li­fi­zier­tes und stan­dar­di­sier­tes Erstein­schätzungs­ver­fah­ren für am­bu­lante Not­fall­be­hand­lun­gen in Kran­kenhäusern ent­wi­ckelt. Das Ver­fah­ren setzt die Kran­kenhäuser aber da­durch un­ter Druck, dass die An­wen­dung des Erstein­schätzungs­ver­fah­rens künf­tig Vor­aus­set­zung für die Ab­rech­nung am­bu­lan­ter Not­fall­leis­tun­gen ist. Eine Vergütung am­bu­lan­ter Leis­tun­gen zur Be­hand­lung von Notfällen fin­det nur dann statt, wenn zu­vor in dem ge­son­der­ten Erstein­schätzungs­ver­fah­ren die so­for­tige am­bu­lante Be­hand­lungs­not­wen­dig­keit fest­ge­stellt wurde.

Mit der Neu­re­ge­lung ver­sucht der Ge­setz­ge­ber, Pa­ti­en­ten ziel­ge­rich­tet zu Haus- und Fachärz­ten zu steu­ern. Frag­lich ist aber be­reits, ob mit der Neu­re­ge­lung eine sach­ge­rechte Zu­ord­nung der Pa­ti­en­ten zu der rich­ti­gen Ver­sor­gungs­ebene so­wie eine da­mit ein­her­ge­hende wünschens­werte Ent­las­tung der Not­fall­am­bu­lan­zen der Kran­kenhäuser si­cher­ge­stellt wer­den kann. Dem­ge­genüber zeich­net sich klar ab, dass der Büro­kra­tie­auf­wand der Kran­kenhäuser ein wei­te­res Mal erhöht wird. Tatsäch­lich wäre ein stärke­rer Fo­kus auf eine wirt­schaft­lich tragfähige und nach­hal­tige Fi­nan­zie­rungslösung wünschens­wert ge­we­sen. Auf­grund der ak­tu­el­len Si­tua­tion, dass Pa­ti­en­ten häufig in der Not­auf­nahme der Kran­kenhäuser vor­stel­lig wer­den, weil sie im nie­der­ge­las­se­nen Be­reich keine zeit­nahe Ver­sor­gung er­hal­ten können, bleibt ab­zu­war­ten, in­wie­weit die Kran­kenhäuser durch diese Re­ge­lung tatsäch­lich eine Ent­las­tung im Pa­ti­en­ten­auf­kom­men er­fah­ren.

Übergangspflege im Krankenhaus

Zu begrüßen ist die Einführung des neuen § 39e SGB V, der einen An­spruch auf sta­tionäre Überg­angs­pflege begründet. Mit In­kraft­tre­ten des GVWG sind Kran­kenhäuser nun­mehr be­rech­tigt, Leis­tun­gen der Kurz­zeit­pflege zu er­brin­gen und bei den Kran­ken­kas­sen ab­zu­rech­nen, so­fern eine An­schluss­ver­sor­gung nicht oder nur un­ter er­heb­li­chem Auf­wand si­cher­ge­stellt wer­den kann. Die Überg­angs­pflege muss im be­han­deln­den Kran­ken­haus er­bracht wer­den und kann für höchs­tens zehn Tage be­an­sprucht wer­den. Sie um­fasst die Ver­sor­gung mit Arz­nei-, Heil- und Hilfs­mit­teln, die Ak­ti­vie­rung der Ver­si­cher­ten, die Grund- und Be­hand­lungs­pflege, ein Ent­lass­ma­nage­ment, Un­ter­kunft und Ver­pfle­gung so­wie die im Ein­zel­fall er­for­der­li­che ärzt­li­che Be­hand­lung.

Die Neu­re­ge­lung sorgt primär für eine Ver­bes­se­rung der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung für Pa­ti­en­ten. Aber auch den Kran­kenhäusern wird ein ge­wis­ser Druck ge­nom­men. Bei Über­schrei­ten der Grenz­ver­weil­dauer können sie jetzt auf eine ex­pli­zite Kos­ten­re­ge­lung zurück­grei­fen, die bis­lang fehlte. Auch im Hin­blick auf die be­stimmte Bet­ten­be­le­gung im Kran­ken­haus kann die Neu­re­ge­lung für mehr Pla­nungs­si­cher­heit sor­gen. Schwie­rig­kei­ten in der kri­ti­schen Phase zwi­schen sta­tionärer Kran­ken­haus­ver­sor­gung und wei­ter­ge­hen­der me­di­zi­ni­scher, re­ha­bi­li­ta­ti­ver oder pfle­ge­ri­scher Ver­sor­gung können so et­was ab­ge­mil­dert wer­den und wer­den nicht mehr al­lein auf dem Rücken der Kran­kenhäuser aus­ge­tra­gen. Hin­sicht­lich des An­spruchs auf Er­stat­tun­gen durch die Überg­angs­pflege wird es aber maßgeb­lich auf eine sorgfältige und ausführ­li­che Do­ku­men­ta­tion der Kran­kenhäuser an­kom­men. Da die Einführung der Überg­angs­pflege im SGB V ver­or­tet wor­den ist, bleibt die Hand­ha­bung bei pri­vat­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten der­zeit noch un­ge­re­gelt.

Neue Mindestmengenregelungen und verbindliche Qualitätsverträge

In der Kran­ken­haus­ver­sor­gung wer­den neue Be­rei­che für Min­dest­men­gen fest­ge­legt. Der neue § 136b SGB V sieht vor, dass bis zum 31.12.2023 vier wei­tere Leis­tun­gen bzw. Leis­tungs­be­rei­che durch den G-BA fest­ge­legt wer­den sol­len. Ge­stri­chen wurde der alte § 136b Abs. 3 SGB V, wo­nach eine Un­ter­schrei­tung der Min­dest­men­gen aus­nahms­weise bei nach­ge­wie­se­ner ho­her Qua­lität möglich war. Gemäß § 136b Abs. 5 SGB V n. F. können zur Si­cher­stel­lung der Ver­sor­gung zwar wei­ter­hin Aus­nah­men von den Min­dest­men­gen durch die zuständige Lan­des­behörde auf An­trag des Kran­ken­hau­ses er­teilt wer­den, al­ler­dings nur im Ein­ver­neh­men mit den Lan­des­verbänden der Kran­ken­kas­sen und den Er­satz­kas­sen.

Der Ge­setz­ge­ber ver­folgt mit die­ser Neu­reg­lung die Möglich­keit, Min­dest­men­gen bes­ser durch­zu­set­zen, und das Ziel, die Qua­litäts­si­che­rung in der Kran­ken­haus­ver­sor­gung zu ver­bes­sern. Die Ab­schaf­fung von Aus­nah­me­tat­beständen bei den Min­dest­men­gen­re­ge­lun­gen kann je­doch ei­ner flächen­de­cken­den und qua­litätsori­en­tier­ten Ver­sor­gung in länd­li­che­ren Ge­bie­ten ge­rade auch ent­ge­gen­ste­hen, da eine ge­ringfügige Un­ter­schrei­tung der Min­dest­men­gen nicht zwin­gend da­mit gleich­zu­set­zen ist, dass die Qua­lität der Leis­tung sinkt und ei­ner Ge­le­gen­heits­ver­sor­gung ent­spricht.

Qua­litätsverträge zwi­schen Kran­ken­kas­sen und Kli­ni­ken wer­den ver­bind­li­cher ge­re­gelt. Gemäß § 110a Abs. 1 Satz 1 SGB V n. F. ha­ben die Kran­ken­kas­sen und Kran­kenhäuser zu von dem G-BA fest­ge­leg­ten vier Leis­tun­gen bzw. Leis­tungs­be­rei­chen Qua­litätsverträge ab­zu­schließen. Für diese An­wen­dungs­be­rei­che sol­len die Ele­mente der qua­litätsori­en­tier­ten Vergütung stärker er­probt wer­den. Wel­chen Ein­fluss die neue Ver­bind­lich­keit auf die Ver­bes­se­rung der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung hat und ob sich diese zu­guns­ten der Kran­kenhäuser aus­wirkt, ist un­ge­wiss. 

Mehr Transparenz und Qualität in der Versorgung

Für den Ge­setz­ge­ber war hand­lungs­lei­tend, die Trans­pa­renz und Qua­lität der Kran­ken­haus- und ver­tragsärzt­li­chen Ver­sor­gung zu ver­bes­sern.

Kon­kret wird der G-BA mit dem neu ein­gefügten § 136a Abs. 6 SGB V bis Ende nächs­ten Jah­res ver­pflich­tet, ein­heit­li­che An­for­de­run­gen für die In­for­ma­tion der Öff­ent­lich­keit durch ein­rich­tungs­be­zo­gene Ver­glei­che der zu­ge­las­se­nen Kran­kenhäuser und - ab jetzt auch auf am­bu­lan­ter Ebene - der an der ver­tragsärzt­li­chen Ver­sor­gung teil­neh­men­den Ärzte fest­zu­le­gen. Da­bei muss die Veröff­ent­li­chung der Aus­wer­tungs­er­geb­nisse der be­reits ver­ar­bei­te­ten Da­ten ein­rich­tungs­be­zo­gen und re­gelmäßig er­fol­gen.

Die Förde­rung der Trans­pa­renz in der Kran­ken­haus­ver­sor­gung, soll u. a. durch mehr In­for­ma­tio­nen über den Pfle­ge­per­so­nal­ein­satz in den Kran­kenhäusern er­reicht wer­den. Dazu wer­den für je­den Kran­ken­haus-Stand­ort die Pfle­ge­per­so­nal­quo­ti­en­ten er­mit­telt und künf­tig auf der In­ter­net­seite des In­sti­tuts für das Ent­gelt­sys­tem im Kran­ken­haus (InEK) veröff­ent­licht. Das Verhält­nis von ein­ge­setz­tem Pfle­ge­per­so­nal zum Pfle­ge­auf­wand wird mit die­ser Neu­re­ge­lung deut­lich. Um kon­kur­renzfähig zu blei­ben, sind Kran­kenhäuser da­her an­ge­hal­ten, auf einen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zwi­schen Per­so­nal­ein­satz und Pfle­ge­be­darf zu ach­ten.

Wei­tere Möglich­kei­ten für eine Ver­bes­se­rung der Trans­pa­renz sah der Ge­setz­ge­ber zu­dem im Be­reich der Pa­ti­en­ten­be­fra­gun­gen in der Kran­ken­haus­ver­sor­gung. Durch die Ände­rung des § 299 Abs. 4 SGB V zur Da­ten­er­he­bung durch den G-BA wird die Pa­ti­en­ten­be­fra­gung wei­ter­ent­wi­ckelt und kann in Zu­kunft auch di­gi­tal ge­nutzt wer­den.

Ausweitung des Zweitmeinungsverfahrens

Ab dem 01.01.2022 soll der G-BA jähr­lich min­des­tens zwei wei­tere Ein­griffe be­stim­men, für die ein An­spruch der Ver­si­cher­ten auf Ein­ho­lung ei­ner un­abhängi­gen ärzt­li­chen Zweit­mei­nung gemäß der Neu­fas­sung in § 27b Abs. 2 SGB V be­steht.

Implementierung eines Modellvorhabens im Bereich Onkologie

Das GVWG sieht vor, ein bun­des­ein­heit­lich durch­zuführen­des Mo­dell­vor­ha­ben zur um­fas­sen­den Dia­gnos­tik und The­ra­pie­fin­dung mit­tels Ge­nom­se­quen­zie­rung im Be­reich der On­ko­lo­gie bzw. sel­te­nen Krank­hei­ten zu im­ple­men­tie­ren. Be­son­ders her­vor­zu­he­ben und begrüßen­swert ist hier die dar­auf auf­bau­ende Da­ten­zu­sam­menführung der ge­sam­mel­ten kli­ni­schen und ge­no­mi­schen Da­ten in ei­ner bun­des­wei­ten Da­ten­in­fra­struk­tur. Die im Rah­men des Mo­dell­vor­ha­bens ge­won­ne­nen Da­ten können so leich­ter ana­ly­siert wer­den und tra­gen zur Ver­bes­se­rung der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung bei. Von den Kran­kenhäusern wei­ter­hin im Blick zu be­hal­ten sind die da­ten­schutz­recht­li­chen An­for­de­run­gen an die Um­set­zung des Mo­dell­vor­ha­bens.

Refinanzierungsmöglichkeiten für klinische Sektionen

Mit Strei­chung des § 9 Abs. 1a Nr. 3 KHEntgG fal­len die zur Qua­litäts­si­che­rung er­for­der­li­che Sek­ti­ons­rate und die Kri­te­rien für die Aus­wahl der zu ob­du­zie­ren­den To­desfälle weg. Da­ge­gen soll über den vom InEK kal­ku­lier­ten Zu­schlag jede durch­geführte kli­ni­sche Sek­tion, die die für die Qua­litäts­si­che­rung er­for­der­li­chen Min­dest­an­for­de­run­gen erfüllt, re­fi­nan­ziert wer­den. Da­bei sind im Zu­schlag für kli­ni­sche Sek­tio­nen die vom InEK kal­ku­lier­ten Kos­ten in vol­ler Höhe zu berück­sich­ti­gen.

Außerdem: Änderung der Zulassungsverordnung für Vertrags(-zahn)ärzte

Fer­ner ist die leicht zu über­se­hende Ände­rung der Zu­las­sungs­ver­ord­nung für Ver­trags(-zahn)ärzte zu be­ach­ten. Gemäß § 95e SGB V n. F. be­steht nun eine Be­rufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung für Ver­trags(-zahn)ärzte. Der Zu­las­sungs­aus­schuss prüft, ob ein aus­rei­chen­der Ver­si­che­rungs­schutz bei einem An­trag auf Zu­las­sung, Ermäch­ti­gung oder An­stel­lung be­steht. Bei be­reits zu­ge­las­se­nen Ver­trags(-zahn)ärz­ten wird der zuständige Zu­las­sungs­aus­schuss ver­pflich­tet, die­sen Nach­weis nach­zu­for­dern. Hier­mit soll der Pa­ti­en­ten­schutz gestärkt wer­den, sollte es in Folge ei­ner Be­rufs­pflicht­ver­let­zung im Aus­nah­me­fall zu einem Weg­fall ei­nes sol­ven­ten Leis­tungs­er­brin­gers kom­men. Wird der Nach­weis nicht er­bracht, kann der Zu­las­sungs­aus­schuss das Ru­hen der Zu­las­sung und nach Ab­lauf von zwei Jah­ren nach dem Be­schluss die Ent­zie­hung der Zu­las­sung be­schließen.

Fazit

Das GVWG bringt viele und in Tei­len um­strit­tene Ände­run­gen mit er­heb­li­chem Kon­flikt­po­ten­tial mit sich. Der Ge­setz­ge­ber be­ab­sich­tigt, mit dem Sam­mel­ge­setz all­ge­mein den äußeren Rah­men der Ge­sund­heits­ver­sor­gung wei­ter zu stärken. In wel­chem Um­fang dies mit dem vor­lie­gen­den Maßnah­men­pa­ket er­reicht wer­den kann oder die tägli­che Ar­beit der Leis­tungs­er­brin­ger er­schwert wird, bleibt ab­zu­war­ten.

Be­reits jetzt ist klar: Die Wei­ter­ent­wick­lung der Ver­sor­gungs­struk­tu­ren bleibt nach wie vor not­wen­dig.

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