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Rechtsberatung

Gerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber Sachverständigen durch Aufsichtsrat

BGH 20.3.2018, II ZR 359/16

Hat der Auf­sichts­rat in Ausübung sei­ner Ein­sichts- und Prüfungs­rechte gem. § 111 Abs. 2 S. 2 AktG einen be­son­de­ren Sach­verständi­gen im Na­men der Ge­sell­schaft be­auf­tragt, hat er auch die Be­fug­nis zur ge­richt­li­chen Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft ge­genüber dem Sach­verständi­gen in einem Er­kennt­nis­ver­fah­ren, das im Hin­blick auf eine Strei­tig­keit aus dem Auf­trags­verhält­nis geführt wird.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende Wirt­schaftsprüfungs- und Be­ra­tungs­ge­sell­schaft be­gehrt die Zah­lung von Ho­no­rar aus einem vom Auf­sichts­rat der be­klag­ten Ak­ti­en­ge­sell­schaft er­teil­ten Son­derprüfungs­auf­trag. Die Kläge­rin be­rech­nete der Be­klag­ten rd. 90.000 €, wor­auf diese 10.000 € zahlte. In der Folge lei­tete die Kläge­rin ein Mahn­ver­fah­ren ge­gen die Be­klagte, ver­tre­ten durch de­ren Auf­sichts­rat, ein. Da­ge­gen legte die Be­klagte, ver­tre­ten durch ih­ren Vor­stand, Wi­der­spruch ein. Das Mahn­ge­richt lehnte den An­trag der Kläge­rin auf Er­lass ei­nes Voll­stre­ckungs­be­scheids ab; die hier­ge­gen ge­rich­tete so­for­tige Be­schwerde der Kläge­rin hatte kei­nen Er­folg.

Nach Ab­gabe der Sa­che in das strei­tige Ver­fah­ren vor dem Pro­zess­ge­richt be­an­tragte die Kläge­rin in der Haupt­sa­che, ge­gen die Be­klagte, ver­tre­ten durch ih­ren Auf­sichts­rat, einen Voll­stre­ckungs­be­scheid über rd. 80.000 € zu er­las­sen, und hilfs­weise, die Be­klagte zur Zah­lung zu ver­ur­tei­len.

Das LG wies den Haupt­an­trag ab und ver­ur­teilte auf den Hilfs­an­trag. Ge­gen das Ur­teil leg­ten beide Par­teien Be­ru­fung ein. Im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wei­gerte sich der Vor­stand der Be­klag­ten, die Pro­zessführung durch den Auf­sichts­rat und des­sen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten zu ge­neh­mi­gen oder in den Pro­zess ein­zu­tre­ten. Die Be­ru­fun­gen bei­der Par­teien blie­ben vor dem OLG ohne Er­folg. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH ebenso we­nig Er­folg.

Die Gründe:
Der Auf­sichts­rat der Be­klag­ten ist im vor­lie­gen­den Rechts­streit zu de­ren Ver­tre­tung be­ru­fen. Die Ver­tre­tung der Ak­ti­en­ge­sell­schaft rich­tet sich nach den Vor­schrif­ten des bürger­li­chen Rechts, § 51 Abs. 1 ZPO.

Die Ak­ti­en­ge­sell­schaft wird al­ler­dings in einem Pas­siv­pro­zess ent­spre­chend der Re­gel des § 78 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätz­lich durch ih­ren Vor­stand als dem zu ih­rer Außenver­tre­tung be­ru­fe­nen Or­gan ver­tre­ten. Dies gilt je­doch nicht, wenn und so­weit das Ak­ti­en­ge­setz die Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft einem an­de­ren Or­gan zu­weist. Dies ist in Be­zug auf die mit der Be­auf­tra­gung ei­nes Sach­verständi­gen nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG ver­bun­de­nen Hilfs­ge­schäfte der Fall. Hat der Auf­sichts­rat in Ausübung sei­ner Ein­sichts- und Prüfungs­rechte gem. § 111 Abs. 2 S. 2 AktG einen be­son­de­ren Sach­verständi­gen im Na­men der Ge­sell­schaft be­auf­tragt, hat er auch die Be­fug­nis zur ge­richt­li­chen Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft ge­genüber dem Sach­verständi­gen in einem Er­kennt­nis­ver­fah­ren, das im Hin­blick auf eine Strei­tig­keit aus dem Auf­trags­verhält­nis geführt wird.

Der Um­fang der Ver­tre­tungs­zuständig­keit des Auf­sichts­rats für die im Zu­sam­men­hang mit der Auf­ga­ben­wahr­neh­mung an­fal­len­den Hilfs­ge­schäfte be­stimmt sich aus dem In­halt der je­wei­li­gen Auf­ga­ben­zu­wei­sung. Ent­schei­dend ist da­bei, dass die An­er­ken­nung der Kom­pe­tenz für Hilfs­ge­schäfte nicht zu ei­ner Er­wei­te­rung des sach­li­chen Auf­ga­ben­be­reichs führt, son­dern sich in­ner­halb ei­ner zu­ge­wie­se­nen Auf­gabe auf die Sta­dien der Vor­be­rei­tung und Durchführung der Auf­ga­ben­wahr­neh­mung be­zieht. Diese An­bin­dung an den sach­li­chen Auf­ga­ben­be­reich setzt der Kom­pe­tenz­zu­wei­sung für Hilfs­ge­schäfte einen en­gen Rah­men. Hier­von aus­ge­hend gehört die ge­richt­li­che Ver­tre­tung der Ge­sell­schaft in einem Er­kennt­nis­ver­fah­ren be­tref­fend einen vom Auf­sichts­rat er­teil­ten Sach­verständi­gen­auf­trag zum Kreis der in die Auf­sichts­rats­zuständig­keit fal­len­den Hilfs­ge­schäfte.

Der Zweck des § 111 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG be­steht darin, dem Auf­sichts­rat zur Wahr­neh­mung sei­ner Über­wa­chungs­pflicht nach § 111 Abs. 1 AktG ne­ben den Auskünf­ten des Vor­stands (z.B. über Be­richte nach § 90 AktG) die­je­ni­gen Mit­tel an die Hand zu ge­ben, mit de­nen er ei­gen­ver­ant­wort­lich die Aufklärung von Sach­ver­hal­ten be­trei­ben kann. Der der Auf­ga­ben­zu­wei­sung zu Grunde lie­gen­den Zweck würde nicht erfüllt, wenn die Ver­tre­tungs­be­fug­nis des Auf­sichts­rats auf die Er­tei­lung des Prüfungs­auf­trags be­schränkt wäre. Der Auf­sichts­rat kann mit der Er­tei­lung des Prüfungs­auf­trags zwar des­sen Ge­gen­stand be­stim­men. Zu ei­ner sach­ge­rech­ten Auf­ga­ben­wahr­neh­mung gehört es aber auch, dass der Auf­sichts­rat den Sach­verständi­gen bei sei­ner Tätig­keit an­lei­tet und über­wacht so­wie nach der Ausführung des Auf­trags darüber be­fin­det, ob der Auf­trag sach­ge­recht erfüllt wurde.

Von dem Ge­set­zes­zweck eben­falls ge­deckt ist hieran anknüpfend die Pro­zess­ver­tre­tung der Ak­ti­en­ge­sell­schaft in einem Er­kennt­nis­ver­fah­ren ge­gen den Sach­verständi­gen. Die Wahr­neh­mung der ge­richt­li­chen Ver­tre­tung im Er­kennt­nis­ver­fah­ren ent­spricht zunächst ei­ner sach­na­hen Auf­ga­ben­zu­wei­sung, wenn es um eine Strei­tig­keit über einen vom Auf­sichts­rat selbst er­teil­ten Auf­trag geht. Der Auf­sichts­rat verfügt in die­sem Fall ty­pi­scher­weise über die für die ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen. Er sollte auf der Grund­lage die­ser In­for­ma­tio­nen und sei­nem Aufklärungs­in­ter­esse auch darüber ent­schei­den, ob und ggf. mit wel­chen An­griffs- und Ver­tei­di­gungs­mit­teln ein Rechts­streit ge­gen den Sach­verständi­gen geführt wird. Die von der Re­vi­sion auf­ge­wor­fene Frage, ob et­was an­de­res gilt, wenn der Vor­stand auf Bit­ten des Auf­sichts­rats den Auf­trag er­teilt hat, muss im vor­lie­gen­den Fall nicht be­ant­wor­tet wer­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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