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Steuerberatung

Direktanspruch im Umsatzsteuerverfahren

Mit BMF-Schrei­ben vom 12.04.2022 fasst das BMF die Vor­aus­set­zun­gen für den Di­rekt­an­spruch auf Er­stat­tung von rechts­grund­los an den Leis­ten­den ge­zahl­ter Um­satz­steuer di­rekt vom Fis­kus (statt vom Leis­ten­den) zu­sam­men.

Erstattungsanspruch für rechtsgrundlos gezahlte Umsatzsteuer gegen den Fiskus

Hat ein zum Vor­steu­er­ab­zug be­rech­tig­ter Un­ter­neh­mer eine un­zu­tref­fend in Rech­nung ge­stellte und ge­setz­lich nicht ge­schul­dete Um­satz­steuer be­zahlt, ist der Steu­er­be­trag nicht als Vor­steuer ab­zieh­bar. Grundsätz­lich hat die Rück­ab­wick­lung der Zah­lung zwi­schen dem Leis­ten­den und dem Leis­tungs­empfänger da­her auf dem Zi­vil­rechts­weg zu er­fol­gen.

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Im Wege des sich aus dem Uni­ons­recht er­ge­ben­den sog. Di­rekt­an­spruchs in der Um­satz­steuer kann der Leis­tungs­empfänger je­doch eine Er­stat­tung des Um­satz­steu­er­be­trags von der Fi­nanz­ver­wal­tung ver­lan­gen, wenn eine Rück­for­de­rung vom Rech­nungs­aus­stel­ler übermäßig er­schwert ist. Das Rechts­in­stru­ment des Di­rekt­an­spruchs zur Re­ge­lung der Rück­zah­lung von rechts­grund­los ge­zahl­ten Steu­ern geht zurück auf die EuGH-Recht­spre­chung in der Rechts­sa­che Reemtsma Ci­ga­ret­ten­fa­brik (EuGH-Ur­teil vom 15.03.2007, Rs. C-35/05, Reemtsma, DStRE 2007, S. 570). Die­ses wurde durch den BFH u.a. mit Ur­tei­len vom 30.06.2015 (Az. VII R 30/14, BFH/NV 2015, S. 1611) und 22.08.2019 (Az. V R 50/16, BFH/NV 2020, S. 71) fort­ent­wi­ckelt.

BMF nimmt erstmals Stellung zu den Anspruchsvoraussetzungen

Mit dem nun vor­lie­gen­den BMF-Schrei­ben vom 12.04.2022 veröff­ent­licht das Bun­des­mi­nis­te­rium der Fi­nan­zen (BMF) die o.g. BFH-Ur­teile und ergänzt Ab­schnitt 15.11 des Um­satz­steu­er­an­wen­dungs­er­las­ses um einen neuen Ab­satz 8, in dem auf das vor­lie­gende BMF-Schrei­ben ver­wie­sen wird. Darin kon­kre­ti­siert die Fi­nanz­ver­wal­tung ihre Auf­fas­sung zum Di­rekt­an­spruch in der Um­satz­steuer und stellt fol­gende Grundsätze auf:

Leistungsbezug und grundsätzlich „ordnungsgemäße“ Rechnung

  • Vor­aus­set­zung für eine Er­stat­tung der Um­satz­steuer im Wege des Di­rekt­an­spruchs ist, dass der Rech­nungs­aus­stel­ler die Leis­tung tatsäch­lich er­bracht hat oder bei An­zah­lungs­rech­nun­gen tatsäch­lich er­brin­gen wollte. Im Falle des un­be­rech­tig­ten Steu­er­aus­wei­ses (§ 14c Abs. 2 UStG) fehlt es da­her an den Vor­aus­set­zun­gen für den Di­rekt­an­spruch.
  • Die all­ge­mei­nen Vor­aus­set­zun­gen für den Vor­steu­er­ab­zug müssen grundsätz­lich ge­ge­ben sein, ins­be­son­dere muss eine bis auf den Steu­er­aus­weis ord­nungs­gemäße Rech­nung vor­lie­gen. Ein Aus­schluss­grund nach § 15 Abs. 2 bis 4 UStG steht dem Di­rekt­an­spruch hin­ge­gen nicht ent­ge­gen, da der Leis­tungs­empfänger bei kor­rek­ter Rech­nungs­stel­lung nicht mit Um­satz­steuer be­las­tet ge­we­sen wäre.

Anspruch muss durchsetzbar sein und die Finanzbehörde muss bereichert sein

  • Der zi­vil­recht­li­che An­spruch muss (wei­ter) be­ste­hen und durch­setz­bar sein, d.h. es darf keine Verjährung ein­ge­tre­ten sein.
  • Zu­dem muss die Fi­nanz­behörde be­rei­chert sein. Einem Di­rekt­an­spruch steht vor al­lem ent­ge­gen, wenn der leis­tende Un­ter­neh­mer die Um­satz­steuer nicht an­ge­mel­det hat, die Um­satz­steuer in Schätzungsfällen fest­ge­setzt wurde, Steu­errückstände be­ste­hen oder der leis­tende Un­ter­neh­mer un­be­rech­tigt Vor­steu­er­ab­zug gel­tend ge­macht hat.

Geltendmachung im besonderen Billigkeitsverfahren und nur nachrangig möglich

  • Über den Di­rekt­an­spruch ist im Rah­men ei­nes Bil­lig­keits­ver­fah­rens nach §§ 163, 227 AO zu ent­schei­den. Zuständig ist das für die Um­satz­steu­er­fest­set­zung des Leis­tungs­empfängers zuständige Fi­nanz­amt.
  • Ein et­wai­ges Mit­ver­schul­den des Leis­tungs­empfängers an der Aus­stel­lung der fal­schen Rech­nung kann, je nach Sach­lage, zur Ver­sa­gung des Di­rekt­an­spruchs führen. Ebenso wie der Um­stand, dass der Leis­tungs­empfänger wusste oder hätte wis­sen müssen, dass er sich mit sei­nem Leis­tungs­be­zug an ei­ner Steu­er­hin­ter­zie­hung nach § 25f UStG be­tei­ligt hat.
  • Der Leis­tungs­empfänger hat sei­nen An­spruch auf Er­stat­tung ei­ner un­zu­tref­fend in Rech­nung ge­stell­ten und rechts­grund­los ge­zahl­ten Um­satz­steuer re­gelmäßig zunächst zi­vil­recht­lich ge­gen den Leis­ten­den gel­tend zu ma­chen.
  • Der Di­rekt­an­spruch ist nach­ran­gig ge­genüber dem Ver­fah­ren zur Steu­er­be­rich­ti­gung nach § 14c Abs. 1 UStG.

Anspruch besteht regelmäßig nur bei abgeschlossenem Insolvenzverfahren über das Vermögen des leistenden Unternehmers

  • Von ei­ner von vorn­her­ein unmögli­chen oder übermäßig er­schwer­ten Er­stat­tung kann re­gelmäßig nur im Fall ei­nes man­gels Masse ab­ge­lehn­ten In­sol­venz­an­tra­ges aus­ge­gan­gen wer­den.
  • Die bloße Zah­lungs­unfähig­keit reicht nicht aus, da dann im­mer noch die (vor­ran­gige) Möglich­keit des Aus­gleichs über die Quote be­steht. Ein Di­rekt­an­spruch kann dann al­len­falls für den nicht über die Quote er­ziel­ten Teil in Be­tracht kom­men.

Strenge Anforderungen der Finanzverwaltung

Zu begrüßen ist, dass die Fi­nanz­ver­wal­tung mit dem BMF-Schrei­ben einen Di­rekt­an­spruch an­er­kennt und sich Steu­er­pflich­tige mit dem neu er­gan­ge­nen BMF-Schrei­ben nun ne­ben BFH- und EuGH-Recht­spre­chung erst­mals auf eine Ver­laut­ba­rung der Fi­nanz­ver­wal­tung stützen können.

Die Grundsätze sind in al­len of­fe­nen Fällen an­zu­wen­den.

Der An­spruch muss je­doch im be­son­de­ren Bil­lig­keits­ver­fah­ren gel­tend ge­macht wer­den, was im­mer ei­ner Abwägung im Ein­zel­fall be­darf. Eine Er­mes­sens­re­duk­tion des Fi­nanz­am­tes auf null ist dem Schrei­ben nicht zu ent­neh­men, je­doch deu­ten die durch die Fi­nanz­ver­wal­tung auf­ge­stell­ten Grundsätze auf strenge, ver­wal­tungs­sei­tige An­for­de­run­gen für die Er­lan­gung des Di­rekt­an­spru­ches hin. So soll fi­nanz­amts­sei­tig bei­spiels­weise erst dann über den Di­rekt­an­spruch ent­schie­den wer­den, wenn ein In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen des Leis­ten­den be­reits ab­ge­schlos­sen ist.

Steu­er­pflich­tige soll­ten in je­den Fall Vor­keh­run­gen dafür tref­fen, dass die An­sprüche ge­gen den Leis­ten­den zi­vil­recht­lich durch­setz­bar blei­ben, um die Möglich­keit des Rechts­in­sti­tuts des Di­rekt­an­spruchs über­haupt nut­zen zu können.

Gerne un­terstützen wir Sie bei der Abwägung der Er­folgs­aus­sich­ten ei­nes Di­rekt­an­spruchs auf Er­stat­tung der Um­satz­steuer in Ih­rem kon­kre­ten Fall.

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