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Dieselskandal: Autohaus muss typengleiches Nachfolgemodell liefern

OLG Karlsruhe v. 24.5.2019 - 13 U 144/17

Der Käufer ei­nes neuen VW-Die­sel­fahr­zeugs, das mit ei­ner un­zulässi­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen war, kann vom Au­to­haus die Lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neuen, ty­pen­glei­chen Er­satz­fahr­zeu­ges aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­tion ge­gen Rück­gabe des ge­kauf­ten Fahr­zeu­ges ver­lan­gen. Der Käufer ist für die mit dem man­gel­haf­ten Fahr­zeug zurück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter nicht zur Zah­lung von Nut­zungs­er­satz ver­pflich­tet.

Der Sach­ver­halt:
In den drei vor­lie­gen­den Ver­fah­ren for­dern die Kläger von den be­klag­ten Au­tohäusern je­weils die Lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neuen Fahr­zeu­ges der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­tion Zug um Zug ge­gen Rück­gabe des mit einem Die­sel­mo­tor der Volks­wa­gen AG aus der Mo­tor­bau­reihe EA 189 aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs. Die Kläger hat­ten in den Jah­ren 2009, 2011 und 2013 Neu­fahr­zeuge der Mar­ken VW (Mo­delle Tou­ran und Sha­ran) so­wie Audi (Mo­dell A 3) von den je­wei­li­gen Au­tohäusern er­wor­ben und seit­her ge­nutzt. Im Ja­nuar bzw. Au­gust 2016 ver­lang­ten sie ge­gen Rück­gabe ih­rer Fahr­zeuge die Nach­lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeugs der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­tion.

Die be­klag­ten Au­tohäuser be­ru­fen sich dar­auf, die Nach­lie­fe­rung ei­nes Er­satz­fahr­zeu­ges sei unmöglich, weil das ver­kaufte Fahr­zeug nicht mehr in der glei­chen Art her­ge­stellt werde. Die Nach­lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeu­ges sei un­verhält­nismäßig, da in der Zwi­schen­zeit ein Soft­ware-Up­date zur Verfügung stehe, nach des­sen Auf­spie­len die von den Käufern gel­tend ge­mach­ten Be­an­stan­dun­gen be­sei­tigt seien.

Das OLG gab den Kla­gen statt und ver­ur­teilte die be­klag­ten Au­tohäuser zur Lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neuen, ty­pen­glei­chen Er­satz­fahr­zeu­ges aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­tion ge­gen Rück­gabe des ge­kauf­ten Fahr­zeu­ges. Die Re­vi­sion zum BGH wurde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Den Klägern steht ein An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neuen, ty­pen­glei­chen Er­satz­fahr­zeu­ges aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­tion des Her­stel­lers ge­gen Rück­gabe des ge­kauf­ten Fahr­zeu­ges zu. Die Fahr­zeuge wa­ren bei Überg­abe an die Kläger und im Zeit­punkt des Nach­erfüllungs­ver­lan­gens - wie be­reits vom BGH im Hin­weis­be­schluss vom 8.1.2019 im Ein­zel­nen aus­geführt (VIII ZR 225/17) - mit einem Sach­man­gel be­haf­tet, da die Mo­tor­steue­rung der Fahr­zeuge eine un­zulässige Ab­schalt­ein­rich­tung auf­wies.

Der BGH hat in dem Hin­weis­be­schluss die An­sicht ver­tre­ten, dass der nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB vor­ge­se­hene An­spruch ei­nes Käufers ei­ner man­gel­haf­ten Sa­che auf Be­schaf­fung ei­ner gleich­wer­ti­gen Sa­che auch die Nach­lie­fe­rung ei­nes fa­brik­neuen, ty­pen­glei­chen Er­satz­fahr­zeu­ges aus der ak­tu­el­len Se­ri­en­pro­duk­tion um­fas­sen kann, so­fern das bei Ver­trags­schluss maßgeb­li­che Mo­dell nicht mehr pro­du­ziert wird. Das OLG schließt sich die­ser Auf­fas­sung an.

Der zwi­schen den Par­teien ab­ge­schlos­sene Kauf­ver­trag ist in al­len drei Fällen so aus­zu­le­gen, dass das je­weils ge­kaufte Fahr­zeug durch das ak­tu­ell pro­du­zierte Nach­fol­ge­mo­dell aus­tausch­bar ist. Das je­wei­lige Mo­dell ist zwar verändert, aber durch ein ver­gleich­ba­res Mo­dell er­setzt wor­den. Die Er­satz­lie­fe­rung ei­nes Neu­fahr­zeu­ges ist in den ent­schie­de­nen Fällen auch nicht "nur mit un­verhält­nismäßigen Kos­ten" möglich. Die Au­tohäuser können die Kläger nicht auf die Be­sei­ti­gung des Man­gels durch das Auf­spie­len ei­nes zwi­schen­zeit­lich ent­wi­ckel­ten Soft­ware-Up­dates ver­wei­sen. Maßgeb­lich für die Be­ur­tei­lung der Un­verhält­nismäßig­keit der Er­satz­lie­fe­rung ist der Zeit­punkt des Nach­erfüllungs­ver­lan­gens bzw. des Ab­laufs der ge­setz­ten Nach­erfüllungs­frist. Zu die­sem Zeit­punkt war den be­klag­ten Au­tohäusern eine Nach­bes­se­rung durch Soft­ware-Up­date noch nicht möglich, da das Soft­ware-Up­date den Au­tohäusern noch nicht zur Verfügung stand.

Un­abhängig da­von er­gibt eine um­fas­sende In­ter­es­sen­abwägung und Würdi­gung al­ler maßge­ben­den Umstände der ent­schie­de­nen Ein­zelfälle, dass in die­sen Fällen die von den Käufern be­an­spruchte Er­satz­lie­fe­rung keine un­verhält­nismäßigen Kos­ten ver­ur­sacht. Die Käufer sind im Übri­gen für die mit dem man­gel­haf­ten Fahr­zeug zurück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter nicht zur Zah­lung von Nut­zungs­er­satz ver­pflich­tet.

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