Die Neuerungen des DCGK 2022 reflektieren die gestiegene Bedeutung des Themas der Nachhaltigkeit bei der Unternehmensführung (ausführliche Informationen finden Sie hier). Darüber hinaus enthält er aber auch Anpassungen, die infolge des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) und des Zweiten Führungspositionengesetzes (FüPoG II) erforderlich waren.
Nachhaltigkeit
Sozial- und Umweltfaktoren beeinflussen den Erfolg vieler Unternehmen. Der DCGK 2022 ergänzt in der Präambel diese sog. „outside-in“ Perspektive von Nachhaltigkeitsaspekten durch die zunehmend wichtiger gewordene „inside-out“ Perspektive, die berücksichtigt, dass die Tätigkeiten des Unternehmens auch Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben. Vorstand und Aufsichtsrat sollen dies bei der Führung und Überwachung „im Rahmen des Unternehmensinteresses“ angemessen berücksichtigen.
Für den Vorstand bedeutet dies zukünftig, die Unternehmensplanung um nachhaltigkeitsbezogene Ziele zu ergänzen und sowohl die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Chancen und Risiken für das Unternehmen als auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch zu identifizieren zu bewerten und zu steuern (vgl. Empfehlung A.1 DCGK 2022). Spiegelbildlich soll das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats für Nachhaltigkeitsfragen erweitert werden (vgl. Empfehlung C.1 DCGK 2022), damit er den Vorstand auch insofern überwachen und beraten kann (vgl. Grundsatz 6 DCGK 2022).
Internes Kontrollsystem und Risikomanagement
Das FISG sieht verpflichtend die Einrichtung eines internen Kontroll- und Risikomanagementsystems vor. Gemäß DCGK 2022 sollen im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des Kontroll- und Risikomanagementsystems einschließlich des Compliance Management Systems beschrieben werden. Weiter soll der Vorstand zur Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Systeme Stellung nehmen (vgl. Empfehlung A.5 DCGK 2022).
Diese interne Überwachung ist laut Kodexbegründung (zu A.5) Aufgabe der Internen Revision. Es wird darauf hingewiesen, dass freiwillig durchgeführte externe Prüfungen z.B. nach IDW PS 980, 981 und 982 dazu geeignet sind, die Stellungnahmen zur Angemessenheit und Wirksamkeit der Systeme zu untermauern.
Hinweis: Gemäß neuer Empfehlung A.3 DCGK 2022 sollen das interne Kontrollsystem und das Risikomanagementsystem künftig auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken, wobei die Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten mit eingeschlossen sind. Die vorgenannte Stellungnahme des Vorstands umfasst damit auch die Angemessenheit und Wirksamkeit des nachhaltigkeitsbezogenen RMS, CMS und IKS.
Compliance Management Systeme
Die bisherige Empfehlung A. 2 zur Errichtung eines Compliance Management Systems wurde gestrichen. Stattdessen wurde Grundsatz 5 DCKG 2022 dahingehend ergänzt, dass das interne Kontrollsystem und das Risikomanagementsystem auch ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance Management System umfassen müssen.
In der Begründung des DCGK 2022 wird dazu ausgeführt, dass Vorstände börsennotierter Gesellschaften nunmehr gemäß § 91 Abs. 3 AktG explizit zur Einrichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems und Risikomanagementsystems verpflichtet sind. Nach der Regierungsbegründung umfasst das interne Kontrollsystem auch die zur Sicherung der Einhaltung der maßgeblichen rechtlichen Vorschriften erforderlichen Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen. Aus diesem Grund besteht auch eine Pflicht zur Einrichtung eines an der Risikolage des Unternehmens ausgerichteten Compliance Management Systems.
Mindestbeteiligung der Geschlechter
Im Zusammenhang mit der im zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) verankerten Mindestbeteiligung der Geschlechter wurde Grundsatz 9 angepasst. Danach gewährleistet der Aufsichtsrat die gesetzlich geregelte Mindestbeteiligung der Geschlechter oder legt im Rahmen gesetzlicher Vorgaben Zielgrößen für den Anteil von Frauen im Vorstand fest.
Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Gemäß Grundsatz 11 DCGK 2022 muss bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats gewährleistet sein, dass die Mitglieder insgesamt über die zur ordentlichen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Zudem wird abermals darauf hingewiesen, dass die gesetzliche Geschlechterquote einzuhalten ist.
Empfehlung C.1 DCGK 2022 konkretisiert weiter, dass der Aufsichtsrat für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen und ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium erarbeiten muss, wobei auf Diversität zu achten ist. Das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats soll auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen. Vorschläge des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung sollen diese Ziele berücksichtigen und gleichzeitig die Ausfüllung des Kompetenzprofils für das Gesamtgremium anstreben. Der Stand der Umsetzung soll u. a. in Form einer Qualifikationsmatrix in der Erklärung zur Unternehmensführung offengelegt werden.
Prüfungsausschuss und Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer
In Grundsatz 14 wurde ergänzend aufgenommen, dass ein Prüfungsausschuss einzurichten ist. Diese Anpassung beruht auf der durch das FISG in § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG neu eingeführten entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung. Dadurch wurde die bisherige Empfehlung D. 3 DCGK 2020 zur Errichtung eines Prüfungsausschusses entbehrlich.
Die bisherige Empfehlung D.11 DCGK 2020, wonach der Prüfungsausschuss regelmäßig die Beurteilung der Qualität der Abschlussprüfung vornehmen soll, wurde durch Empfehlung D.10 DCGK 2022 ersetzt. Danach soll der Prüfungsausschuss mit dem Abschlussprüfer die Einschätzung des Prüfungsrisikos, die Prüfungsstrategie und Prüfungsplanung sowie die Prüfungsergebnisse diskutieren. Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses soll sich regelmäßig mit dem Abschlussprüfer über den Fortgang der Prüfung austauschen und dem Ausschuss hierüber berichten. Darüber hinaus soll der Prüfungsausschuss regelmäßig mit dem Abschlussprüfer auch ohne Vorstand beraten.
Weiter ist in der finalen Kodexfassung keine Empfehlung mehr enthalten, dass der Prüfungsausschuss auch externe Prüfungen des internen Revisionssystems veranlassen soll. Die Empfehlung der Konsultationsfassung, wonach der Prüfungsausschuss mit dem Abschlussprüfer auch ohne den Vorstand tagen soll, wurde in Empfehlung D.10 der neuen Fassung (lediglich) leicht modifiziert.
Empfehlung D.10 DCGK 2022 ergänzt den durch das FISG neu eingeführten § 109 Abs. 1 Satz 3 AktG. Danach nimmt der Vorstand an einer Sitzung des Aufsichtsrats nicht teil, wenn der Abschlussprüfer als Sachverständiger zugezogen wird, es sei denn, der Aufsichtsrat oder der Ausschuss erachtet seine Teilnahme für erforderlich.
Qualifikation der Finanzexperten im Prüfungsausschuss
Nach dem neuen Grundsatz 15 zur Qualifikation der Mitglieder des Prüfungsausschusses muss mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied des Prüfungsausschusses über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen.
Dem entspricht die mit dem FISG eingeführte Vorgabe zur Mitgliedschaft von mindestens zwei sog. Finanzexperten im Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss, § 100 Abs. 5, § 107 Abs. 4 Satz 3 AktG. Die sich an Grundsatz 15 anschließende, weitgehend ebenfalls neue Empfehlung D.3 legt fest, dass zu den Kenntnissen und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und interner Kontroll- und Risikomanagementsysteme sowie den Kenntnissen und Erfahrungen in der Abschlussprüfung auch Kenntnisse zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung gehören.
Darüber hinaus soll der Vorsitzende des Prüfungsausschusses zumindest auf einem der Gebiete Rechnungslegung oder Abschlussprüfung sachverständig sein. Weiter soll die Erklärung zur Unternehmensführung die betreffenden Mitglieder des Prüfungsausschusses nennen und nähere Angaben zu ihrem Sachverstand enthalten. Ferner soll der Aufsichtsratsvorsitzende nicht den Vorsitz im Prüfungsausschuss innehaben.
Bericht über Form der Aufsichtsratssitzungen
Gemäß neuer Fassung der Empfehlung D.7 DCGK 2022 soll im Bericht des Aufsichtsrats künftig zusätzlich angegeben werden, wie viele Sitzungen des Aufsichtsrats und der Ausschüsse in Präsenz oder als Video- oder Telefonkonferenzen durchgeführt wurden.
Was betroffene Unternehmen veranlassen sollten
Wie bei früheren Kodex-Novellen erfordert das Inkrafttreten neuer Empfehlungen zwar keine unterjährige Anpassung der bereits veröffentlichten Entsprechenserklärung; für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des DCGK 2022 ist die Erklärung jedoch bereits auf den neuen DCGK 2022 zu beziehen.
Betroffene Unternehmen sollten die Anpassungen des DCGK 2022 frühzeitig prüfen, um zu vermeiden, dass in der Rückschau für den ggf. nur kurzen Anwendungszeitraum etwaige Abweichungen offengelegt werden müssen. Aufgrund der neu hinzugekommenen Empfehlungen könnte auch eine Anpassung der internen Prozesse erforderlich werden, die idealerweise bis zur nächsten Entsprechenserklärung umzusetzen wäre.
Das Interne Kontrollsystem und Risikomanagementsystem sollte mit Blick auf Empfehlung A.3 DCGK 2022 überprüft und ggf. um ein angemessenes Compliance Management System ergänzt werden. Alle drei Corporate Governance Systeme sind zudem um Nachhaltigkeitsaspekte zu erweitern. Der Aufsichtsrat sollte gemäß Empfehlungen C. 1 und D 3 DCGK 2022 erforderlichen Qualifikationen seiner Mitglieder nachkommen und die Vorgaben in D. 7 DCGK 2022 zu den Sitzungen des Aufsichtsrats entsprechend berücksichtigen. Auch die neuerdings in C.1 DCGK empfohlene Qualifikationsmatrix muss für die Erklärung zur Unternehmensführung erarbeitet werden, wenn keine Abweichung erklärt werden soll.