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Steuerberatung

Besteuerung einer Altersrente: verfassungswidrige Doppelbesteuerung?

FG Baden-Württemberg v. 1.10.2019 - 8 K 3195/16

Die Be­steue­rung ei­ner Al­ters­rente führt nicht zu ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Dop­pel­be­steue­rung. So­fern Ehe­gat­ten zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt wer­den, ist der für die Ver­an­la­gungs­zeiträume bis 2004 gewährte Son­der­aus­ga­ben­ab­zug zwi­schen den Ehe­gat­ten gleichmäßig im Verhält­nis der von ih­nen ge­leis­te­ten und gel­tend ge­mach­ten Ver­si­che­rungs­beiträgen auf­zu­tei­len und dann der an­tei­lig auf die Ren­ten­ver­si­che­rungs­beiträge des be­trof­fe­nen Ehe­gat­ten ent­fal­lende An­teil am Son­der­aus­ga­ben­ab­zug zu er­mit­teln. Eine hälf­tige Auf­tei­lung des Vor­weg­ab­zugs ist nicht sach­ge­recht.

Der Sach­ver­halt:
Der ver­hei­ra­tete Kläger ent­rich­tete etwa zehn Jahre lang als Aus­zu­bil­den­der und An­ge­stell­ter Pflicht­beiträge zur ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung. Als frei­be­ruf­lich Täti­ger war er auf An­trag bei der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung (DRV) bis zum Ein­tritt in den Ru­he­stand pflicht­ver­si­chert. Seit De­zem­ber 2007 be­zieht er eine Al­ters­rente aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung.

Das be­klagte Fi­nanz­amt berück­sich­tigte einen steu­er­pflich­ti­gen Be­steue­rungs­an­teil von 54 %. Der Kläger ist der An­sicht, dies sei ver­fas­sungs­wid­rig. Als Frei­be­ruf­ler habe er 89,15 % der Beiträge aus ver­steu­er­tem Ein­kom­men ge­zahlt. Der Kläger legte Ver­si­che­rungs­verläufe der DRV für sich und seine Ehe­frau vor so­wie die als be­schränkt ab­zugsfähige Son­der­aus­ga­ben gel­tend ge­mach­ten Ver­si­che­rungs­auf­wen­dun­gen in ta­bel­la­ri­scher Form, ko­pierte Auszüge der Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen und die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide der Jahre 1971-2007. Die DRV hatte An­ga­ben zum Um­la­ge­ver­fah­ren und zur Höhe ei­ner mögli­chen Wit­wen­rente ge­macht.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück. Das FG wies die Klage auch im zwei­ten Rechts­gang ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde er­neut zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Summe der dem Kläger nach der sta­tis­ti­schen Le­bens­er­war­tung nach der im Zeit­punkt des Ren­ten­ein­tritts letzt­verfügba­ren Ster­be­ta­fel vor­aus­sicht­lich steue­run­be­las­tet zu­fließen­den Ren­tenteil­beträge ist höher als der vom Kläger aus ver­steu­er­tem Ein­kom­men ge­leis­tete Teil sei­ner Al­ters­vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen. Die Be­rech­nung der steue­run­be­las­tet zu­fließen­den Ren­tenteil­beträge war auf der Grund­lage des No­mi­nal­wert­prin­zips vor­zu­neh­men. Da­bei ist we­der die Le­bens­er­war­tung der jünge­ren Ehe­frau im Hin­blick auf eine ihr mögli­cher­weise künf­tig zu­fließende Hin­ter­blie­be­nen­rente zu berück­sich­ti­gen, noch der Wer­bungs­kos­ten­pausch­be­trag, der Son­der­aus­ga­ben-Pausch­be­trag, die Son­der­aus­ga­ben­abzüge für die aus der Rente zu zah­len­den Kran­ken­ver­si­che­rungs­beiträge und Pfle­ge­ver­si­che­rungs­beiträge oder nach § 3 Nr. 14 EStG steu­er­freie Zu­schüsse der Ren­ten­ver­si­che­rungsträger zu Kran­ken­ver­si­che­rungs­beiträgen.

Die Ein­kom­men­steuer ist eine Per­so­nen­steuer. Es gilt da­her der Grund­satz der In­di­vi­dual­be­steue­rung. Son­der­aus­ga­ben und Steu­er­be­frei­un­gen die­nen der Frei­stel­lung des Exis­tenz­mi­ni­mums. Dies gilt auch für den Grund­frei­be­trag. Der Wer­bungs­kos­ten­pausch­be­trag ver­wirk­licht das ob­jek­tive Net­to­prin­zip. Bei der Be­rech­nung der aus ver­steu­er­tem Ein­kom­men ent­rich­te­ten Al­ters­vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen wa­ren die Beiträge zu den ver­schie­de­nen Spar­ten der So­zi­al­ver­si­che­rung gleich­ran­gig ein­schließlich der­je­ni­gen zu pri­va­ten Kran­ken- oder Pfle­ge­ver­si­che­run­gen zu berück­sich­ti­gen, so­weit sie der Er­lan­gung ei­nes mit dem Ni­veau der ge­setz­li­chen Ver­si­che­rung ver­gleich­ba­ren Schut­zes die­nen.

So­fern Ehe­gat­ten zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt wer­den, ist der für die Ver­an­la­gungs­zeiträume bis 2004 gewährte Son­der­aus­ga­ben­ab­zug zwi­schen den Ehe­gat­ten gleichmäßig im Verhält­nis der von ih­nen ge­leis­te­ten und gel­tend ge­mach­ten Ver­si­che­rungs­beiträgen auf­zu­tei­len und dann der an­tei­lig auf die Ren­ten­ver­si­che­rungs­beiträge des be­trof­fe­nen Ehe­gat­ten ent­fal­lende An­teil am Son­der­aus­ga­ben­ab­zug zu er­mit­teln. Eine hälf­tige Auf­tei­lung des Vor­weg­ab­zugs ist nicht sach­ge­recht. Für die Frage, ob Auf­wen­dun­gen für die Al­ters­vor­sorge aus ver­steu­er­tem Ein­kom­men er­bracht wor­den sind, kommt es nicht auf die Höhe der Ein­kom­men­steuer an.

Die Re­vi­sion zum BFH war zu­zu­las­sen, da die Ein­zel­hei­ten zur Er­mitt­lung ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Dop­pel­be­steue­rung bis­lang nicht höchstrich­ter­lich geklärt sind.

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