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Steuerberatung

Bescheidkorrektur aufgrund neuer Erkenntnisse aus einem Benennungsverlangen

BFH 19.1.2017, III R 28/14

We­der ein Be­nen­nungs­ver­lan­gen i.S.d. § 160 AO noch die (feh­lende) Ant­wort hier­auf begründen die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ände­rung we­gen neuer Tat­sa­chen oder auf­grund ei­nes rück­wir­ken­den Er­eig­nis­ses. Da­mit knüpft der III. Se­nat un­mit­tel­bar an die Ent­schei­dung  des X. Se­nats v. 9.3.2016 (Az.: X R 9/13) an und bestätigt die dort ver­tre­tene Rechts­auf­fas­sung.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger er­zielt aus einem Schrott­han­del Einkünfte aus Ge­wer­be­be­trieb, die er in den Streit­jah­ren 2006 und 2007 durch Ein­nah­menüber­schuss­rech­nung er­mit­telt hatte. Im Jahr 2010 lei­tete das zuständige Fi­nanz­amt ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren u.a. we­gen Hin­ter­zie­hung von Ein­kom­men­steuer 2006 und 2007 ein, da es auf­grund von Kon­troll­ma­te­rial an­nahm, dass der Kläger seine Ge­winne un­vollständig erklärt hatte. Auf­grund meh­re­rer An­fang 2011 er­gan­ge­ner Prüfungs­an­ord­nun­gen führte das Fi­nanz­amt um­fas­sende Außenprüfung durch. Hier­bei stellte der Prüfer u.a. fest, dass für die als Be­triebs­aus­ga­ben er­fass­ten Wa­ren­einkäufe keine Be­lege vor­han­den wa­ren.

Im Jahr 2011 for­derte der Prüfer die Steu­er­be­ra­te­rin des Klägers un­ter Hin­weis auf § 160 AO auf, die Empfänger der ent­spre­chen­den Be­triebs­aus­ga­ben zu be­nen­nen. Dem kam der Kläger nicht nach. Dar­auf­hin schätzte der Prüfer die Be­triebs­ein­nah­men. Hier­aus er­ga­ben sich Hin­zu­schätzun­gen i.H.v. netto 47.811 € für 2006 (Be­triebs­ein­nah­men ins­ge­samt: 70.576 €) und 15.816 € für 2007 (Be­triebs­ein­nah­men ins­ge­samt: 57.592 €). Die in den Ge­winn­er­mitt­lun­gen berück­sich­tig­ten Auf­wen­dun­gen für den Wa­ren­ein­kauf für die Streit­jahre ließ der Prüfer nicht zum Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zug zu. Zu­dem er­fasste er auf­grund ei­ner Kon­troll­mit­tei­lung über eine Quit­tung für beide Streit­jahre ge­schätzte Be­triebs­ein­nah­men i.H.v. je­weils 2.000 € brutto.

Das Fi­nanz­amt folgte den Prüfungs­fest­stel­lun­gen und er­ließ nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Be­scheide, in de­nen es die Ein­kom­men­steuer für 2006 auf 23.593 € und für 2007 auf 16.510 € erhöhte. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage teil­weise statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Gründe:
Der vom FG fest­ge­stellte Sach­ver­halt trug nicht des­sen recht­li­che Be­ur­tei­lung, dass nachträglich Tat­sa­chen oder Be­weis­mit­tel be­kannt wor­den wa­ren, die zu ei­ner höheren Steuer führ­ten, so­wie dass für den Schrot­tein­kauf Be­triebs­aus­ga­ben zu schätzen wa­ren.

Nach § 162 Abs. 1 S. 1 AO muss die Fi­nanz­behörde Be­steue­rungs­grund­la­gen schätzen, so­weit sie sie nicht er­mit­teln oder be­rech­nen kann. Zu schätzen ist ins­be­son­dere dann, wenn der Steu­er­pflich­tige über seine An­ga­ben keine aus­rei­chen­den Aufklärun­gen zu ge­ben ver­mag oder wei­tere Aus­kunft oder eine Ver­si­che­rung an Ei­des statt ver­wei­gert oder seine Mit­wir­kungs­pflicht nach § 90 Abs. 2 AO ver­letzt. Das Glei­che gilt u.a. dann, wenn der Steu­er­pflich­tige Bücher oder Auf­zeich­nun­gen, die er nach den Steu­er­ge­set­zen zu führen hat, nicht vor­le­gen kann.

Bei der Prüfung, ob und in wel­chem Um­fang ein zu Be­triebs­aus­ga­ben führen­der Wa­ren­ein­kauf durch den Steu­er­pflich­ti­gen statt­ge­fun­den hat, können sämt­li­che Er­kennt­nisse aus ei­ner Be­triebsprüfung ein­schließlich ei­nes Be­nen­nungs­ver­lan­gens nach § 160 AO ver­wer­tet wer­den. Denn die Berück­sich­ti­gung des in ei­ner Be­triebsprüfung ge­won­ne­nen Wis­sens be­ruht nicht auf § 160 AO und ist un­abhängig von den Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen die­ser Vor­schrift möglich und ge­bo­ten. Es han­delt sich viel­mehr um Sach­ver­halts­er­mitt­lun­gen, die be­reits durch § 88 Abs. 1 S. 1 AO ge­recht­fer­tigt sind.

Die Er­geb­nisse sol­cher Er­mitt­lun­gen können im Rah­men des Fest­set­zungs­ver­fah­rens auch nach Be­stands­kraft ei­nes Be­scheids ver­ar­bei­tet wer­den, wenn und so­weit dies durch die ent­spre­chen­den Ände­rungs­vor­schrif­ten ge­deckt ist. Al­lein der Um­stand, dass die ent­spre­chen­den Nach­fra­gen ih­rer­seits auch als Be­nen­nungs­ver­lan­gen nach § 160 AO qua­li­fi­ziert wer­den können, ändert hieran nichts. Soll eine Ände­rung zu Un­guns­ten des Steu­er­pflich­ti­gen durch­geführt wer­den, muss sich diese im Rah­men des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO hal­ten. Eine darüber­hin­aus­ge­hende Kürzung des Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zugs we­gen der feh­len­den Be­nen­nung des Empfängers der zu berück­sich­ti­gen­den Zah­lun­gen nach § 160 Abs. 1 S. 1 AO ist da­ge­gen in­ner­halb des Kor­rek­tur­rah­mens des § 173 Abs. 1 Nr.1 AO aus­ge­schlos­sen.

Ent­spre­chend erfüllt ein Be­nen­nungs­ver­lan­gen des Fi­nanz­am­tes oder die hier­auf ver­wei­gerte Aus­kunft des Steu­er­pflich­ti­gen auch nicht die Vor­aus­set­zun­gen für eine Ände­rung des Be­schei­des nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Denn ein rück­wir­ken­des Er­eig­nis liegt nur vor, wenn der nach dem Steu­er­tat­be­stand rechts­er­heb­li­che Sach­ver­halt sich später an­ders ge­stal­tet und sich steu­er­lich in der Weise in die Ver­gan­gen­heit aus­wirkt, dass nun­mehr der veränderte an­stelle des zu­vor ver­wirk­lich­ten Sach­ver­halts der Be­steue­rung zu­grunde zu le­gen ist. Da­ge­gen genügt eine an­dere recht­li­che Be­ur­tei­lung des un­verändert blei­ben­den Sach­ver­halts in­so­weit nicht. Ob ei­ner nachträgli­chen Ände­rung des Sach­ver­halts rück­wir­kende steu­er­li­che Be­deu­tung zu­kommt, also be­reits ein­ge­tre­tene steu­er­li­che Rechts­fol­gen mit Wir­kung für die Ver­gan­gen­heit sich ändern oder vollständig ent­fal­len, ist den Nor­men des ma­te­ri­el­len Steu­er­rechts zu ent­neh­men.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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