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Steuerberatung

Altersbedingte Kinderlosigkeit: Kosten der Kinderwunschbehandlung abzugsfähig?

FG Berlin-Brandenburg v. 18.10.2018 - 9 K 11390/16

Der BFH er­kennt Auf­wen­dun­gen für künst­li­che Be­fruch­tung als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung an, wenn diese in Übe­rein­stim­mung mit den Richt­li­nien der Be­rufs­ord­nun­gen für Ärzte vor­ge­nom­men wird. We­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Frage, ob auch in der al­ters­be­dingt her­ab­ge­setz­ten Fer­ti­lität ei­ner Frau eine der Empfäng­nis­unfähig­keit ver­gleich­bare Krank­heit zu se­hen ist, wurde al­ler­dings die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Der Sach­ver­halt:

Die un­ver­hei­ra­tete Kläge­rin machte in ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr 2015 Auf­wen­dun­gen für eine künst­li­che Be­fruch­tung i.H.v. 12.531 € gel­tend. Zu die­sem Zeit­punkt war 40 Jahre alt. Das Fi­nanz­amt for­derte sie dar­auf­hin auf, Nach­weise für die Zwangsläufig­keit der Auf­wen­dun­gen bei­zu­brin­gen. So fehle etwa der Nach­weis, ob die Kläge­rin keine Kin­der be­kom­men oder ob der Le­bens­gefährte der Kläge­rin keine Kin­der zeu­gen könne. Die Kläge­rin ant­wor­tete hier­auf, eine me­di­zi­ni­sche In­di­ka­tion müsse nicht nach­ge­wie­sen wer­den; die Recht­spre­chung (BFH-Urt. v. 16.12.2010, Az.: VI R 43/10) ver­lange in­so­weit keine Do­ku­men­ta­tion.

Das Fi­nanz­amt setzte dar­auf­hin die Ein­kom­men­steuer für 2015 fest, ohne die gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen für die künst­li­che Be­fruch­tung zum Ab­zug zu­zu­las­sen. Die Auf­wen­dun­gen für eine künst­li­che Be­fruch­tung ei­ner un­ver­hei­ra­te­ten Frau, die den Nach­weis der ei­ge­nen Un­frucht­bar­keit nicht er­bracht habe, könn­ten nicht als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung berück­sich­tigt wer­den, da es an der Zwangsläufig­keit fehle. Das von der Kläge­rin an­geführte Ur­teil des BFH sei nicht ein­schlägig, da es sich bei den dor­ti­gen Klägern um Ehe­leute ge­han­delt habe.

Das FG wies die Klage ab. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:

Das Fi­nanz­amt hat die Auf­wen­dun­gen der Kläge­rin für die im Streit­jahr durch­geführte Kin­der­wunsch­be­hand­lung zu Recht nicht als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung berück­sich­tigt.

Die Empfäng­nis­unfähig­keit ei­ner Frau ist eine Krank­heit. Dem­ent­spre­chend er­kennt der BFH in ständi­ger Recht­spre­chung Auf­wen­dun­gen für die künst­li­che Be­fruch­tung als Be­hand­lung bei Ste­ri­lität an, wenn diese in Übe­rein­stim­mung mit den Richt­li­nien der Be­rufs­ord­nun­gen für Ärzte vor­ge­nom­men wird. Nach neu­erer Recht­spre­chung kommt es in­so­weit we­der auf den Fa­mi­li­en­stand der Frau noch dar­auf an, ob sie mit einem männ­li­chen Part­ner oder in ei­ner gleich­ge­schlecht­li­chen Part­ner­schaft lebt. Er­for­der­lich ist al­ler­dings in je­dem Fall, dass die künst­li­che Be­fruch­tung mit dem Ziel er­folgt, die auf ei­ner "Krank­heit" der Frau (Empfäng­nis­unfähig­keit) oder des Man­nes (Zeu­gungs­unfähig­keit) be­ru­hende Kin­der­lo­sig­keit zu be­he­ben.

Un­ter ei­ner sog. "Krank­heit" ist ein ob­jek­tiv ano­ma­ler re­gel­wid­ri­ger Körper­zu­stand zu ver­ste­hen. Hier­von ist nach der Über­zeu­gung des Se­nats der Fall ab­zu­gren­zen, dass eine ob­jek­tiv fest­stell­bare her­ab­ge­setzte Fer­ti­lität nicht auf anor­ma­len or­ga­ni­schen Ur­sa­chen, son­dern auf dem fort­ge­schrit­te­nen Al­ter ei­nes Men­schen be­ruht. Es han­delt sich in die­sem Fall ge­rade nicht um einen "re­gel­wid­ri­gen" Körper­zu­stand, son­dern um die Folge ei­nes natürli­chen bio­lo­gi­schen Vor­gangs.

Im Streit­fall war die Kläge­rin bei Vor­nahme der Kin­der­wunsch­be­hand­lung be­reits 40 Jahre alt. In die­sem Al­ter ist die Fer­ti­lität ei­ner Frau nach all­ge­mei­nen me­di­zi­ni­schen Er­kennt­nis­sen im Durch­schnitt be­reits er­heb­lich her­ab­ge­setzt, ohne dass man in­so­weit von ei­ner "Krank­heit" spre­chen könnte. An­dere or­ga­ni­sche Ur­sa­chen für die fort­dau­ernde Kin­der­lo­sig­keit der Kläge­rin und ih­res Part­ners wa­ren trotz ein­ge­hen­der ärzt­li­cher Un­ter­su­chun­gen nicht fest­zu­stel­len. Wenn die Kläge­rin dar­auf ver­weist, dass eine un­ge­wollte Kin­der­lo­sig­keit, so­fern keine körper­li­chen Ur­sa­chen fest­stell­bar seien, im­mer auf psy­chi­schen Ur­sa­chen ba­sie­ren müsse, so dass "im­mer eine Krank­heit" vor­liege, kann dies - falls über­haupt - nur für Part­ner gel­ten, die sich in einem voll gebährfähi­gem Al­ter be­fin­den.

Der hier ge­trof­fe­nen Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen ei­ner "anor­ma­len" und ei­ner "nor­ma­len" her­ab­ge­setz­ten Fer­ti­lität auf­grund Al­ters steht auch nicht ent­ge­gen, dass in der Recht­spre­chung mit­un­ter auch Auf­wen­dun­gen für sol­che Hilfs­mit­tel (z.B. für Bril­len, Hörap­pa­rate, Rollstühle) als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen an­er­kannt wer­den, die dazu be­stimmt sind, an­dere al­ters­be­dingte körper­li­che Funk­ti­ons­be­einträch­ti­gun­gen aus­zu­glei­chen. Während der Men­sch ide­al­ty­pi­scher­weise während sei­ner ge­sam­ten Le­bens­dauer die Fähig­kei­ten des Se­hens, Hörens und des Sich-Fort­be­we­gens behält, gilt dies für die Fort­pflan­zungsfähig­keit der Frau aus bio­lo­gi­schen Gründen ge­rade nicht.

Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Frage, ob auch in der al­ters­be­dingt her­ab­ge­setz­ten Fer­ti­lität ei­ner Frau eine der Empfäng­nis­unfähig­keit ver­gleich­bare Krank­heit zu se­hen ist, die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

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