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Steuerberatung

Ablaufhemmung wegen Erstattungsanspruchs eines anderen Steuerpflichtigen?

Niedersächsisches FG v. 19.11.2019 - 5 K 193/18

In sog. Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG be­wirkt die Er­stat­tungs­for­de­rung des Leis­tungs­empfängers keine Ab­lauf­hem­mung nach § 171 Abs. 14 AO hin­sicht­lich der Ände­rung der Um­satz­steu­er­fest­set­zung für den Leis­ten­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin er­brachte im Jahre 2009 eine Bau­leis­tung an ein Bauträger­un­ter­neh­men. Die Ver­trags­part­ner gin­gen ent­spre­chend der da­ma­li­gen Ver­wal­tungs­auf­fas­sung da­von aus, dass die Leis­tungs­empfänge­rin die Um­satz­steuer nach § 13b UStG schulde. Aus die­sem Grunde wies die Kläge­rin in der Rech­nung vom 19.8.2009 keine Um­satz­steuer aus. Dem­ent­spre­chend war die­ser Um­satz in dem Zah­len­werk, wel­ches der 2010 beim Be­klag­ten ein­ge­reich­ten Um­satz­steu­er­erklärung 2009 zu­grunde lag, nicht ent­hal­ten. Das Fi­nanz­amt stimmte der Um­satz­steu­er­erklärung 2009 zu, so dass die Erklärung nach § 168 AO ei­ner Steu­er­fest­set­zung un­ter dem Vor­be­halt der Nachprüfung gleich­stand.

Im An­schluss an das Ur­teil des BFH vom 22.8.2013 (V R 37/10) be­an­tragte die Leis­tungs­empfänge­rin im De­zem­ber 2014 die Er­stat­tung der sei­ner­zeit als Steu­er­schuld­ne­rin ge­zahl­ten Um­satz­steuer. 2015 for­derte das Fi­nanz­amt die Kläge­rin auf, eine be­rich­tigte Um­satz­steu­er­erklärung für 2009 ein­zu­rei­chen. Auf die Möglich­keit, den zi­vil­recht­li­chen Zah­lungs­an­spruch ge­gen den Leis­tungs­empfänger an das Land Nie­der­sach­sen ab­zu­tre­ten, wies das Fi­nanz­amt die Kläge­rin hin. Dem­ge­genüber ver­trat die Kläge­rin die Auf­fas­sung, dass Fest­set­zungs­verjährung ein­ge­tre­ten sei und der Um­satz­steu­er­be­scheid 2009 nicht mehr geändert wer­den könne. Das Fi­nanz­amt erhöhte mit gem. § 164 Abs. 2 AO geänder­tem Um­satz­steu­er­be­scheid 2009 im Jahr 2018 die Umsätze zum Re­gel­steu­er­satz um das Net­to­ent­gelt für die Bau­leis­tung.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die beim BFH anhängige Re­vi­sion des Fi­nanz­amts wird dort un­ter dem Az. VR 3/20 geführt.

Die Gründe:
Der Be­scheid ist nach Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist er­gan­gen. In sog. Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG be­wirkt die Er­stat­tungs­for­de­rung des Leis­tungs­empfängers keine Ab­lauf­hem­mung nach § 171 Abs. 14 AO hin­sicht­lich der Ände­rung der Um­satz­steu­er­fest­set­zung für den Leis­ten­den.

Die Fest­set­zungs­frist beträgt bei der Um­satz­steuer nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre; sie be­ginnt gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res, in dem der Steu­er­pflich­tige beim Fi­nanz­amt seine Steu­er­erklärung ein­ge­reicht hat. Da die Kläge­rin ihre Um­satz­steu­er­erklärung für 2009 im Jahr 2010 ab­ge­ge­ben hat, en­dete die Fest­set­zungs­frist re­gulär mit Ab­lauf des 31.12.2014, d.h. im Zeit­punkt des Er­ge­hens des Ände­rungs­be­schei­des im Jahr 2018 war diese Frist vor­be­halt­lich ei­ner Ab­lauf­hem­mung be­reits seit ge­raumer Zeit ab­ge­lau­fen. Der Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist war im Streit­fall nicht nach § 171 Abs. 14 AO ge­hemmt. Das Fi­nanz­amt geht zu Un­recht da­von aus, dass der Er­stat­tungs­an­spruch der Leis­tungs­empfänge­rin in einem Zu­sam­men­hang mit der Fest­set­zung der Um­satz­steuer für 2009 ge­genüber der Kläge­rin steht, we­gen des­sen der Tat­be­stand der Vor­schrift ver­wirk­licht ist.

Nach dem Wort­laut des § 171 Abs. 14 AO en­det die Fest­set­zungs­frist für einen Steu­er­an­spruch nicht, so­weit da­mit zu­sam­menhängen­der Er­stat­tungs­an­spruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht zah­lungs­verjährt ist. Es muss folg­lich ein "Zu­sam­men­hang" zwi­schen Er­stat­tungs­an­spruch und Steu­er­an­spruch be­ste­hen. im Streit­fall die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 171 Abs. 14 AO nicht ver­wirk­licht. Zwar steht der Wort­laut der Vor­schrift der vom Fi­nanz­amt be­vor­zug­ten wei­ten Aus­le­gung nicht ent­ge­gen; im Lichte der Zweck­be­stim­mung der Vor­schrif­ten über die Fest­set­zungs­verjährung und un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­setz­ge­bungs­ma­te­ria­lien ist aber hin­sicht­lich des un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs des Zu­sam­men­hangs eine en­gere Aus­le­gung der Vor­schrift da­hin­ge­hend vor­zu­neh­men, dass je­den­falls ein von zwei ver­schie­de­nen Steu­er­pflich­ti­gen ab­ge­schlos­se­ner schuld­recht­li­cher Ver­trag nicht ge­eig­net ist, einen Zu­sam­men­hang i.S.d. § 171 Abs. 14 AO zwi­schen dem durch die Aus­wir­kun­gen des Ver­tra­ges begründe­ten Steu­er­er­stat­tungs­an­spruch des einen Steu­er­pflich­ti­gen und der Fest­set­zung ei­ner höheren Steuer ge­genüber dem an­de­ren Steu­er­pflich­ti­gen zu begründen.

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