deen

Aktuelles

Zur Reichweite der Verantwortlichkeit des aufklärenden Arztes

BGH 21.10.2014, VI ZR 14/14

Auch Ärzte, die Pa­ti­en­ten aus­schließlich über die von an­de­ren Ärz­ten an­ge­ra­te­nen und durch­zuführen­den Ein­griffe aufklären, können den Pa­ti­en­ten im Fall ei­ner feh­ler­haf­ten oder un­zu­rei­chen­den Aufklärung aus un­er­laub­ter Hand­lung haf­ten. Die An­nahme ei­ner Ga­ran­ten­pflicht bei tatsäch­li­cher Über­nahme ei­ner ärzt­li­chen Be­hand­lung hat ih­ren Grund in der Über­nahme ei­nes Auf­trags oder in dem Ver­trauen, das der be­tref­fende Arzt beim Pa­ti­en­ten durch sein Tätig­wer­den her­vor­ruft und die­sen da­von abhält, an­der­wei­tig Hilfe in An­spruch zu neh­men.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin litt seit Jah­ren beid­sei­tig an Knie­be­schwer­den und war des­halb be­reits mehr­fach ope­riert wor­den. An­fang Ok­to­ber 2000 stellte sie sich erst­mals Dr. T., Arzt und da­ma­li­ger Ge­schäftsführer ei­ner Pri­vat­kli­nik vor. Für die Vor­un­ter­su­chung war Dr. Z. zuständig, der der Kläge­rin be­reits anläss­lich die­ses Ter­mins einen kon­kre­ten ope­ra­ti­ven The­ra­pie­vor­schlag un­ter­brei­tet hatte. An­fang No­vem­ber 2000 un­ter­zog sich die Kläge­rin hier­auf ei­ner Ar­thro­sko­pie. Im Fe­bruar 2001 ver­ein­barte die Kläge­rin mit Dr. T., sich ei­ner Ope­ra­tion am rech­ten Knie zu un­ter­zie­hen.

Nach einem Ge­spräch mit der Be­klag­ten, die als nie­der­ge­las­sene Fachärz­tin für Or­thopädie frei­be­ruf­lich in der Kli­nik tätig und mit Dr. T. über eine sog. "Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung" ver­bun­den war, un­ter­zeich­nete die Kläge­rin eine ihr vor­ge­legte Ein­verständ­nis­erklärung, in der es u.a. hieß, die Kläge­rin sei über die Er­folgs­aus­sich­ten des Ein­griffs auf­geklärt wor­den. An­schließend führte Dr. T. am rech­ten Knie der Kläge­rin eine ar­thro­sko­pi­sche und of­fene Ope­ra­tion mit ei­ner par­ti­el­len Syn­ovek­to­mie, ei­ner Sha­ving-Chon­dro­plas­tik Pa­tella und ei­ner la­te­ra­len Re­ti­na­ku­lo­to­mie durch. In der Fol­ge­zeit ent­schloss sich die Kläge­rin, auch ihr lin­kes Knie von Dr. T. ope­rie­ren zu las­sen. Der Ab­lauf war der glei­che wie beim ers­ten Mal. Auch diese Erklärung wurde von der Be­klag­ten mit dem Zu­satz "i. V." ge­gen­ge­zeich­net.

Beide Ope­ra­tio­nen er­brach­ten nicht das von der Kläge­rin gewünschte Er­geb­nis. Bezüglich bei­der Knie wur­den Re­vi­si­ons­ope­ra­tio­nen er­for­der­lich. Später be­haup­tete die Kläge­rin, von der Be­klag­ten in­halt­lich un­zu­rei­chend und zu spät auf­geklärt wor­den zu sein und for­derte die Zah­lung ei­nes Schmer­zens­gel­des i.H.v. min­des­tens 40.000 €. Das LG gab der Klage i.H.v. 12.000 € statt; das OLG wies sie ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:
Von Rechts­feh­lern be­ein­flusst war die An­nahme des OLG, die Be­klagte habe nur die Aufklärung über die all­ge­mei­nen Ri­si­ken der be­ab­sich­tig­ten Ope­ra­tion, nicht aber die Aufklärung über die Er­folgs­aus­sich­ten und Be­hand­lungs­al­ter­na­ti­ven über­nom­men. Der von der Vor­in­stanz auf­ge­stellte Rechts­satz, der mit der Aufklärung be­auf­tragte Arzt über­nehme dann, wenn er an der In­di­ka­ti­ons­stel­lung und Ver­ein­ba­rung der Ope­ra­tion nicht be­tei­ligt ge­we­sen sei, nur den Teil der Aufklärung, der die In­for­ma­tion über die all­ge­mei­nen Ri­si­ken der zwi­schen dem Pa­ti­en­ten und den be­han­deln­den Ärz­ten ver­ein­bar­ten Ope­ra­tion be­treffe, und nehme auch nur in­so­weit eine Ga­ran­ten­stel­lung ge­genüber dem Pa­ti­en­ten ein, traf - zu­min­dest hier - nicht zu.

Auch der Arzt, der einen Pa­ti­en­ten aus­schließlich über den von einem an­de­ren Arzt an­ge­ra­te­nen und durch­zuführen­den Ein­griff aufklärt, kann dem Pa­ti­en­ten im Falle ei­ner feh­ler­haf­ten oder un­zu­rei­chen­den Aufklärung aus un­er­laub­ter Hand­lung haf­ten. Die An­nahme ei­ner Ga­ran­ten­pflicht bei tatsäch­li­cher Über­nahme ei­ner ärzt­li­chen Be­hand­lung hat ih­ren Grund in der Über­nahme ei­nes Auf­trags (vgl. BGH-Urt. v. 31.1.2002, Az.: 4 StR 289/01; 8.2.2000, Az.: VI ZR 325/98) oder in dem Ver­trauen, das der be­tref­fende Arzt beim Pa­ti­en­ten durch sein Tätig­wer­den her­vor­ruft und die­sen da­von abhält, an­der­wei­tig Hilfe in An­spruch zu neh­men (Se­nats­ur­teil v. 20.2.1979, Az.: VI ZR 48/78). Fest­stel­lun­gen, dass die Be­klagte es ge­genüber den be­han­deln­den Ärz­ten über­nom­men hätte, die Kläge­rin über die Er­folgs­aus­sich­ten der be­ab­sich­tig­ten Ope­ra­tio­nen auf­zuklären, wa­ren al­ler­dings nicht ge­trof­fen wor­den.

Im wei­te­ren Ver­fah­ren wird das OLG berück­sich­ti­gen müssen, dass der Kläge­rin im Rah­men der von der Be­klag­ten geführ­ten Ge­spräche Ein­wil­li­gungsbögen, nach de­ren In­halt sie auch bestätigte, über die Er­folgs­aus­sich­ten des je­wei­li­gen Ein­griffs auf­geklärt wor­den zu sein, über­ge­ben und an­schließend von der Be­klag­ten ge­gen­ge­zeich­net wur­den. Eben­falls berück­sich­tigt wer­den müssen et­waige (Aufklärungs-)Ge­spräche mit den be­han­deln­den Ärz­ten, die im Vor­feld des je­weils von der Be­klag­ten durch­geführ­ten Aufklärungs­ge­sprächs statt­ge­fun­den hat­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund konnte auch nicht of­fen blei­ben, ob und in­wie­weit die be­han­deln­den Ärzte die Kläge­rin be­reits über die Er­folgs­aus­sich­ten der Ein­griffe auf­geklärt hat­ten.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text zu kom­men, kli­cken Sie bitte hier.
nach oben