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Zur Berücksichtigung von Gerichtskosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung

FG Düsseldorf 13.2.2014, 12 K 3227/12 E

Ge­richts­kos­ten ei­nes Zi­vil­pro­zes­ses sind als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung zu berück­sich­ti­gen, denn für den Steu­er­pflich­ti­gen, der sein Recht durch­set­zen will oder muss, ist im Rechts­staat die Be­schrei­tung des Rechts­we­ges un­aus­weich­lich. Zi­vil­pro­zess­kos­ten sind da­nach nur dann nicht als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen zu berück­sich­ti­gen, wenn der Steu­er­pflich­tige sich mut­wil­lig oder leicht­fer­tig auf den Pro­zess ein­ge­las­sen hat bzw. wenn die be­ab­sich­tigte Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung aus Sicht ei­nes verständi­gen Drit­ten keine hin­rei­chende Aus­sicht auf Er­folg ge­bo­ten hätte. Al­ler­dings ist mit Wir­kung ab dem Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2013 die Berück­sich­ti­gung von Pro­zess­kos­ten als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen al­ler­dings sehr stark ein­ge­schränkt (§ 33 Abs. 1 Satz 4 EStG).

Der Sach­ver­halt:
Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist die Berück­sich­ti­gung von Ge­richts­kos­ten aus einem Zi­vil­pro­zess i.H.v. 8.726 € als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung gem. § 33 EStG strei­tig. Die Kläger er­war­ben mit Ver­trag vom 26.10.2005 eine von dem Verkäufer, ei­ner Bauträger­ge­sell­schaft, noch zu er­rich­tende Dop­pel­haushälfte in "A" zum Preis von 266.927 €. Im Jahr 2007 kam es im Zu­sam­men­hang mit der Fer­tig­stel­lung und Überg­abe des Gebäudes zum Streit, der zu einem im Na­men der Kläge­rin geführ­ten Rechts­streit vor dem LG führte.

Die Kläge­rin ob­siegte in die­sem Kla­ge­ver­fah­ren zum ganz über­wie­gen­den Teil - die Bauträger­ge­sell­schaft wurde je­doch im Jahr 2009 in­sol­vent, so dass nach Ab­schluss des Ver­fah­rens die Kläge­rin mit Rech­nung der Ge­richts­kasse vom 26.2. als haf­tende Zweit­schuld­ne­rin für die von der un­ter­le­ge­nen Par­tei zu tra­gen­den Ver­fah­rens­kos­ten (88 Pro­zent = 8.726 €) in An­spruch ge­nom­men wurde.

Im Rah­men der Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung 2010 mach­ten die Kläger diese Zah­lung als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung gel­tend und be­zo­gen sich da­bei auf eine neue Ent­schei­dung des BFH zur Berück­sich­ti­gungsfähig­keit von Zi­vil­pro­zess­kos­ten gem. § 33 EStG, "so­weit die be­ab­sich­tigte Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung hin­rei­chende Aus­sicht auf Er­folg biete und nicht mut­wil­lig sei". Das Fi­nanz­amt lehnte eine Berück­sich­ti­gung der Kos­ten im Ver­an­la­gungs­be­scheid ab.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat die gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen in Höhe von 8.726 € zu Un­recht nicht als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG berück­sich­tigt.

Nach dem Ur­teil des BFH vom 12.5.2011 (VI R 42/10) können Zi­vil­pro­zess­kos­ten den Pro­zess­be­tei­lig­ten auch un­abhängig vom Ge­gen­stand des Pro­zes­ses aus recht­li­chen Gründen zwangsläufig er­wach­sen. Denn für den Steu­er­pflich­ti­gen, der sein Recht durch­set­zen will oder muss, ist im Rechts­staat die Be­schrei­tung des Rechts­we­ges un­aus­weich­lich. Zi­vil­pro­zess­kos­ten sind da­nach nur dann nicht als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen zu berück­sich­ti­gen, wenn der Steu­er­pflich­tige sich mut­wil­lig oder leicht­fer­tig auf den Pro­zess ein­ge­las­sen hat bzw. wenn die be­ab­sich­tigte Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung aus Sicht ei­nes verständi­gen Drit­ten keine hin­rei­chende Aus­sicht auf Er­folg ge­bo­ten hätte.

Vor­lie­gend sind die gel­tend ge­mach­ten Ver­fah­rens­kos­ten für den Zi­vil­pro­zess vor dem LG der Kläge­rin in je­dem Fall zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG ent­stan­den. Zum einen er­gibt sich aus dem über­wie­gend statt­ge­ben­den Ur­teil des LG, dass die Kläge­rin auf­grund des ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens des Verkäufers zur Durch­set­zung ih­rer Rechte ge­zwun­gen war, Klage zu er­he­ben. Die Kläge­rin hat we­der mut­wil­lig noch leicht­fer­tig Klage er­ho­ben, die Rechts­ver­fol­gung hatte Aus­sicht auf Er­folg. Das Pro­zess­kos­ten­ri­siko rea­li­sierte sich bzgl. der hier strei­ti­gen Kos­ten nicht auf­grund ei­nes Un­ter­lie­gens im Pro­zess, son­dern auf­grund der bei Kla­ge­er­he­bung im Sep­tem­ber 2007 für die Kläge­rin nicht ab­seh­ba­ren In­sol­venz des Verkäufers im Ver­lauf des Jah­res 2009. Al­lein auf letz­te­rem Um­stand be­ruht die In­an­spruch­nahme der Kläge­rin als Zweit­schuld­ne­rin der Ver­fah­rens­kos­ten.

Zum an­de­ren war der Zi­vil­pro­zess für die Kläger auch un­zwei­fel­haft von wirt­schaft­lich exis­ten­zi­el­ler Be­deu­tung. Die Kläger er­war­ben die Dop­pel­haushälfte zur Selbst­nut­zung durch ihre Fa­mi­lie. Sie hat­ten im Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung be­reits rund 221.000 € ge­zahlt und wa­ren mit ent­spre­chen­den Zins­ver­pflich­tun­gen be­las­tet, bei gleich­zei­ti­gem Wei­ter­be­ste­hen der bis­he­ri­gen Wohn­auf­wen­dun­gen. In die­ser Si­tua­tion ge­rie­ten die Kläger durch die Wei­ge­rung des Verkäufers, ih­nen den Be­sitz zu über­tra­gen, der Auf­las­sung zu­zu­stim­men so­wie die be­reits er­kenn­ba­ren Mängel zu be­sei­ti­gen, in eine Zwangs­lage, die eine Kla­ge­er­he­bung vor dem Zi­vil­ge­richt und die Über­nahme ei­nes ent­spre­chen­den Pro­zess­ri­si­kos er­for­der­lich machte. Ohne die­sen Zi­vil­rechts­streit hätten die Kläger al­ler Vor­aus­sicht nach einen ganz er­heb­li­chen wirt­schaft­li­chen Scha­den er­lit­ten.

In­so­fern liegt eine Sach­ver­halts­ge­stal­tung vor, bei der auch nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung eine Zwangsläufig­keit der Zi­vil­pro­zess­kos­ten vor­ge­le­gen hätte. Der Ein­wand, die Pro­zess­kos­ten seien nur in­so­weit an­tei­lig zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG wie sie auf die ein­ge­klagte Über­tra­gung des Grundstücks ent­fie­len, greift nicht durch. Der Verkäufer machte ver­trags­wid­rig die Be­sitzüber­tra­gung und Zu­stim­mung zur Auf­las­sung von der Zah­lung der letz­ten Kauf­preis­rate abhängig, wel­che erst nach vollständi­ger Mängel­be­sei­ti­gung fällig war. Durch die­ses - rechts­wid­rige - Ver­hal­ten des Verkäufers wur­den die Streit­punkte der­art mit­ein­an­der verknüpft, dass die Kläger zur Durch­set­zung ih­rer Rechte ge­zwun­gen wa­ren, so­wohl auf Be­sitzüber­tra­gung und Zu­stim­mung zur Auf­las­sung als auch auf Mängel­be­sei­ti­gung bzw. Scha­dens­er­satz zu kla­gen.

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