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Bindungswirkungen im Rahmen der Feststellung eines Verlustvortrages

FG Düsseldorf 7.5.2014, 15 K 14/14 E,F

Die Ver­lust­fest­stel­lung kann je­der­zeit in­ner­halb der Fest­set­zungs­frist be­an­tragt wer­den, wenn keine Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung für das Ver­lus­tent­ste­hungs­jahr durch­geführt wurde. Fehlt es an ei­ner der­ar­ti­gen Steu­er­fest­set­zun­gen, be­ste­hen keine Be­scheide, de­nen Be­steue­rungs­grund­la­gen zu­grunde ge­legt wor­den sind.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strei­ten über Bin­dungs­wir­kun­gen im Rah­men der Fest­stel­lung ei­nes Ver­lust­vor­tra­ges nach § 10d Abs. 4 EStG i.d.F des JStG 2010. Die Kläge­rin reichte im Juli 2012 Ein­kom­men­steu­er­erklärun­gen 2005 bis 2007 (Ein­zel­ver­an­la­gung) so­wie Erklärun­gen zur ge­son­der­ten Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­ab­zugs zur Ein­kom­men­steuer auf den 31.12.2005 bis 31.12.2007 ein. Sie machte Be­rufs­aus­bil­dungs­kos­ten als vor­weg­ge­nom­mene Wer­bungs­kos­ten bei den Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Ar­beit gel­tend; Ein­nah­men er­zielte die Kläge­rin in den Streit­jah­ren nicht.

Das Fi­nanz­amt setzte die Ein­kom­men­steuer 2005 bis 2007 auf 0 € fest; die Be­rufs­aus­bil­dungs­kos­ten berück­sich­tigte es als Son­der­aus­ga­ben mit dem Höchst­be­trag von 4.000 €. Eine Ver­lust­fest­stel­lung lehnte es un­ter Hin­weis auf das Feh­len aus­gleichsfähi­ger ne­ga­ti­ver Einkünfte ab. Hier­ge­gen legte die Kläge­rin Ein­sprüche ein und machte wei­ter­hin einen Wer­bungs­kos­ten­ab­zug für die Aus­bil­dungs­kos­ten gel­tend; zu­dem möge das Fi­nanz­amt ent­spre­chende Ver­lust­fest­stel­lun­gen durchführen. Das Ein­spruchs­ver­fah­ren möge ru­hen bis zum Ab­schluss der beim BFH anhängi­gen Re­vi­si­ons­ver­fah­ren VI R 2/12 und VI R 6/12 zur Frage des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs für ein Erst­stu­dium.

Das Fi­nanz­amt teilte mit, eine Steu­er­fest­set­zung sei an­ge­sichts der be­reits ver­stri­che­nen vierjähri­gen Fest­stel­lungs­frist nicht mehr möglich; die gleich­wohl noch er­las­se­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheide seien auf­zu­he­ben. Die für Verjährungs­fris­ten maßge­bende An­lauf­hem­mung nach § 170 Abs. 2 AO gelte nicht für den hier vor­lie­gen­den Fall der An­trags­ver­an­la­gung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Die be­an­tragte Ver­lust­fest­stel­lung komme eben­falls nicht in Be­tracht. Die Ver­lust­fest­stel­lung sei nach der Neu­fas­sung des § 10d Abs. 4 S. 4 EStG an die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide als Grund­la­gen­be­scheide ge­bun­den; diese seien hier an­ge­sichts der ein­ge­tre­te­nen Fest­set­zungs­verjährung auf­zu­he­ben und wie­sen oh­ne­hin keine Ver­luste aus. Der Aus­nah­me­tat­be­stand des § 10d Abs. 4 S. 5 EStG für eine wei­ter­ge­hende Möglich­keit der Ver­lust­fest­stel­lung sei nicht ein­schlägig, weil die Ein­kom­men­steuer an­ge­sichts der ein­ge­tre­te­nen Verjährung nicht mehr änder­bar sei.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat zu Un­recht die Ab­leh­nung der Ver­lust­fest­stel­lung auf eine Bin­dungs­wir­kung nach § 10d Abs. 4 S. 4, 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 gestützt und sich an ei­ner ma­te­ri­ell­recht­li­chen Be­ur­tei­lung des Steu­er­ab­zugs für Kos­ten des Erst­stu­di­ums ge­hin­dert ge­se­hen.

Mit der Neu­fas­sung von § 10d Abs. 4 S. 4, 5 EStG hat der Ge­setz­ge­ber der Recht­spre­chung lt. Ur­teil des BFH vom 17.9.2008, IX R 70/06 die Grund­lage ent­zo­gen; nach die­sem Ur­teil durfte ein Ver­lust­fest­stel­lungs­be­scheid auch noch nach Be­stands­kraft des (kei­nen Ver­lust aus­wei­sen­den) Ein­kom­men­steu­er­be­schei­des er­ge­hen, wo­durch er­heb­li­che zeit­li­che Verzöge­run­gen ein­tre­ten konn­ten. Die neue Ge­set­zes­re­ge­lung be­wirkt eine Bin­dungs­wir­kung der Fest­stel­lung an den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid; letz­ter wirkt "wie" ein Grund­la­gen­be­scheid. Eine der­ar­tige Bin­dungs­wir­kung für die Ver­lust­fest­stel­lung be­steht in­des nicht, wenn gar keine Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zung vor­liegt - wie hier, nach zu­tref­fen­der Auf­he­bung der Ein­kom­men­steu­er­be­scheide 2005 bis 2007, der Fall.

Dies folgt be­reits aus dem Wort­laut der Vor­schrift, die eine Bin­dungs­wir­kung für die Be­steue­rungs­grund­la­gen nur an­nimmt, wie sie den Ein­kom­men­steu­er­fest­set­zun­gen zu Grunde ge­legt wor­den sind. Fehlt es an ei­ner der­ar­ti­gen Steu­er­fest­set­zun­gen, be­ste­hen keine Be­scheide, de­nen Be­steue­rungs­grund­la­gen zu­grunde ge­legt wor­den sind. Die Vor­schrift ge­langt (von vorn­her­ein) nicht zur An­wen­dung. Diese Auf­fas­sung des Se­na­tes ent­spricht auch der herr­schen­den Mei­nung in der Li­te­ra­tur. Ist da­mit Satz 4 der Re­ge­lung des § 10d Abs. 4 EStG nicht an­wend­bar, kommt es auf die Vor­schrift des Satz 5, der nur Ab­wei­chun­gen zu Satz 4 re­gelt, nicht mehr an.

Eine Fest­set­zungs­verjährung ist für die Ver­lust­fest­stel­lung noch nicht ein­ge­tre­ten. Nach § 10d Abs. 4 S. 6 HS 1 EStG en­det die Fest­stel­lungs­frist nicht, be­vor die Fest­set­zungs­frist für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum ab­ge­lau­fen ist, auf des­sen Schluss der ver­blei­bende Ver­lust­vor­trag ge­son­dert fest­zu­stel­len ist. Die Re­ge­lung knüpft an die all­ge­meine Fest­set­zungs­frist nach §§ 169, 170 AO an. Vor­lie­gend ist die Fest­set­zungs­verjährung für eine Ver­lust­fest­stel­lung noch nicht ein­ge­tre­ten, wie zwi­schen den Be­tei­lig­ten un­strei­tig ist und vom Fi­nanz­amt in der Ein­spruchs­ent­schei­dung zu­tref­fend aus­geführt wor­den ist. Ins­bes. re­gelt Satz 6, HS 1 nicht das Ende der Frist für die Ver­lust­fest­stel­lung, son­dern die Min­dest­dauer.

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