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Werklohn: Vertragserfüllungsbürgschaft kann bei zusätzlichem Sicherheitseinbehalt wegen unangemessen hoher Gesamtbelastung unwirksam sein

BGH 8.6.2016, VII ZR 29/13

Ab­schlags­zah­lungs­re­ge­lun­gen, die vor­se­hen, dass der Auf­trag­ge­ber trotz vollständig er­brach­ter Werkleis­tung einen Teil des Werklohns ein­be­hal­ten darf, können zur Un­wirk­sam­keit ei­ner Si­che­rungs­ab­rede be­tref­fend eine Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft führen, wenn sie in Ver­bin­dung mit die­ser be­wir­ken, dass die Ge­samt­be­las­tung durch die vom Auf­trag­neh­mer zu stel­len­den Si­cher­hei­ten das Maß des An­ge­mes­se­nen über­schrei­tet.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin nimmt die Be­klagte aus ei­ner Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft auf Zah­lung von 327.500 € in An­spruch. Die Kläge­rin be­auf­tragte die B-GmbH im Jahre 2008 un­ter Ein­be­zie­hung der VOB/B (2006) mit der Er­rich­tung von 47 Wohn­ein­hei­ten nebst Tief­ga­rage zu einem Pau­schal­fest­preis i.H.v. 6,55 Mio. €. Gem. § 12.1.1 des Ver­trags hatte die B-GmbH eine Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft i.H.v. 5 Pro­zent der Brut­to­auf­trags­summe zu stel­len. § 12.1.1 des Ver­trags lau­tet aus­zugs­weise: "Ausführungsbürg­schaft - Zur Ab­si­che­rung der ver­trags­gemäßen Erfüllung sei­ner Leis­tungs­pflich­ten stellt der AN dem AG eine Erfüllungsbürg­schaft i.H.v. 5 Pro­zent der Brut­to­auf­trags­summe."

Zu­dem sah § 10.5. des Ver­trags einen Ein­be­halt von der Schluss­zah­lung i.H.v. 5 Pro­zent der Brut­to­auf­trags­summe zur Si­che­rung der Mängel­an­sprüche der Kläge­rin vor, wo­bei die B-GmbH gem. § 10.5. i.V.m. § 12.1.2 des Ver­trags be­rech­tigt war, den Ein­be­halt durch Stel­lung ei­ner Gewähr­leis­tungsbürg­schaft in glei­cher Höhe ab­zulösen. Bei die­sen Re­ge­lun­gen han­delt es sich um von der Kläge­rin vor­for­mu­lierte und ge­stellte Ge­schäfts­be­din­gun­gen. § 13.1. des Ver­trags er­laubte Ab­schlags­rech­nun­gen nach dem Ver­trag bei­gefügten Zah­lungsplänen. Nach die­sen soll­ten die dritt­letzte Ab­schlags­zah­lung i.H.v. 5 Pro­zent der ver­ein­bar­ten Vergütung mit "vollständige(r) Fer­tig­stel­lung und Überg­abe an den Kun­den des Auf­trag­ge­bers", die vor­letzte Ab­schlags­zah­lung i.H.v. 5 Pro­zent der ver­ein­bar­ten Vergütung "nach Be­sei­ti­gung der Mängel aus den Ab­nah­me­pro­to­kol­len und Kun­den­un­ter­schrif­ten" und die letzte Ab­schlags­zah­lung i.H.v. 5 Pro­zent der ver­ein­bar­ten Vergütung "nach er­folg­ter Ab­nahme, Ablösung des Si­cher­heits­ein­be­halts für die Gewähr­leis­tung mit Bürg­schaft und Fällig­keit der (vor­letz­ten) Rate" fällig wer­den.

Im Au­gust 2008 verbürgte sich die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ge­genüber der Kläge­rin ent­spre­chend § 12.1.1 des Ver­trags für die ver­trags­gemäße Erfüllung der Leis­tungs­pflich­ten der B-GmbH bis zu einem Be­trag i.H.v. 327.500 €. Am 10.8.2008 stellte die B-GmbH einen An­trag auf Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens über ihr Vermögen. Zwei Tage später stellte sie die Ar­bei­ten an dem Bau­vor­ha­ben ein. Die Kläge­rin erklärte un­ter dem 13.8.2008 die Kündi­gung des Ver­trags­verhält­nis­ses mit der B-GmbH gem. § 8 Nr. 2 VOB/B so­wie aus wich­ti­gem Grund. In der Fol­ge­zeit ließ sie das Bau­vor­ha­ben durch Drit­tun­ter­neh­men fer­tig­stel­len, wo­durch ihr Mehr­kos­ten i.H.v. rd. 1,33 Mio. € ent­stan­den. Die Kläge­rin nimmt die Be­klagte aus der Bürg­schaft auf Zah­lung von 327.500 € in An­spruch.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG ge­ge­be­nen Begründung kann der Kläge­rin ein Zah­lungs­an­spruch aus der Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft nicht zu­er­kannt wer­den. Die Be­klagte ver­tei­digt sich ge­gen die In­an­spruch­nahme aus der Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft u.a. mit dem ihr gem. § 768 Abs. 1 S. 1 BGB zu­ste­hen­den Ein­wand, die der Bürg­schaft zu­grun­de­lie­gende Si­che­rungs­ver­ein­ba­rung im Bau­ver­trag sei un­wirk­sam. Auf­grund der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen kann die Wirk­sam­keit der Si­che­rungs­ab­rede nicht be­jaht wer­den.

Zu­tref­fend führt das OLG zunächst aus, dass eine zwi­schen dem Auf­trag­ge­ber und dem Auf­trag­neh­mer ge­trof­fene Si­che­rungs­ab­rede, nach der letz­te­rer eine Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft zu stel­len hat, den Auf­trag­neh­mer gem. § 307 Abs. 1 BGB un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt und un­wirk­sam ist, wenn der Ver­wen­der missbräuch­lich ei­gene In­ter­es­sen auf Kos­ten des Ver­trags­part­ners durch­zu­set­zen ver­sucht, ohne die In­ter­es­sen des Ver­trags­part­ners hin­rei­chend zu berück­sich­ti­gen und ihm einen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zu­zu­ge­ste­hen. Nach ständi­ger BGH-Recht­spre­chung kann sich die un­an­ge­mes­sene Be­nach­tei­li­gung da­bei auch aus ei­ner Ge­samt­wir­kung meh­re­rer, je­weils für sich ge­nom­men nicht zu be­an­stan­den­der Ver­trags­be­stim­mun­gen er­ge­ben.

Rechts­feh­ler­haft nimmt das OLG je­doch an, dass hin­sicht­lich der Ab­schlags­zah­lungs­re­ge­lung gem. § 13.1. des Ver­trags i.V.m. den Zah­lungsplänen und der Si­che­rungs­ab­rede keine Ge­samt­schau vor­zu­neh­men sei und da­her eine Un­wirk­sam­keit der Si­che­rungs­ab­rede zur Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft nicht an­ge­nom­men wer­den könne. Ab­schlags­zah­lungs­re­ge­lun­gen, auf­grund de­rer der Auf­trag­ge­ber trotz vollständig er­brach­ter Werkleis­tung einen Teil des Werklohns ein­be­hal­ten darf, ohne dem Auf­trag­neh­mer hierfür eine Si­cher­heit leis­ten zu müssen, be­wir­ken ei­ner­seits, dass dem Auf­trag­neh­mer bis zur Schluss­zah­lung Li­qui­dität ent­zo­gen wird und er darüber hin­aus in Höhe des Ein­be­halts das Ri­siko trägt, dass der Auf­trag­ge­ber in­sol­vent wird und er in Höhe des Ein­be­halts mit der für seine Leis­tung zu be­an­spru­chen­den Werklohn­for­de­rung ausfällt. Der Auf­trag­ge­ber an­de­rer­seits erhält durch die Ein­be­halte nicht nur eine Si­che­rung vor Über­zah­lun­gen, er kann viel­mehr ge­gen die ein­be­hal­te­nen Rest­for­de­run­gen des Auf­trag­neh­mers je­der­zeit mit sons­ti­gen For­de­run­gen aus dem Werk­ver­trag auf­rech­nen.

Die Ein­be­halte stel­len da­mit eine Si­che­rung sämt­li­cher ver­trag­li­cher An­sprüche des Auf­trag­ge­bers dar, also auch sol­cher, auf die sich die der Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft zu­grun­de­lie­gende Si­che­rungs­ab­rede be­zieht. Sol­che Ab­schlags­zah­lungs­re­ge­lun­gen können da­her zur Un­wirk­sam­keit der Si­che­rungs­ab­rede führen, wenn sie in Ver­bin­dung mit der Ver­trags­erfüllungsbürg­schaft be­wir­ken, dass die Ge­samt­be­las­tung durch die vom Auf­trag­neh­mer zu stel­len­den Si­cher­hei­ten das Maß des An­ge­mes­se­nen über­schrei­tet. Dies lässt vor­lie­gend sich nach den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen des OLG nicht ver­nei­nen. Da­nach ist nicht er­sicht­lich, dass die Kläge­rin der B-GmbH einen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich für die ge­nann­ten Nach­teile zu­ge­stan­den hat. Ins­be­son­dere hat das OLG nicht fest­ge­stellt, in­wie­weit die Zah­lungspläne für die B-GmbH i.Ü. güns­ti­ger als die ge­setz­li­che Re­ge­lung des § 632a BGB a.F. wa­ren und hier­durch ein an­ge­mes­se­ner Aus­gleich ge­schaf­fen wurde. Die Ent­schei­dung des OLG kann da­her kei­nen Be­stand ha­ben. Der Se­nat kann in der Sa­che nicht selbst ent­schei­den, § 563 Abs. 3 ZPO.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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