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Vertretung einer GmbH in der Eigentümerversammlung durch Mitarbeiter

BGH v. 28.9.2019 - V ZR 250/18

Eine Be­stim­mung in der Tei­lungs­erklärung, nach der Woh­nungs­ei­gentümer sich in der Ei­gentümer­ver­samm­lung nur durch den Ehe­gat­ten, einen Woh­nungs­ei­gentümer oder den Ver­wal­ter ver­tre­ten las­sen können, ist re­gelmäßig da­hin ergänzend aus­zu­le­gen, dass sie auch für ju­ris­ti­sche Per­so­nen gilt und dass diese sich nicht nur durch ihre or­gan­schaft­li­chen Ver­tre­ter, son­dern auch durch einen ih­rer Mit­ar­bei­ter ver­tre­ten las­sen können. Eine sol­che Ver­tre­tungs­klau­sel ist fer­ner re­gelmäßig ergänzend da­hin aus­zu­le­gen, dass sich eine ju­ris­ti­sche Per­son in der Ei­gentümer­ver­samm­lung je­den­falls auch von einem Mit­ar­bei­ter ei­ner zu dem­sel­ben Kon­zern gehören­den (wei­te­ren) Toch­ter­ge­sell­schaft ver­tre­ten las­sen darf, wenn diese für die Ver­wal­tung der Son­der­ei­gen­tum­sein­hei­ten zuständig ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien bil­den eine Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft. Der kla­gen­den T-GmbH gehören 22 Woh­nun­gen, die rest­li­chen 21 Woh­nun­gen den be­klag­ten übri­gen Woh­nungs­ei­gentümern. In § 9 Ziff. 6 der Tei­lungs­erklärung ist be­stimmt: "Ein Woh­nungs­ei­gentümer kann sich nur durch sei­nen Ehe­gat­ten, einen an­de­ren Woh­nungs­ei­gentümer aus der Ge­mein­schaft oder den Ver­wal­ter in der Ver­samm­lung ver­tre­ten las­sen. Der Ver­tre­ter be­darf ei­ner schrift­li­chen Voll­macht, die dem Ver­wal­ter spätes­tens vor Be­ginn der Ver­samm­lung aus­zuhändi­gen ist."

Die Kläge­rin ist eine na­hezu 100-pro­zen­tige Toch­ter­ge­sell­schaft ei­ner Ma­nage­ment­hol­ding. Zu dem Kon­zern gehört auch das Toch­ter­un­ter­neh­men TA-GmbH. Diese übt die Funk­tion der kon­zern­wei­ten ein­heit­li­chen Ver­wal­tungs­ge­sell­schaft des T-Kon­zerns aus. Alle T-Ge­sell­schaf­ten ein­schließlich der Kläge­rin ha­ben der TA-GmbH eine Voll­macht für die Ver­wal­tung ih­rer Son­der­ei­gen­tum­sein­hei­ten er­teilt. Dem­ent­spre­chend hat die Kläge­rin den ge­sam­ten Schrift­ver­kehr mit der Ver­wal­te­rin der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft über die TA-GmbH ab­ge­wi­ckelt.

Für die Ei­gentümer­ver­samm­lung vom 12.12.2016, bei der u.a. die Wie­der­be­stel­lung der Ver­wal­te­rin auf der Ta­ges­ord­nung stand, er­teilte die Kläge­rin ei­ner Mit­ar­bei­te­rin der TA-GmbH eine schrift­li­che Stimm­rechts­voll­macht mit der Be­rech­ti­gung, Un­ter­voll­macht zu er­tei­len. Der Ver­samm­lungs­lei­ter wies die vor Be­ginn der Ver­samm­lung vor­ge­legte Voll­macht zurück. Er war un­ter Hin­weis auf einen In­ter­es­sen­kon­flikt auch nicht be-reit, sich eine Un­ter­voll­macht er­tei­len zu las­sen. Auch der Vor­sit­zende des Ver­wal­tungs­bei­rats lehnte es ab, als Un­ter­be­vollmäch­tig­ter für die Kläge­rin das Stimm­recht auszuüben. Ohne Berück­sich­ti­gung der Stim­men der Kläge­rin be­schlos­sen die Woh­nungs­ei­gentümer mit 14 Ja-Stim­men die Wie­der­be­stel­lung der Ver­wal­te­rin.

Das AG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete An­fech­tungs­klage ab. Das LG erklärte den Be­schluss über die Wie­der­be­stel­lung der Ver­wal­te­rin für un­wirk­sam. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das LG nimmt rechts­feh­ler­frei an, dass die Kläge­rin rechts­wid­rig von der Stimm­ab­gabe in der Ei­gentümer­ver­samm­lung aus­ge­schlos­sen wor­den war, weil die von ihr be­vollmäch­tigte Mit­ar­bei­te­rin der TA-GmbH nicht als ihre Ver­tre­te­rin zu­ge­las­sen wurde.

Grundsätz­lich kann sich ein Woh­nungs­ei­gentümer durch eine be­lie­bige an­dere Per­son in der Ei­gentümer­ver­samm­lung ver­tre­ten las­sen. Diese Be­fug­nis ist hier je­doch durch die Re­ge­lung in § 9 Ziff. 6 der Tei­lungs­erklärung, wo­nach sich ein Woh­nungs­ei­gentümer nur durch sei­nen Ehe­gat­ten, einen an­de­ren Woh­nungs­ei­gentümer aus der Ge­mein­schaft oder den Ver­wal­ter in der Ver­samm­lung ver­tre­ten las­sen kann, wirk­sam ein­ge­schränkt wor­den. Das LG legt die Ver­tre­tungs­be­schränkung in der Tei­lungs­erklärung rechts­feh­ler­frei ergänzend da­hin­ge­hend aus, dass sie nicht nur für natürli­che, son­dern auch für ju­ris­ti­sche Per­so­nen gilt. Nach ih­rem Wort­laut ist sie zwar al­lein auf natürli­che Per­so­nen zu­ge­schnit­ten. Die Tei­lungs­erklärung weist in­so­weit aber eine un­be­ab­sich­tigte Re­ge­lungslücke auf; an den Fall, dass eine ju­ris­ti­sche Per­son Woh­nungs­ei­gentüme­rin ist, wurde bei Er­rich­tung der Tei­lungs­erklärung of­fen­sicht­lich nicht ge­dacht. Diese Lücke hat das LG rechts­feh­ler­frei nach den Grundsätzen der ergänzen­den (Ver­trags-)Aus­le­gung da­hin­ge­hend ge­schlos­sen, dass nicht nur natürli­che, son­dern auch ju­ris­ti­sche Per­so­nen der Ver­tre­tungs­be­schränkung der Tei­lungs­erklärung un­ter­lie­gen.

Zweck von Ver­tre­tungs­klau­seln der vor­lie­gen­den Art ist es, die Ver­samm­lun­gen der Woh­nungs­ei­gentümer von ge­mein­schafts­frem­den Ein­wir­kun­gen frei­zu­hal­ten; des­halb sol­len sich die Woh­nungs­ei­gentümer nur durch be­stimmte, dem ei­ge­nen Kreis na­he­ste­hende Per­so­nen ver­tre­ten las­sen dürfen. Die­ser Zweck der Be­schränkung be­steht auch ge­genüber Woh­nungs­ei­gentümern, die ju­ris­ti­sche Per­so­nen sind. Es ist kein Grund er­sicht­lich, der die An­nahme recht­fer­tigt, dass sie ge­genüber den an­de­ren Woh­nungs­ei­gentümern pri­vi­le­giert sein sol­len und ih­nen die Möglich­keit eröff­net ist, sich durch jede be­lie­bige Per­son ver­tre­ten zu las­sen. Da­her ist eine Be­stim­mung in der Tei­lungs­erklärung, nach der Woh­nungs­ei­gentümer sich in der Ei­gentümer­ver­samm­lung nur durch den Ehe­gat­ten, einen Woh­nungs­ei­gentümer oder den Ver­wal­ter ver­tre­ten las­sen können, re­gelmäßig da­hin ergänzend aus­zu­le­gen, dass sie auch für ju­ris­ti­sche Per­so­nen gilt.

Auch die ergänzende Aus­le­gung der Ver­tre­tungs­klau­sel da­hin­ge­hend, dass sich ju­ris­ti­sche Per­so­nen in der Woh­nungs­ei­gentümer­ver­samm­lung nicht nur durch ihre or­gan­schaft­li­chen Ver­tre­ter, son­dern auch durch einen ih­rer Mit­ar­bei­ter ver­tre­ten las­sen können, ist recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Durch die Teil­nahme ei­nes auf­grund sei­ner Zu­gehörig­keit zu dem Un­ter­neh­men der ju­ris­ti­schen Per­son mit den An­ge­le­gen­hei­ten der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft ver­trau­ten Mit­ar­bei­ters wird dem mit der Ver­tre­tungs­klau­sel ver­folg­ten Zweck, Einflüsse Drit­ter weit­ge­hend aus­zu­schließen, Rech­nung ge­tra­gen, da von ihm ge­mein­schafts­fremde Ein­wir­kun­gen nicht zu er­war­ten sind.

Rechts­feh­ler­frei nimmt das LG schließlich an, dass die Ver­tre­tungs­klau­sel ergänzend da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen ist, dass sich eine ju­ris­ti­sche Per­son in der Ei­gentümer­ver­samm­lung nicht nur durch einen un­ter­neh­mens­ei­ge­nen Mit­ar­bei­ter ver­tre­ten las­sen darf. Eine sol­che Ver­tre­tungs­klau­sel ist viel­mehr re­gelmäßig ergänzend da­hin aus­zu­le­gen, dass sich eine ju­ris­ti­sche Per­son in der Ei­gentümer­ver­samm­lung je­den­falls auch von einem Mit­ar­bei­ter ei­ner zu dem­sel­ben Kon­zern gehören­den (wei­te­ren) Toch­ter­ge­sell­schaft ver­tre­ten las­sen darf, wenn diese für die Ver­wal­tung der Son­der­ei­gen­tum­sein­hei­ten zuständig ist.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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