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Vager Nutzungswunsch rechtfertigt noch keine Eigenbedarfskündigung

BGH 23.9.2015, VIII ZR 297/14

Ein Ei­gen­nut­zungs­wunsch, der auf vernünf­tige, nach­voll­zieh­bare Gründe gestützt wird, recht­fer­tigt eine Kündi­gung des Miet­verhält­nis­ses nur dann, wenn er vom Ver­mie­ter auch ernst­haft ver­folgt wird und be­reits hin­rei­chend be­stimmt und kon­kre­ti­siert ist. Eine bis da­hin nur vage oder für einen späte­ren Zeit­punkt ver­folgte Nut­zungs­ab­sicht recht­fer­tigt eine Ei­gen­be­darfskündi­gung (noch) nicht.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist Ei­gentüme­rin ei­nes Mehr­fa­mi­li­en­hau­ses. Im Ja­nuar 1987 hatte sie den Be­klag­ten eine Drei­zim­mer­woh­nung im drit­ten Ober­ge­schoss ver­mie­tet. Im März 1988 ver­mie­tete sie zusätz­lich eine se­pa­rate Man­sar­den­woh­nung, in der seit­dem der er­wach­sene Sohn der Be­klag­ten wohnt. Beide Miet­verträge wur­den im März 2012 zum 30.6.2013 gekündigt. Zur Begründung führte die Kläge­rin aus, dass sie sel­ber in die Drei­zim­mer­woh­nung ein­zie­hen wolle und die Man­sarde - nach einem ge­plan­ten Um­bau - als Teil ei­ner für die Toch­ter vor­ge­se­he­nen Mai­sonet­te­woh­nung benötigt würde.

Da die Be­klag­ten nicht aus­zo­gen, wurde die für die Toch­ter vor­ge­se­hene Woh­nung zunächst ohne Ein­be­zie­hung der Man­sarde um­ge­baut. Die Wohnfläche der neuen Woh­nung, in die die Toch­ter der Kläge­rin im Au­gust 2013 mit ih­rem Ehe­mann und zwei Kin­dern ein­ge­zo­gen ist, beträgt 197 qm. Die Toch­ter möchte die Man­sarde nach wie vor mit ih­rer Woh­nung ver­bin­den und dort ein Gäste­zim­mer kom­bi­niert mit einem wei­te­ren Ar­beits­zim­mer ein­rich­ten.

Das AG wies die Räum­ungs­klage ab; das LG gab ihr statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Gründe:
Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte bei sei­ner Würdi­gung, dass der von der Kläge­rin gel­tend ge­machte Ei­gen­be­darf tatsäch­lich be­stehe, einen un­zu­tref­fen­den Maßstab an­ge­legt und we­sent­li­che Umstände außer Be­tracht ge­las­sen.

Zwar sind bei ei­ner Kündi­gung we­gen Ei­gen­be­darfs gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB grundsätz­lich die An­gabe der Per­son, für die die Woh­nung benötigt wird, und die Dar­le­gung des In­ter­es­ses, das diese Per­son an der Er­lan­gung der Woh­nung hat, aus­rei­chend. Al­ler­dings reicht für eine sol­che Kündi­gung ein noch un­be­stimm­tes In­ter­esse ei­ner mögli­chen späte­ren Nut­zung (sog. Vor­ratskündi­gung) nicht aus; viel­mehr muss sich der Nut­zungs­wunsch so­weit "ver­dich­tet" ha­ben, dass ein kon­kre­tes In­ter­esse an ei­ner als­bal­di­gen Ei­gen­nut­zung be­steht. Die Umstände, die dies im Streit­fall ob­jek­tiv zwei­fel­haft er­schei­nen ließen, hatte das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter Ver­stoß ge­gen § 286 ZPO außer Be­tracht ge­las­sen.

Zwar hatte das Be­ru­fungs­ge­richt rich­tig ge­se­hen, dass das Mo­tiv, über einen erklärten Ei­gen­nut­zungs­wunsch an der Drei­zim­mer­woh­nung auch die Man­sarde für die Toch­ter zurück zu er­hal­ten, die Möglich­keit, dass die Kläge­rin tatsäch­lich in die Drei­zim­mer­woh­nung der Be­klag­ten ein­zie­hen will, nicht aus­schloss. Dass sich die Kläge­rin aber, wie das AG auf­grund der wort­kar­gen An­ga­ben der Kläge­rin zu ih­rem Ei­gen­nut­zungs­wunsch nach­voll­zieh­bar an­ge­nom­men hatte, über ihre Wünsche und die Eig­nung der Woh­nung der Be­klag­ten für ihre Bedürf­nisse keine näheren Ge­dan­ken ge­macht hatte, war ein Um­stand, der die er­for­der­li­che Ernst­haf­tig­keit und Kon­kre­ti­sie­rung des an­ge­ge­be­nen Nut­zungs­wun­sches zu­min­dest in Frage stellte. Denn ein noch un­be­stimm­ter, va­ger Nut­zungs­wu­sch kann eine Ei­gen­be­darfskündi­gung (noch) nicht recht­fer­ti­gen.

Link­hin­weis:

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