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Steuerberatung

Übliche Miete als Rohertrag statt vertraglich vereinbartem Entgelt?

BFH v. 5.12.2019 - II R 41/16

Der für die Be­wer­tung im Er­trags­wert­ver­fah­ren maßgeb­li­che Roh­er­trag ei­nes be­bau­ten Grundstücks ist grundsätz­lich das Ent­gelt, das für die Be­nut­zung nach den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen als Miete zu zah­len ist. Eine ver­trag­lich ver­ein­barte Miete kann nicht mehr als üblich an­ge­se­hen wer­den, wenn sie mehr als 20 % nied­ri­ger ist als der un­ter­ste Wert der Spanne des ver­wen­de­ten Miet­spie­gels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der ober­ste Wert der Spanne. Auf den Mit­tel­wert kommt es in­so­weit nicht an.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger und seine Mut­ter wa­ren zu einem bzw. zwei Drit­teln Mit­ei­gentümer ei­nes Grundstücks, das mit 14 Woh­nun­gen und ei­ner Ge­wer­be­ein­heit be­baut war. Nach dem Tod sei­ner Mut­ter im Fe­bruar 2012 trat der Kläger sein Erbe an und setzte im Rah­men sei­ner Erklärung zur Be­darfs­wert­fest­stel­lung für die Er­mitt­lung des Gebäude­er­trags­werts nach § 185 BewG einen jähr­li­chen Roh­er­trag i.S.d. § 186 BewG von 110.160 € an. Da­bei ging er für vier Ein­hei­ten von den ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Net­to­kalt­mie­ten aus, legte je­doch für elf Ein­hei­ten die in dem Miet­spie­gel aus­ge­wie­se­nen Mit­tel­werte zu­grunde. Die tatsäch­li­che Miete über­schritt diese Mit­tel­werte da­bei zu mehr als 20 %.

Das Fi­nanz­amt setzte den Grund­be­sitz­wert der wirt­schaft­li­chen Ein­heit auf den To­des­tag der Mut­ter für Zwecke der Erb­schaft­steuer auf ins­ge­samt 1.469.646 €, den An­teil des Klägers auf 979.764 € fest. Es ging von einem Roh­er­trag i.H.v. 130.272 € aus. Bei der Frage, ob die tatsäch­li­che Miete um mehr als 20 % von der "übli­chen Miete" ab­weicht setzte die Behörde als "übli­che(n) Miete" nicht den Mit­tel­wert, son­dern den obers­ten Wert der im Miet­spie­gel aus­ge­wie­se­nen Spanne an. Das Fi­nanz­amt kam da­durch bei le­dig­lich zwei ver­mie­te­ten Ein­hei­ten zu Ab­wei­chun­gen der tatsäch­li­chen Miete von der übli­chen Miete um mehr als 20 %. Als Roh­er­trag für diese Ein­hei­ten ("übli­che Miete" i.S. des letz­ten Satz­teils des § 186 Abs. 2 Satz 1 BewG) setzte es den Mit­tel­wert des Miet­spie­gels an. Im Übri­gen blieb es bei dem An­satz der (höheren) ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Miete.

Der Kläger war wei­ter der Auf­fas­sung, mit dem in § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG zwei Mal ver­wen­de­ten Be­griff "übli­che(n) Miete" sei zwei Mal der Mit­tel­wert des Miet­spie­gels ge­meint. Er kam nach an­de­ren rech­ne­ri­schen Kor­rek­tu­ren zu ei­ner Über­schrei­tung der 20 %-Grenze für noch acht Ein­hei­ten und be­zif­ferte den jähr­li­chen Roh­er­trag des Grundstücks auf 110.210,76 €. Das FG wies die Klage ab. Auch die Re­vi­sion des Klägers vor dem BFH blieb er­folg­los.

Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass für die Prüfung der 20 %-Grenze i.S.d. § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG bei Zu­grun­de­le­gung ei­nes Miet­spie­gels auf den un­ters­ten oder obers­ten Wert der darin aus­ge­wie­se­nen Miet­preis­spanne ab­zu­stel­len ist, nicht auf den Mit­tel­wert.

Die Fi­nanz­ver­wal­tung geht zur Be­stim­mung der "übli­chen Miete" wie folgt vor:

Die übli­che Miete kann aus Ver­gleichs­mie­ten oder Miet­spie­geln ab­ge­lei­tet, mit Hilfe ei­ner Miet­da­ten­bank (§ 558e BGB) ge­schätzt oder durch ein Miet­gut­ach­ten er­mit­telt wer­den. Miet­spie­gel ist in ers­ter Li­nie ein nach dem Ge­setz zur Re­ge­lung der Miethöhe bzw. nach den §§ 558c, 558d BGB er­stell­ter Miet­spie­gel für den Be­wer­tungs­stich­tag, aber auch ein an­de­rer Miet­spie­gel, der einen repräsen­ta­ti­ven Quer­schnitt der ortsübli­chen Ent­gelte ver­gleich­ba­rer Woh­nun­gen oder Räum­lich­kei­ten auf­weist. Ein Miet­spie­gel ist nach § 558c Abs. 1 BGB eine Über­sicht über die ortsübli­che Ver­gleichs­miete, so­weit die Über­sicht von der Ge­meinde oder von In­ter­es­sen­ver­tre­tern der Ver­mie­ter und der Mie­ter ge­mein­sam er­stellt oder an­er­kannt wor­den ist. § 558d Abs. 1 BGB be­zeich­net einen Miet­spie­gel, der nach an­er­kann­ten wis­sen­schaft­li­chen Grundsätzen er­stellt und von der Ge­meinde oder von In­ter­es­sen­ver­tre­tern der Ver­mie­ter und der Mie­ter an­er­kannt wor­den ist, als qua­li­fi­zier­ten Miet­spie­gel. Ist er nach Maßgabe von § 558d Abs. 2 BGB re­gelmäßig an­ge­passt, wird nach § 558d Abs. 3 BGB ver­mu­tet, dass die im qua­li­fi­zier­ten Miet­spie­gel be­zeich­ne­ten Ent­gelte die ortsübli­che Ver­gleichs­miete wie­der­ge­ben.

Wird für die An­wen­dung des § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG ein Miet­spie­gel her­an­ge­zo­gen, wer­den die Da­ten dif­fe­ren­ziert ver­wen­det. In Miet­spie­geln wird häufig der um Aus­reißer be­rei­nigte Durch­schnitt al­ler er­ho­be­nen Miet­werte in Form des Mit­tel­werts veröff­ent­licht. Zusätz­lich wer­den Miet­span­nen an­ge­ge­ben, um den Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­falls bes­ser Rech­nung tra­gen zu können. Grundsätz­lich ist der im Miet­spie­gel aus­ge­wie­sene ge­wich­tete Mit­tel­wert an­zu­set­zen. Bei aus­rei­chen­den An­halts­punk­ten für einen kon­kre­ten nied­ri­ge­ren oder höheren Wert ist die­ser Wert an­zu­set­zen. Für die Überprüfung der Ortsüblich­keit von tatsäch­lich er­ziel­ten Mie­ten ist auf den je­weils un­teren Wert oder den je­weils oberen Wert der Spanne ab­zu­stel­len. D.h. eine Miete, die mehr als 20 % nied­ri­ger ist als der un­tere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich.

So­weit es das Verständ­nis der zur Er­mitt­lung der 20 %-Grenze an­zu­set­zen­den "übli­chen Miete" be­trifft, folgt der Se­nat der Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung. Alle Miet­werte in­ner­halb der Spann­breite ei­nes Miet­spie­gels sind als üblich an­zu­se­hen. Erst die Über­schrei­tung bzw. Un­ter­schrei­tung der je­wei­li­gen Grenz­werte führt zur Unüblich­keit. Das ent­spricht be­reits dem all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch, der als "üblich" das­je­nige zu be­zeich­nen pflegt, das sich "im Rah­men des Übli­chen", also in­ner­halb ei­ner ge­wis­sen Spanne, be­wegt.

Es ver­kom­pli­ziert die Be­wer­tung nicht, wenn als Ver­gleichsmaßstab statt des Mit­tel­werts ein äußerer Wert dient. Denn ebenso wie der Mit­tel­wert ist auch der äußere Wert ein­fach aus dem Miet­spie­gel ab­zu­le­sen. Auch stellt der Mit­tel­wert keine verläss­li­chere Größe dar als die Miet­preis­spanne. Als ge­wo­ge­nes Mit­tel ist er hier­aus sta­tis­ti­sch ab­ge­lei­tet und des­halb von glei­cher in­halt­li­cher Plau­si­bi­lität.

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