„Diese Veranstaltungsreihe ist so etwas wie eine Institution geworden“, stellte Andreas Schüren, Managing Partner bei Ebner Stolz Management Consultants, in seinen Begrüßungsworten zum 3. Branchendialog Agrar & Finanzierer am 29. September 2015 in Düsseldorf fest. 150 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt, darunter Top-Entscheider der Finanzwirtschaft und Branchenspezialisten. Angesichts der großen Herausforderungen auf den Agrar- und Ernährungsmärkten überrascht der große Gesprächsbedarf nicht: zunehmende Deregulierung, steigende Handelsmarkenanteile und gesättigte Heimatmärkte. In der Milchindustrie führte dies zusammen mit dem Russlandembargo und dem Nachfragerückgang in China zu Überschussmengen und einem eklatanten Preisverfall.
Verstärkter Qualitätswettbewerb
Wie man diesen Herausforderungen begegnen kann, darüber referierten Top-Entscheider und -Manager aus der Praxis. Den Anfang machte Dr. Reinhard Schütte, Geschäftsführer der Consenso Consulting GmbH und ehemaliger Vorstand der EDEKA AG. Er beleuchtete den Wettbewerb im extrem oligopolisierten Lebensmitteleinzelhandel. Seine These: „Qualität schlägt Preis. Das gilt ebenfalls für Marktnischen. Das Mittelmaß hat überall ausgedient.“ Nur mit einer exzellenten Basisqualität könne man sich im Wettbewerb behaupten. Schüttes Appell an die Player: „Nur die allerbesten Marken, einzigartige, schwer zu imitierende Produkte mit deutlichem Kundennutzen werden überleben.“
Trennung von Produktion und Vertrieb
Jaap Schalken, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kamps GmbH, gab Einblicke in den Backwarenmarkt und die Konsolidierung seines Unternehmens. Der gebürtige Niederländer unterzog die Bäckereikette einer „Schlankheitskur“. Nach zahlreichen Verkäufen gibt es statt 900 Filialen jetzt weniger als 500. Aus fünf Produktionsstandorten wurde einer. Außerdem passte er das Angebot an und machte aus den Bäckereien Wohlfühlorte mit Restaurantatmosphäre. Besonders stolz ist Schalken auf ein selbst entwickeltes technologisches Verfahren, mit dem sich Frischteig in industriellen Volumina einfrieren und so über weite Strecken transportieren lässt. Das mache es möglich, Produktion und Vertrieb zu trennen, so Standorte weiter zu optimieren und gar zu exportieren.
Strategische Allianzen im Mittelstand
Ein Mittel, um dem Konsolidierungsdruck zu begegnen, ist die Strategische Allianz. Martin Tschochner, Managing Partner bei Ebner Stolz Management Consultants, stellte die aktuelle Studie „Strategische Allianzen. Wirkungsvolles Instrument oder überschätzter Hype? Das sagt der Mittelstand.“ von Ebner Stolz vor. Die Zahlen belegen: Unternehmensbündnisse sind im Mittelstand ein wirksam eingesetztes Management-Instrument, wenn es darum geht, sich fit für die Zukunft zu machen. Vorausgesetzt, man beachtet einige Regeln bei Partnerwahl und Umsetzung. Im Agrar- und Ernährungsmarkt sieht Martin Tschochner besonders im Einkauf, in der Produktion und im internationalen Vertrieb Chancen für Strategische Allianzen.
Produktion und Handel an einem Tisch
Anschließend stellte Oliver Thelen, stellvertretender Geschäftsführer der QS Qualität und Sicherheit GmbH, die Initiative Tierwohl vor. Fleischindustrie und Landwirtschaft stehen im Spannungsfeld aus steigender Produktion, sinkendem Verbrauch und geringer Rentabilität. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Schweine pro Betrieb verfünffacht. Massentierhaltung hat jedoch einen schlechten Ruf und verstärkt den Trend zum Fleischverzicht. Die Initiative Tierwohl, ein gemeinsames Projekt von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und LEH, hat laut eigener Aussage das Ziel, eine tiergerechtere Haltung und Produktion zu fördern, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte zu beeinträchtigen. Für jedes Kilogramm Fleisch, das über die Theke des LEH geht, führt dieser 4 Cent an den Tierwohlfonds und darüber an den beteiligten Landwirt ab. Für die Landwirte scheint sich das Konzept zu rechnen. „Die Warteliste ist sehr lang“, so Thelen. Für den Handel rechnet es sich offenbar auch: Fast alle Player sind beteiligt.