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Statusverfahren über Richtigkeit der Zusammensetzung des Aufsichtsrats

OLG München 6.3.2018, 31 Wx 321/15

Die pa­ritäti­sche Be­set­zung des Auf­sichts­rats ei­ner deut­schen Ak­ti­en­ge­sell­schaft durch Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter nach den Be­stim­mun­gen des deut­schen Mit­be­stim­mungs­rechts verstößt nicht ge­gen Art. 45 AEUV (An­schluss an EuGH, Ur­teil v. 18.7.2017 - C-566/15). Art. 18 AEUV ist im Ver­fah­ren durch das be­son­dere Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 45 AEUV verdrängt.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trags­geg­ne­rin ist die Mut­ter­ge­sell­schaft ei­nes in­ter­na­tio­na­len Han­dels- und Dienst­leis­tungs­kon­zerns. Sie be­schäftigte zum 30.9.2014 in Deutsch­land 11.900, in Eu­ropa 15.361 Ar­beit­neh­mer. Der Auf­sichts­rat be­steht aus 16 Mit­glie­dern, von de­nen die Hälfte die An­teils­eig­ner und die an­dere Hälfte die Ar­beit­neh­mer stel­len.

Der An­trag­stel­ler be­gehrt die Fest­stel­lung, dass der Auf­sichts­rat nicht nach § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Mit­bestG i.V.m. §§ 7, 8 Be­trVG pa­ritätisch, son­dern gem. § 96 Abs. 1 Var. 6 AktG nur aus Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der Ak­tionäre zu­sam­men­zu­set­zen sei. Er war der An­sicht, die Vor­schrif­ten des deut­schen Mit­be­stim­mungs­rechts über die Wahl der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter in den Auf­sichts­rat ver­stießen ge­gen Uni­ons­recht, na­ment­lich ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot gem. Art. 18 AEUV und ge­gen die Ar­beit­neh­mer­freizügig­keit gem. Art. 45 AEUV, weil sie das ak­tive und pas­sive Wahl­recht nur den deut­schen Be­leg­schaf­ten zu­ge­ste­hen, nicht aber auch den Be­leg­schaf­ten in an­de­ren EU-Staa­ten. Auf­grund ih­rer Uni­ons­rechts­wid­rig­keit dürf­ten die gel­ten­den Mit­be­stim­mungs­re­geln nicht mehr an­ge­wandt wer­den.

Das LG wies den An­trag ab. Nach Be­schwerde der An­trag­stel­ler hat das KG Ber­lin in einem ver­gleich­ba­ren Fall dem EuGH die Frage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

"Ist es mit Art. 18 AEUV (Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot) und Art. 45 AEUV (Freizügig­keit der Ar­beit­neh­mer) ver­ein­bar, dass ein Mit­glied­staat das ak­tive und pas­sive Wahl­recht für die Ver­tre­ter der Ar­beit­neh­mer in das Auf­sichts­or­gan ei­nes Un­ter­neh­mens nur sol­chen Ar­beit­neh­mern einräumt, die in Be­trie­ben des Un­ter­neh­mens oder in Kon­zern­un­ter­neh­men im In­land be­schäftigt sind?"

Der EuGH hat mit Ur­teil vom 18.7.2017 (Rs.: C-566/15) die Vor­la­ge­frage wie folgt be­ant­wor­tet:

"Art. 45 AEUV ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen nicht ent­ge­gen­steht, wo­nach die bei den inländi­schen Be­trie­ben ei­nes Kon­zerns be­schäftig­ten Ar­beit­neh­mer das ak­tive und pas­sive Wahl­recht bei den Wahlen der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter im Auf­sichts­rat der in die­sem Mit­glied­staat ansässi­gen Mut­ter­ge­sell­schaft des Kon­zerns so­wie ge­ge­be­nen­falls das Recht auf Ausübung oder wei­tere Ausübung ei­nes Auf­sichts­rats­man­dats ver­lie­ren, wenn sie ihre Stelle in einem sol­chen Be­trieb auf­ge­ben und eine Stelle bei ei­ner in einem an­de­ren Mit­glied­staat ansässi­gen Toch­ter­ge­sell­schaft die­ses Kon­zerns an­tre­ten."

Art. 18 AEUV sei im Ver­fah­ren durch das be­son­dere Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 45 AEUV verdrängt.

Das OLG hat dar­auf­hin mit Be­schluss vom 13.11.2017 das vor­lie­gende Ver­fah­ren wie­der auf­ge­nom­men und dem Be­schwer­deführer Ge­le­gen­heit ein­geräumt, Stel­lung zu neh­men. Hier­von hat die­ser al­ler­dings kei­nen Ge­brauch ge­macht.

Die Gründe:
Der An­trag ist un­begründet, weil der Auf­sichts­rat nicht - wie der An­trag­stel­ler be­gehrt fest­zu­stel­len - des­halb un­rich­tig zu­sam­men­ge­setzt ist, weil seine pa­ritäti­sche Zu­sam­men­set­zung gem. § 96 Abs. 1 Var. 1 AktG, § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Mit­bestG i.V.m. §§ 7, 8 Be­trVG ge­gen Uni­ons­recht ver­stieße, so dass der Auf­sichts­rat nach § 96 Abs. 1 Var. 6 AktG nicht­pa­ritätisch al­lein aus An­teils­eig­nern zu be­set­zen wäre.

Der Se­nat ist im vor­lie­gen­den Sta­tus­ver­fah­ren an die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts durch den EuGH ge­bun­den, da "alle sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen für die An­ru­fung der zuständi­gen Ge­richte in einem die An­wen­dung die­ser Vor­schrif­ten be­tref­fen­den Streit vor­lie­gen" und der vor­lie­gende Rechts­streit bei ähn­li­chem Sach­ver­halt die nämli­che Rechts­frage auf­wirft. Das vom An­trag­stel­ler an­geführte An­wen­dungs­hin­der­nis der für die pa­ritäti­sche Be­set­zung maßgeb­li­chen Vor­schrif­ten des deut­schen Mit­be­stim­mungs­rechts be­steht so­mit nicht.

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