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Rechtsberatung

Schwellenwerte: Keine Berücksichtigung im Ausland beschäftigter Arbeitnehmer

LG Hamburg 6.2.2018, 403 HKO 130/17

Für die Be­rech­nung der im Mit­bestG in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 1 ge­re­gel­ten Schwel­len­werte ist al­lein die An­zahl der im In­land be­schäftig­ten Ar­beit­neh­mer maßgeb­lich. Der Ein­be­zug von ausländi­schen Ar­beit­neh­mern ist we­der aus eu­ro­pa­recht­li­chen noch aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen ge­bo­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trags­geg­ne­rin ist eine Ak­ti­en­ge­sell­schaft. Der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin ist z. Z. mit je sechs Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der An­teils­ei­ge­ner und der Ar­beit­neh­mer pa­ritätisch be­setzt. Die An­trags­geg­ne­rin selbst be­schäftigte zum Stich­tag (30.10.2017) ins­ge­samt 2.386 Mit­ar­bei­ter. Un­ter Berück­sich­ti­gung ih­rer deut­schen Kon­zern­ge­sell­schaf­ten wa­ren bei ihr im In­land ins­ge­samt 6.521 Mit­ar­bei­ter be­schäftigt. In den übri­gen EU-Mit­glied­staa­ten be­schäftigte sie 3.628 Mit­ar­bei­ter zum Stich­tag. Welt­weit wa­ren es ins­ge­samt 18.442 Mit­ar­bei­ter.

Der An­trag­stel­ler ist Ak­tionär der An­trags­geg­ne­rin. Er ist der Auf­fas­sung, dass der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin un­zu­tref­fend be­setzt sei. Da der Kon­zern welt­weit 18.442 Mit­ar­bei­ter be­schäftige, sei der Auf­sichts­rat gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Mit­bestG mit je acht Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der An­teils­ei­ge­ner und der Ar­beit­neh­mer zu be­set­zen. Ausländi­sche Ar­beit­neh­mer seien bei der Be­rech­nung des Schwel­len­werts mit­ein­zu­be­zie­hen. Er be­an­tragte da­her, die ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die ent­spre­chende Zu­sam­men­set­zung des Auf­sichts­rats der Ak­ti­en­ge­sell­schaft. Das LG wies den An­trag zurück.

Die Gründe:
Der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin be­steht zu­tref­fend aus je­weils sechs Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der An­teils­ei­ge­ner und sechs Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der Ar­beit­neh­mer. Wer­den bei ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft i.d.R. nicht mehr als 10.000 Ar­beit­neh­mer be­schäftigt, so setzt sich der Auf­sichts­rat gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Mit­bestG aus je sechs Auf­sichts­rats­mit­glie­dern der An­teils­ei­ge­ner und Ar­beit­neh­mer zu­sam­men. Die An­trags­geg­ne­rin fällt in diese Ka­te­go­rie, denn bei der Er­mitt­lung der Schwel­len­werte, sind die Ar­beit­neh­mer in ausländi­schen Be­trie­ben von Nie­der­las­sun­gen und Toch­ter­ge­sell­schaf­ten nicht mit zu berück­sich­ti­gen. Ein­schließlich al­ler inländi­schen Kon­zern­ge­sell­schaf­ten wa­ren bei der An­trags­geg­ne­rin zu­letzt ca. 6.521 Ar­beit­neh­mer be­schäftigt.

Dass es bei der Er­mitt­lung der Schwel­len­werte von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Mit­bestG nur auf die An­zahl der im In­land be­schäftig­ten Ar­beit­neh­mer an­kommt, folgt aus § 3 Abs. 1 Mit­bestG. Da­nach sind Ar­beit­neh­mer i.S.d. Mit­bestG die in § 5 Abs. 1 Be­trVG be­zeich­ne­ten Ar­beit­neh­mer so­wie die lei­ten­den An­ge­stell­ten (§ 5 Abs. 3 Be­trVG) un­ter Aus­schluss der in § 5 Abs. 2 Be­trVG ge­nann­ten Per­so­nen. Für die be­trieb­li­che Mit­be­stim­mung gilt seit je­her das Ter­ri­to­ria­litätsprin­zip. Die Vor­schrif­ten des Be­trVG knüpfen aus­schließlich an das Be­le­gen­heits­recht des kon­kre­ten Be­triebs an. Dies be­deu­tet, dass die im Aus­land be­schäftig­ten Ar­beit­neh­mer nicht vom persönli­chen An­wen­dungs­be­reich des Be­trVG er­fasst wer­den und bei der Schwel­len­wert­er­mitt­lung nicht mit­zuzählen sind. Diese Aus­le­gung ent­spricht auch dem Wil­len des his­to­ri­schen Ge­setz­ge­bers.

Auch der Zweck des Mit­bestG spricht für keine an­dere Aus­le­gung, denn das Mit­bestG soll eine ge­leich­be­rech­tigte und gleich­ge­wich­tige Teil­nahme von An­teils­eig­nern und Ar­beit­neh­mern an den Ent­schei­dun­gen im Un­ter­neh­men si­cher­stel­len. Dafür ist es ir­re­le­vant, ob die Ar­beit­neh­mer ausländi­scher Be­triebe mit­berück­sich­tigt wer­den oder nicht. Die Vor­gabe der Schwel­len­werte dient viel­mehr der not­wen­di­gen Sche­ma­ti­sie­rung.

Die Nicht­berück­sich­ti­gung der im Aus­land be­schäftig­ten Ar­beit­neh­mer verstößt auch nicht ge­gen gel­ten­des EU-Recht. Es liegt we­der eine nach Art. 18 AEUV ver­bo­tene Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen der Staats­an­gehörig­keit noch ein Ver­stoß ge­gen die in Art 45 AEUV ge­re­gelte Freizügig­keit vor. Schließlich ist eine Berück­sich­ti­gung auch nicht aus ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen ge­bo­ten, denn für die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen im In­land und im Aus­land Be­schäftig­ter gibt es sach­li­che Gründe, die die Dif­fe­ren­zie­rung recht­fer­ti­gen.

Link­hin­weis:
Für den auf den Web­sei­ten der Jus­tiz Ham­burg veröff­ent­lich­ten Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.

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