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Steuerberatung

Rückstellungen für Aufwendungen wegen Auflösung von Baustellen

BFH v. 22.1.2020 - XI R 2/19

Un­ge­ach­tet ei­ner be­ste­hen­den Außenver­pflich­tung (hier: Räum­ung ei­nes Bau­stel­len­la­gers bei Ver­trags­ende) ist ein An­satz ei­ner Ver­bind­lich­keitsrück­stel­lung (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) dann aus­ge­schlos­sen, wenn die Ver­pflich­tung in ih­rer wirt­schaft­li­chen Be­las­tungs­wir­kung von einem ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­esse vollständig "über­la­gert" wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH, de­ren Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand u.a. in der Ausführung von Gerüstbau­ten be­steht. In ih­rem Stamm­sitz un­terhält sie ein Zen­tral­la­ger für Gerüstma­te­rial. In den Streit­jah­ren 2007, 2009, 2010 und 2012 war die Kläge­rin im We­sent­li­chen im Spe­zi­al­gerüstbau bei Großin­dus­trie­an­la­gen tätig. Strei­tig war schließlich, ob die Kläge­rin be­rech­tigt war, in den Streit­jahre Rück­stel­lun­gen für die mit der Auflösung von Bau­stel­len­la­gern ver­bun­de­nen Auf­wen­dun­gen zu bil­den. Das Fi­nanz­amt lehnte dies ab.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auch der BFH ver­sagte den be­gehr­ten ein­kom­mens- und ge­wer­be­er­trags­min­dern­den An­satz der Rück­stel­lung für Auf­wen­dun­gen im Zu­sam­men­hang mit künf­ti­gen Bau­stel­len­auflösun­gen.

Gründe:
Der be­gehrte ein­kom­mens- und ge­wer­be­er­trags­min­dernde An­satz der Rück­stel­lung für Auf­wen­dun­gen im Zu­sam­men­hang mit künf­ti­gen Bau­stel­len­auflösun­gen war zu ver­sa­gen.

Rück­stel­lun­gen für un­ge­wisse Ver­bind­lich­kei­ten set­zen ent­we­der das Be­ste­hen ei­ner ih­rer Höhe nach un­ge­wis­sen Ver­bind­lich­keit oder die über­wie­gende Wahr­schein­lich­keit des Ent­ste­hens ei­ner Ver­bind­lich­keit dem Grunde nach vor­aus, de­ren Höhe zu­dem un­ge­wiss sein kann. Ist die Ver­pflich­tung am Bi­lanz­stich­tag nicht nur der Höhe nach un­ge­wiss, son­dern auch dem Grunde nach noch nicht recht­lich ent­stan­den, so kann eine Rück­stel­lung nur un­ter der wei­te­ren Vor­aus­set­zung ge­bil­det wer­den, dass sie wirt­schaft­lich in den bis zum Bi­lanz­stich­tag ab­ge­lau­fe­nen Wirt­schafts­jah­ren ver­ur­sacht ist.

Die Ver­bind­lich­keitsrück­stel­lung ist Aus­fluss des sog. Vor­sichts­prin­zips und des hier­aus ab­ge­lei­te­ten Rea­li­sa­ti­ons­prin­zips; sie soll im In­ter­esse ei­nes pe­rio­den­ge­rech­ten Ge­winn­aus­wei­ses gewähr­leis­ten, dass am Bi­lanz­stich­tag ver­ur­sachte po­ten­zi­ell ge­winn­min­dernde Fak­to­ren in der Bi­lanz berück­sich­tigt wer­den. In­so­weit muss da­her eine Be­las­tung des ge­genwärti­gen Vermögens des Steu­er­pflich­ti­gen vor­lie­gen (Prin­zip der wirt­schaft­li­chen Last), er muss als Schuld­ner ernst­haft mit sei­ner In­an­spruch­nahme, die zu ei­ner Vermögens­be­las­tung führt, rech­nen müssen.

Un­ter Berück­sich­ti­gung des Ver­bots sog. Auf­wandsrück­stel­lun­gen (§ 249 Abs. 2 Satz 1 HGB) setzt der An­satz ei­ner Rück­stel­lung als Ver­bind­lich­keitsrück­stel­lung eine Ver­pflich­tung vor­aus, die ge­genüber ei­ner drit­ten Per­son be­steht (sog. Außenver­pflich­tung) und als er­zwing­ba­rer An­spruch eine wirt­schaft­li­che Be­las­tung dar­stellt. Da­bei kann es un­ge­ach­tet ei­ner aus­rei­chend be­stimm­ten Außenver­pflich­tung aber --da­bei un­abhängig von der Rechts­na­tur als pri­vat­recht­li­cher oder öf ent­lich-recht­li­cher Ver­pflich­tung - in Be­tracht kom­men, die wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Leis­tungs­ver­pflich­te­ten und des An­spruchs­be­rech­tig­ten zu ge­wich­ten und im Ein­zel­fall ein sog. ei­gen­be­trieb­li­ches In­ter­esse als wirt­schaft­lich auslösen­des Mo­ment der Be­las­tung zu wer­ten sind.

Hieran ist ins­be­son­dere in den Fällen fest­zu­hal­ten ist, in de­nen eine be­ste­hende Außenver­pflich­tung durch ein ei­gen­be­trieb­li­ches In­ter­esse bei wirt­schaft­li­cher Be­trach­tung vollständig über­la­gert wird und da­mit der Sa­che nach eine sog. Auf­wandsrück­stel­lung vor­liegt. So hat das "Ne­ga­tiv­merk­mal" da­mit eine ge­setz­li­che Grund­lage, da die Außenver­pflich­tung eine wirt­schaft­li­che Be­las­tung auslösen muss und diese Frage nicht los­gelöst von einem da­mit im un­mit­tel­ba­ren Zu­sam­men­hang ste­hen­den ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­esse be­ant­wor­tet wer­den kann.

Im vor­lie­gen­den Fall schied der An­satz ei­ner Rück­stel­lung für die Räum­ung und den Ab­trans­port des (Gerüstbau-)Ma­te­ri­als aus. Das FG hatte die Sach­umstände des Streit­falls zu­tref­fend da­hin­ge­hend gewürdigt, dass das ei­gen­be­trieb­li­che In­ter­esse der Kläge­rin an der Auflösung des (je­wei­li­gen) Ma­te­ri­al­la­gers an den Bau­stel­len und der Rückführung des (für die wei­tere Be­triebs­fortführung der Steu­er­pflich­ti­gen not­wen­di­gen) Ma­te­ri­als in das Zen­tral­la­ger der Steu­er­pflich­ti­gen eine wirt­schaft­li­che Be­deu­tung ein­nimmt, die den Um­stand der zi­vil­recht­li­chen Ver­pflich­tung zur Räum­ung des je­wei­li­gen Grundstücks vollen Um­fangs über­la­gert.

Da­bei hatte es auch in Rech­nung ge­stellt, dass ge­rade mit Blick auf den Leis­tungs­ge­gen­stand der Ein­zel­verträge ("Ab­rufe"), der ins­be­son­dere An- und Ab­trans­port und Mon­tage und De­mon­tage am Bau­ob­jekt be­inhal­tete, das Ein­rich­ten des Ma­te­ri­al­la­gers auf dem Grundstück für künf­tige Ver­wen­dun­gen im In­ter­esse der Steu­er­pflich­ti­gen lag und die Grundstücksräum­ung einen un­trenn­ba­ren Zu­sam­men­hang mit dem (Rück-)Trans­port der ei­ge­nen Ma­te­ria­lien in das Zen­tral­la­ger der Steu­er­pflich­ti­gen auf­weist.

Das FG hatte da­mit un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner da­durch aus­gelösten wirt­schaft­li­chen Be­las­tung eine Abwägung der Räum­ungs­ver­pflich­tung und des In­ter­es­ses am Rück­trans­port des ei­ge­nen be­triebs­not­wen­di­gen Ma­te­ri­als vor­ge­nom­men. Es ist da­bei als Ge­gen­stand die­ser ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Würdi­gung zu einem Er­geb­nis ("vollständige Über­la­ge­rung des ei­gen­be­trieb­li­chen In­ter­es­ses") ge­langt. Grund­lage für diese Würdi­gung war da­bei zu Recht ins­be­son­dere der Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand der Kläge­rin. Als Gerüstbau­un­ter­neh­men ist sie dar­auf an­ge­wie­sen, Gerüstbau­ma­te­ria­lien und Be­triebs- und Ge­schäfts­aus­stat­tung (Tre­cker, Anhänger, Ga­bel­stap­ler, Con­tai­ner für Büroar­bei­ten und für die Un­ter­brin­gung von Ar­beit­neh­mern) für Fol­ge­aufträge wie­der zur Verfügung zu ha­ben. Die Be­triebs­not­wen­dig­keit lässt sich dar­aus schließen, dass selbst bei er­heb­li­chen Ent­fer­nun­gen zwi­schen den Bau­stel­len und dem Zen­tral­la­ger (von bis zu 675 km) ein Rück­trans­port des Ma­te­ri­als er­folgte.

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