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Steuerberatung

Privater Schwimmunterricht für Kleinkinder ist umsatzsteuerfrei

FG Baden-Württemberg 14.6.2018, 1 K 3226/15

Pri­va­ter Schwimm­un­ter­richt mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten Pri­vat­leh­re­rin, bei dem struk­tu­riert Schwimm­kennt­nisse ver­mit­telt wer­den und bei dem da­her die Un­ter­richts­funk­tion die reine Form der Frei­zeit­ge­stal­tung über­wiegt, ist für Klein­kin­der im Al­ter von einem bis zu ein­schließlich drei Jah­ren um­satz­steu­er­frei.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin führt nach einem von ihr ent­wi­ckel­ten Pro­gramm Schwimm­kurse für Kin­der durch. Die Schwimm­kurse teilt die Kläge­rin nach dem Al­ter der Kin­der ein: Säug­linge (3 bis 12 Mo­nate), Klein­kin­der (1. bis 3. Le­bens­jahr) und Kin­der ab dem 3. Le­bens­jahr. Die Schwimm­kurse fin­den in an­ge­mie­te­ten Schwimm­hal­len statt. In den Schwimm­kur­sen für Säug­linge wer­den diese von ih­ren El­tern be­wegt. Die Kin­der im Al­ter vom 1. bis zum 3. Le­bens­jahr be­we­gen sich zunächst mit Hilfe der El­tern, die ihre Un­terstützung aber schritt­weise zurück­neh­men.

Die Kläge­rin be­han­delte sämt­li­che Schwimm­kurse als um­satz­steu­er­freie Leis­tun­gen gem. § 4 Nr. 21 UStG. Das Fi­nanz­amt lehnte die Steu­er­be­frei­ung für den Schwimm­un­ter­richt Klein­kin­der un­ter drei Jah­ren ab, da hier­bei die Frei­zeit­ge­stal­tung und der Spaßfak­tor über­wieg­ten. Es han­dele sich da­bei nicht um Un­ter­richt, son­dern um eine Frühförde­rungsmaßnahme. Für die Kin­der­schwimm­kurse über drei Jahre gewährte es die Steu­er­be­frei­ung, nach­dem der Kläge­rin hierfür vom Re­gie­rungspräsi­dium eine Be­schei­ni­gung er­teilt wor­den war.

Mit ih­rer Klage be­gehrte die Kläge­rin die Steu­er­be­frei­ung auch für den Schwimm­un­ter­richt der Klein­kin­der un­ter drei Jah­ren. Die Klage hatte teil­wei­sen in Be­zug auf Schwimm­kurse für Klein­kin­der im Al­ter von ein bis drei Jah­ren Er­folg.

Die Gründe:

Schwimm­kurse für Klein­kin­der vom 1. bis zum 3. Le­bens­jahr von sind von der Um­satz­steuer be­freit. Da­ge­gen ist das Säug­lings­schwim­men (3 bis 12 Mo­nate) steu­er­pflich­tig.

Die Kläge­rin kann sich für die Steu­er­be­frei­ung zwar nicht auf das deut­sche Um­satz­steu­er­ge­setz, aber auf die eu­ropäische Mehr­wert­steu­er­sys­tem­richt­li­nie (Art. 132 Abs. 1 Buchst. j der RL 2006/112/EG vom 28.11.2006) be­ru­fen. Da­nach ist der von Pri­vat­leh­rern er­teilte Schul- und Hoch­schul­un­ter­richt steu­er­frei. Bei der Kläge­rin han­delt es sich um eine qua­li­fi­zierte Pri­vat­leh­re­rin. Zu­dem be­steht an der Er­ler­nung der Fähig­keit, schwim­men zu können, ein ho­hes Ge­mein­woh­lin­ter­esse. Das Er­trin­ken ist in Deutsch­land nach den Ver­kehrs­unfällen die zweithäufigste To­des­ur­sa­che bei (Klein-)Kin­dern.

Darüber hin­aus sind die Schwimm­kurse für Kin­der im Al­ter von 1 bis 3 Jah­ren auch "Schul- und Hoch­schul­un­ter­richt". Der Be­griff er­fasst nicht nur prüfungs- oder aus­bil­dungs­be­zo­ge­nen Un­ter­richt. Steu­er­be­freit sind auch an­dere Tätig­kei­ten, um Kennt­nisse und Fähig­kei­ten von Schülern oder Stu­den­ten zu ent­wi­ckeln, so­fern diese Tätig­kei­ten nicht den Cha­rak­ter bloßer Frei­zeit­ge­stal­tung hätten. Die Steu­er­be­frei­ung ver­langt da­her nicht, dass die Mehr­heit der Kin­der nach Be­en­di­gung der Kurse in der Lage ist, selbständig zu schwim­men.

Die Steu­er­be­frei­ung be­zweckt die gleichmäßige um­satz­steu­er­li­che Be­las­tung von pri­va­ten und öff­ent­li­chen Aus­bil­dungsträgern. Da­her ist es aus­rei­chend, wenn der Kurs das Schwim­men ler­nen fördert. Dies ist vor­lie­gend bei den struk­tu­rier­ten Kin­der­schwimm­kur­sen der Kläge­rin der Fall. Beim Säug­lings­schwim­men hin­ge­gen liegt der Schwer­punkt in der Frei­zeit­ge­stal­tung. Es ist nicht er­sicht­lich, dass der Kurs über dies hin­aus­geht und in einem struk­tu­rier­ten Pro­zess den Säug­lin­gen Schwimm­kennt­nisse ver­mit­telt wer­den. Die Säug­linge be­we­gen sich nicht al­leine. Die Umsätze im Be­reich des Säug­lings­schwim­mens un­ter­lie­gen da­her dem Re­ge­lum­satz­steu­er­satz.

Link­hin­weis:

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