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Ort der Lieferung bei Versendung über Auslieferungslager

BFH 20.10.2016, V R 31/15

Für die Lie­fer­ort­be­stim­mung nach § 3 Abs. 6 UStG muss der Ab­neh­mer be­reits bei Be­ginn der Ver­sen­dung fest­ste­hen. Eine Ver­sen­dungs­lie­fe­rung kann dann auch vor­lie­gen, wenn der Lie­fer­ge­gen­stand nach dem Be­ginn der Ver­sen­dung für kurze Zeit in einem Aus­lie­fe­rungs­la­ger ge­la­gert wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin lie­ferte in den Streit­jah­ren 2001 bis 2008 Wa­ren an die Bei­ge­la­dene. Die Lie­fe­run­gen wur­den über im In­land ge­le­gene La­ger aus­geführt; seit 2003 von einem La­ger aus, das von L be­trie­ben wurde. Die Kläge­rin war Auf­trag­ge­be­rin von L. Die Wa­ren­lie­fe­run­gen er­folg­ten auf der Grund­lage sog. zen­tra­ler Lie­fer­verträge. Diese re­gel­ten die zu lie­fern­den Ge­genstände, die Kauf­preise so­wie die Zah­lungs- und Lie­fe­rungs­be­din­gun­gen. Die kon­kre­ten Lie­fer­men­gen und Lie­fer­da­ten er­ga­ben sich erst aus sog. Lie­fe­rab­rufplänen, die die Bei­ge­la­dene der Kläge­rin häufig täglich über­sandte. Nach den zen­tra­len Lie­fer­verträgen war nur der Lie­fe­rab­ruf ju­ris­ti­sch bin­dend und führte zu einem Kauf­ver­trag. Nach den zum Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­de­nen All­ge­mei­nen Ein­kaufs­be­din­gun­gen der Bei­ge­la­de­nen wur­den Wa­ren­menge und Lie­fer­ter­min erst durch den Lie­fe­rab­ruf fest­ge­legt.

Die Kläge­rin mus­ste die er­for­der­li­che Ka­pa­zität si­cher­stel­len, um die Wa­ren­men­gen ein­schließlich Vor­schau­men­gen aus Lie­fe­rab­ru­fen erfüllen zu können. Mit dem Lie­fe­rab­ruf teilte die Bei­ge­la­dene der Kläge­rin ver­bind­lich mit, wel­che Wa­ren­men­gen zu wel­chem Da­tum an­ge­lie­fert wer­den muss­ten. Das Ei­gen­tum an den Wa­ren so­wie die Ge­fahr des zufälli­gen Un­ter­gangs soll­ten erst zu dem Zeit­punkt und an dem Lie­fer­ort über­ge­hen, der im je­wei­li­gen Lie­fer­ver­trag be­stimmt war. Die Bei­ge­la­dene war aber ver­pflich­tet, für die durch den La­ger­hal­ter ver­ur­sach­ten Schäden ge­genüber der Kläge­rin ein­zu­ste­hen. Für den Fall ei­ner Kündi­gung ei­nes Lie­fe­rab­rufs mus­ste die Bei­ge­la­dene die auf­grund des Ab­rufs be­reits ein­ge­la­ger­ten Wa­ren be­zah­len. Zah­lun­gen wa­ren je­weils zum 25. des auf die Lie­fe­rung fol­gen­den Mo­nats fällig. Die Lie­fe­rab­rufe ent­hiel­ten stets Frei­ga­ben für die nächs­ten zwölf Wo­chen und be­stimm­ten für die­sen Zeit­raum Lie­fer­ter­mine in Abständen von re­gelmäßig ein bis zwei Wo­chen. Die ver­sand­ten Wa­ren ent­spra­chen men­genmäßig dem Be­darf der Bei­ge­la­de­nen in den nächs­ten Ta­gen und Wo­chen.

Im Rah­men ei­ner während des fi­nanz­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens ab­ge­schlos­se­nen tatsäch­li­chen Verständi­gung gin­gen die Kläge­rin und das Fi­nanz­amt da­von aus, dass für 95 % der Lie­fe­run­gen be­reits bei Be­ginn der Ver­sen­dung in Spa­nien ver­bind­li­che Be­stel­lun­gen der Bei­ge­la­de­nen vor­la­gen. Im An­schluss an ein steu­er­straf­recht­li­ches Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen Ver­ant­wort­li­che der Kläge­rin nahm das Fi­nanz­amt an, dass alle über das inländi­sche La­ger aus­geführ­ten Lie­fe­run­gen trotz der Ver­sen­dung aus Spa­nien im In­land steu­er­pflich­tig seien und er­ließ dem ent­spre­chende Um­satz­steu­er­be­scheide für die Streit­jahre.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage über­wie­gend statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH ebenso we­nig Er­folg wie die An­schluss­re­vi­sion der Kläge­rin.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass sich der Ort der von der Kläge­rin un­strei­tig aus­geführ­ten Lie­fe­run­gen nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG be­stimmt, wenn die Per­son des Ab­neh­mers be­reits bei Be­ginn der Ver­sen­dung fest­steht.

Die Orts­be­stim­mung als Ver­sen­dungs­lie­fe­rung nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG setzt vor­aus, dass der Ab­neh­mer be­reits bei Be­ginn der Ver­sen­dung fest­steht. Un­ter die­ser Be­din­gung kann eine Ver­sen­dungs­lie­fe­rung auch dann vor­lie­gen, wenn der Lie­fer­ge­gen­stand nach dem Be­ginn der Ver­sen­dung für kurze Zeit in einem Aus­lie­fe­rungs­la­ger ge­la­gert wird. Wird der Ge­gen­stand der Lie­fe­rung durch den Lie­fe­rer, den Ab­neh­mer oder einen vom Lie­fe­rer oder vom Ab­neh­mer be­auf­trag­ten Drit­ten befördert oder ver­sen­det, gilt die Lie­fe­rung gem. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG dort als aus­geführt, wo die Beförde­rung oder Ver­sen­dung an den Ab­neh­mer oder in des­sen Auf­trag an einen Drit­ten be­ginnt. § 3 Abs. 6 S. 1 UStG setzt eine Ver­sen­dung an den Ab­neh­mer vor­aus. Die­ser muss im Zeit­punkt der Ver­sen­dung nach Maßgabe des der Lie­fe­rung zu­grun­de­lie­gen­den Rechts­verhält­nis­ses, aus dem sich die Per­son des Ab­neh­mers er­gibt, fest­ste­hen.

§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG er­for­dert in Übe­rein­stim­mung mit den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben (Art. 32 MwSt­Sys­tRL, zu­vor Art. 8 Abs. 1 Buchst. a Richt­li­nie 77/388/EWG), dass "der Ge­gen­stand der Lie­fe­rung durch den Lie­fe­rer, den Ab­neh­mer oder einen vom Lie­fe­rer oder vom Ab­neh­mer be­auf­trag­ten Drit­ten befördert oder ver­sen­det wird". Wie sich aus der Rechts­fol­ge­na­nord­nung der Vor­schrift er­gibt, muss "die Beförde­rung oder Ver­sen­dung an den Ab­neh­mer" er­fol­gen, der so­mit be­reits beim Be­ginn der Ver­sen­dung fest­ste­hen muss. Auch dies stimmt mit Art. 32 MwSt­Sys­tRL übe­rein. Da­nach be­fin­det sich der Lie­fer­ort an dem "Ort, an dem sich der Ge­gen­stand zum Zeit­punkt des Be­ginns der Ver­sen­dung oder Beförde­rung an den Er­wer­ber be­fin­det". Kommt es für § 3 Abs. 6 S. 1 UStG auf die Ver­sen­dung an einen bei ih­rem Be­ginn be­reits fest­ste­hen­den Ab­neh­mer an, setzt die Vor­schrift auch vor­aus, dass die Ver­sen­dung zu einem Ge­lan­gen des Lie­fer­ge­gen­stan­des an den Ab­neh­mer führt. Die Ver­sen­dung darf da­her nicht ab­ge­bro­chen wer­den. Dazu reicht eine nur kurz­zei­tige La­ge­rung nach dem Be­ginn der Ver­sen­dung nicht aus.

Laut BFH-Recht­spre­chung gilt eine Lie­fe­rung auch dann gem.§ 3 Abs. 6 S. 1 UStG als bei Be­ginn der Ver­sen­dung aus­geführt, wenn die Ware von dem mit der Ver­sen­dung Be­auf­trag­ten zunächst in ein inländi­sches La­ger ge­bracht und erst nach Ein­gang der Zah­lung durch eine Frei­ga­be­erklärung des Lie­fe­ran­ten an den Er­wer­ber her­aus­ge­ge­ben wird. Dem­ent­spre­chend ist die Ein­la­ge­rung in ein Aus­lie­fe­rungs­la­ger nach dem Be­ginn der Ver­sen­dung an den Ab­neh­mer für die An­wen­dung von § 3 Abs. 6 S. 1 UStG ohne Be­deu­tung. Wie das FG in­so­weit zu­tref­fend ent­schie­den hat, steht der Um­stand, dass die für einen von vorn­her­ein fest­ste­hen­den Ab­neh­mer be­stimm­ten Wa­ren noch für einen kurzen Zeit­raum in einem auf In­itia­tive des Ab­neh­mers ein­ge­rich­te­ten La­ger zwi­schen­ge­la­gert wer­den, zu­min­dest un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes dem Ab­neh­mer ver­trag­lich ein­geräum­ten un­ein­ge­schränk­ten Zu­griffs­rechts der An­nahme ei­ner Ver­sen­dung an den Ab­neh­mer nicht ent­ge­gen.

Eine Ein­la­ge­rung für den beim Be­ginn der Ver­sen­dung be­reits fest­ste­hen­den Ab­neh­mer - wie im Streit­fall - nur für kurze Zeit, um den pro­duk­ti­ons­be­dingt beim Ab­neh­mer für die nächs­ten Tage und Wo­chen benötig­ten Wa­ren­be­darf zu de­cken, un­ter­bricht noch nicht die im Streit­fall in Spa­nien be­gon­ne­nen Ver­sen­dun­gen. Da­nach kann das Fi­nanz­amt nicht mit Er­folg gel­tend ma­chen, dass es für § 3 Abs. 6 S. 1 UStG er­for­der­lich ist, dass der Ab­neh­mer be­reits mit der Ein­la­ge­rung die Verfügungs­macht i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG erhält. Dies ist be­reits des­halb un­zu­tref­fend, da es sich dann bei § 3 Abs. 6 S. 1 UStG um eine ne­ben § 3 Abs. 7 S. 1 UStG überflüssige Re­ge­lung han­deln würde.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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